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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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Unfehlbarkeit des Papstes. XVII.
Abstimmung enthalten wollten. Indessen zeigte sich bald, daß
der kluge und menschenkundige Papst richtiger gerechnet hatte
als die zaghaften "besonnenen Katholiken"; denn in den leicht-
gläubigen und ungebildeten Massen fand auch dieses unge-
heuerliche Dogma blinde Annahme.

Die ganze Geschichte des Papstthums, wie sie durch
Tausende von zuverlässigen Quellen und von handgreiflichen
historischen Dokumenten unwiderleglich festgenagelt ist, erscheint
für den unbefangenen Kenner als ein gewissenloses Gewebe von
Lug und Trug, als ein rücksichtsloses Streben nach absoluter
geistlicher Herrschaft und weltlicher Macht, als eine frivole
Verleugnung aller der hohen sittlichen Gebote, welche das wahre
Christenthum predigt: Menschenliebe und Duldung, Wahrheit
und Keuschheit, Armuth und Entsagung. Wenn man die lange
Reihe der Päpste und der römischen Kirchenfürsten, aus denen
sie gewählt wurden, nach dem Maßstabe der reinen christlichen
Moral mustert, ergiebt sich klar, daß die große Mehrzahl derselben
schamlose Gaukler und Betrüger waren, viele von ihnen nichts-
würdige Verbrecher. Diese allbekannten historischen That-
sachen
hindern aber nicht, daß noch heute Millionen von
"gebildeten" gläubigen Katholiken an die "Unfehlbarkeit" dieses
"heiligen Vaters" glauben, die er sich selbst zugesprochen hat;
sie hindern nicht, daß noch heute protestantische Fürsten nach
Rom fahren und dem "heiligen Vater" (ihrem gefährlichsten
Feinde!) ihre Verehrung bezeugen; sie hindern nicht, daß noch
heute im Deutschen Reichstage die Knechte und Helfershelfer
dieses "heiligen Gauklers" die Geschicke des Deutschen Volkes
bestimmen -- dank seiner unglaublichen politischen Unfähigkeit
und kritiklosen Gläubigkeit!

Encyklika und Syllabus. Unter den angeführten drei
großen Gewaltthaten, durch welche der moderne Papismus in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine absolute Herr-

Unfehlbarkeit des Papſtes. XVII.
Abſtimmung enthalten wollten. Indeſſen zeigte ſich bald, daß
der kluge und menſchenkundige Papſt richtiger gerechnet hatte
als die zaghaften „beſonnenen Katholiken“; denn in den leicht-
gläubigen und ungebildeten Maſſen fand auch dieſes unge-
heuerliche Dogma blinde Annahme.

Die ganze Geſchichte des Papſtthums, wie ſie durch
Tauſende von zuverläſſigen Quellen und von handgreiflichen
hiſtoriſchen Dokumenten unwiderleglich feſtgenagelt iſt, erſcheint
für den unbefangenen Kenner als ein gewiſſenloſes Gewebe von
Lug und Trug, als ein rückſichtsloſes Streben nach abſoluter
geiſtlicher Herrſchaft und weltlicher Macht, als eine frivole
Verleugnung aller der hohen ſittlichen Gebote, welche das wahre
Chriſtenthum predigt: Menſchenliebe und Duldung, Wahrheit
und Keuſchheit, Armuth und Entſagung. Wenn man die lange
Reihe der Päpſte und der römiſchen Kirchenfürſten, aus denen
ſie gewählt wurden, nach dem Maßſtabe der reinen chriſtlichen
Moral muſtert, ergiebt ſich klar, daß die große Mehrzahl derſelben
ſchamloſe Gaukler und Betrüger waren, viele von ihnen nichts-
würdige Verbrecher. Dieſe allbekannten hiſtoriſchen That-
ſachen
hindern aber nicht, daß noch heute Millionen von
„gebildeten“ gläubigen Katholiken an die „Unfehlbarkeit“ dieſes
„heiligen Vaters“ glauben, die er ſich ſelbſt zugeſprochen hat;
ſie hindern nicht, daß noch heute proteſtantiſche Fürſten nach
Rom fahren und dem „heiligen Vater“ (ihrem gefährlichſten
Feinde!) ihre Verehrung bezeugen; ſie hindern nicht, daß noch
heute im Deutſchen Reichstage die Knechte und Helfershelfer
dieſes „heiligen Gauklers“ die Geſchicke des Deutſchen Volkes
beſtimmen — dank ſeiner unglaublichen politiſchen Unfähigkeit
und kritikloſen Gläubigkeit!

Encyklika und Syllabus. Unter den angeführten drei
großen Gewaltthaten, durch welche der moderne Papismus in
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[374/0390] Unfehlbarkeit des Papſtes. XVII. Abſtimmung enthalten wollten. Indeſſen zeigte ſich bald, daß der kluge und menſchenkundige Papſt richtiger gerechnet hatte als die zaghaften „beſonnenen Katholiken“; denn in den leicht- gläubigen und ungebildeten Maſſen fand auch dieſes unge- heuerliche Dogma blinde Annahme. Die ganze Geſchichte des Papſtthums, wie ſie durch Tauſende von zuverläſſigen Quellen und von handgreiflichen hiſtoriſchen Dokumenten unwiderleglich feſtgenagelt iſt, erſcheint für den unbefangenen Kenner als ein gewiſſenloſes Gewebe von Lug und Trug, als ein rückſichtsloſes Streben nach abſoluter geiſtlicher Herrſchaft und weltlicher Macht, als eine frivole Verleugnung aller der hohen ſittlichen Gebote, welche das wahre Chriſtenthum predigt: Menſchenliebe und Duldung, Wahrheit und Keuſchheit, Armuth und Entſagung. Wenn man die lange Reihe der Päpſte und der römiſchen Kirchenfürſten, aus denen ſie gewählt wurden, nach dem Maßſtabe der reinen chriſtlichen Moral muſtert, ergiebt ſich klar, daß die große Mehrzahl derſelben ſchamloſe Gaukler und Betrüger waren, viele von ihnen nichts- würdige Verbrecher. Dieſe allbekannten hiſtoriſchen That- ſachen hindern aber nicht, daß noch heute Millionen von „gebildeten“ gläubigen Katholiken an die „Unfehlbarkeit“ dieſes „heiligen Vaters“ glauben, die er ſich ſelbſt zugeſprochen hat; ſie hindern nicht, daß noch heute proteſtantiſche Fürſten nach Rom fahren und dem „heiligen Vater“ (ihrem gefährlichſten Feinde!) ihre Verehrung bezeugen; ſie hindern nicht, daß noch heute im Deutſchen Reichstage die Knechte und Helfershelfer dieſes „heiligen Gauklers“ die Geſchicke des Deutſchen Volkes beſtimmen — dank ſeiner unglaublichen politiſchen Unfähigkeit und kritikloſen Gläubigkeit! Encyklika und Syllabus. Unter den angeführten drei großen Gewaltthaten, durch welche der moderne Papismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ſeine abſolute Herr-

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/390>, abgerufen am 23.11.2024.