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Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.

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XVII. Unfehlbarkeit des Papstes.
Wissenschaft als solcher den entscheidenden "Kampf auf Tod
und Leben" angekündigt hat. Es geschah dies in drei bedeutungs-
vollen Kriegserklärungen gegen die Vernunft, für deren Un-
zweideutigkeit und Entschiedenheit die moderne Wissenschaft und
Kultur dem römischen "Statthalter Christi" nur dankbar sein
kann: I. Im Dezember 1854 verkündete der Papst das Dogma
von der unbefleckten Empfängniß Mariä. II. Zehn
Jahre später, im Dezember 1864, sprach der "heilige Vater" in
der berüchtigten Encyklika das absolute Verdammungs-
Urtheil über die ganze moderne Civilisation und
Geistesbildung
aus; in dem begleitenden Syllabus gab
er eine Aufzählung und Verfluchung aller einzelnen Vernunft-
sätze und philosophischen Principien, welche von unserer
modernen Wissenschaft als sonnenklare Wahrheit anerkannt
sind. 16 III. Endlich setzte sechs Jahre später, am 13. Juli 1870,
der streitbare Kirchenfürst im Vatikan seinem Aberwitz die Krone
auf, indem er für sich und alle seine Vorgänger in der Papst-
würde die Unfehlbarkeit in Anspruch nahm. Dieser Triumph
der römischen Kurie wurde der erstaunten Welt fünf Tage
später verkündet, am 18. Juli 1870, an demselben denkwürdigen
Tage, an welchem Frankreich den Krieg an Preußen erklärte!
Zwei Monate später wurde die weltliche Herrschaft des Papstes
in Folge dieses Krieges aufgehoben.

Unfehlbarkeit des Papstes. Diese drei wichtigsten Akte
des Papismus im 19. Jahrhundert waren so offenkundige Faust-
schläge in das Antlitz der Vernunft, daß sie selbst innerhalb der
orthodoxen katholischen Kreise von Anfang an das höchste Be-
denken erregten. Als man im vatikanischen Koncil am 13. Juli
1870 zur Abstimmung über das Dogma von der Unfehlbar-
keit
schritt, erklärten sich nur drei Viertel der Kirchenfürsten zu
Gunsten desselben, nämlich 451 von 601 Abstimmenden; dazu
fehlten noch zahlreiche andere Bischöfe, welche sich der gefährlichen

XVII. Unfehlbarkeit des Papſtes.
Wiſſenſchaft als ſolcher den entſcheidenden „Kampf auf Tod
und Leben“ angekündigt hat. Es geſchah dies in drei bedeutungs-
vollen Kriegserklärungen gegen die Vernunft, für deren Un-
zweideutigkeit und Entſchiedenheit die moderne Wiſſenſchaft und
Kultur dem römiſchen „Statthalter Chriſti“ nur dankbar ſein
kann: I. Im Dezember 1854 verkündete der Papſt das Dogma
von der unbefleckten Empfängniß Mariä. II. Zehn
Jahre ſpäter, im Dezember 1864, ſprach der „heilige Vater“ in
der berüchtigten Encyklika das abſolute Verdammungs-
Urtheil über die ganze moderne Civiliſation und
Geiſtesbildung
aus; in dem begleitenden Syllabus gab
er eine Aufzählung und Verfluchung aller einzelnen Vernunft-
ſätze und philoſophiſchen Principien, welche von unſerer
modernen Wiſſenſchaft als ſonnenklare Wahrheit anerkannt
ſind. 16 III. Endlich ſetzte ſechs Jahre ſpäter, am 13. Juli 1870,
der ſtreitbare Kirchenfürſt im Vatikan ſeinem Aberwitz die Krone
auf, indem er für ſich und alle ſeine Vorgänger in der Papſt-
würde die Unfehlbarkeit in Anſpruch nahm. Dieſer Triumph
der römiſchen Kurie wurde der erſtaunten Welt fünf Tage
ſpäter verkündet, am 18. Juli 1870, an demſelben denkwürdigen
Tage, an welchem Frankreich den Krieg an Preußen erklärte!
Zwei Monate ſpäter wurde die weltliche Herrſchaft des Papſtes
in Folge dieſes Krieges aufgehoben.

Unfehlbarkeit des Papſtes. Dieſe drei wichtigſten Akte
des Papismus im 19. Jahrhundert waren ſo offenkundige Fauſt-
ſchläge in das Antlitz der Vernunft, daß ſie ſelbſt innerhalb der
orthodoxen katholiſchen Kreiſe von Anfang an das höchſte Be-
denken erregten. Als man im vatikaniſchen Koncil am 13. Juli
1870 zur Abſtimmung über das Dogma von der Unfehlbar-
keit
ſchritt, erklärten ſich nur drei Viertel der Kirchenfürſten zu
Gunſten desſelben, nämlich 451 von 601 Abſtimmenden; dazu
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[373/0389] XVII. Unfehlbarkeit des Papſtes. Wiſſenſchaft als ſolcher den entſcheidenden „Kampf auf Tod und Leben“ angekündigt hat. Es geſchah dies in drei bedeutungs- vollen Kriegserklärungen gegen die Vernunft, für deren Un- zweideutigkeit und Entſchiedenheit die moderne Wiſſenſchaft und Kultur dem römiſchen „Statthalter Chriſti“ nur dankbar ſein kann: I. Im Dezember 1854 verkündete der Papſt das Dogma von der unbefleckten Empfängniß Mariä. II. Zehn Jahre ſpäter, im Dezember 1864, ſprach der „heilige Vater“ in der berüchtigten Encyklika das abſolute Verdammungs- Urtheil über die ganze moderne Civiliſation und Geiſtesbildung aus; in dem begleitenden Syllabus gab er eine Aufzählung und Verfluchung aller einzelnen Vernunft- ſätze und philoſophiſchen Principien, welche von unſerer modernen Wiſſenſchaft als ſonnenklare Wahrheit anerkannt ſind. ¹⁶ III. Endlich ſetzte ſechs Jahre ſpäter, am 13. Juli 1870, der ſtreitbare Kirchenfürſt im Vatikan ſeinem Aberwitz die Krone auf, indem er für ſich und alle ſeine Vorgänger in der Papſt- würde die Unfehlbarkeit in Anſpruch nahm. Dieſer Triumph der römiſchen Kurie wurde der erſtaunten Welt fünf Tage ſpäter verkündet, am 18. Juli 1870, an demſelben denkwürdigen Tage, an welchem Frankreich den Krieg an Preußen erklärte! Zwei Monate ſpäter wurde die weltliche Herrſchaft des Papſtes in Folge dieſes Krieges aufgehoben. Unfehlbarkeit des Papſtes. Dieſe drei wichtigſten Akte des Papismus im 19. Jahrhundert waren ſo offenkundige Fauſt- ſchläge in das Antlitz der Vernunft, daß ſie ſelbſt innerhalb der orthodoxen katholiſchen Kreiſe von Anfang an das höchſte Be- denken erregten. Als man im vatikaniſchen Koncil am 13. Juli 1870 zur Abſtimmung über das Dogma von der Unfehlbar- keit ſchritt, erklärten ſich nur drei Viertel der Kirchenfürſten zu Gunſten desſelben, nämlich 451 von 601 Abſtimmenden; dazu fehlten noch zahlreiche andere Biſchöfe, welche ſich der gefährlichen

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/389>, abgerufen am 23.11.2024.