Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899.Seelen-Geschichte der Säugethiere. IX. als hundert!) Millionen Jahren, welcher seit Beginn der Trias-Periode verfloß, genügt aber vollständig, selbst die größten psycho- logischen Fortschritte zu ermöglichen. Die allgemeinsten Ergebnisse der wichtigen, neuerdings hier tief eingedrungenen Forschungen sind folgende: I. Das Gehirn der Säugethiere unterscheidet sich von demjenigen der übrigen Vertebraten durch gewisse Eigen- thümlichkeiten, welche allen Gliedern der Klasse gemeinsam sind, vor Allem die überwiegende Ausbildung der ersten und vierten Blase, des Großhirns und Kleinhirns, während die dritte Blase, das Mittelhirn, ganz zurücktritt. II. Trotzdem schließt sich die Hirnbildung der niedersten und ältesten Mammalien (Monotremen, Marsupialien, Prochoriaten) noch eng an diejenige ihrer paläo- zoischen Vorfahren an, der karbonischen Amphibien (Stego- cephalen) und der permischen Reptilien (Tocosaurier). III. Erst während der Tertiär-Zeit erfolgt die typische volle Ausbildung des Großhirns, welche die jüngeren Säugethiere so auffallend vor den älteren auszeichnet. IV. Die besondere (quantitative und qualitative) Ausbildung des Großhirns, welche den Menschen auszeichnet, und welche ihn zu seinen vorzüglichen psychischen Leistungen befähigt, findet sich außerdem nur bei einem Theile der höchstentwickelten Säugethiere der jüngeren Tertiär-Zeit, vor Allen bei den Menschen-Affen (Anthropoiden). V. Die Unter- schiede, welche im Gehirnbau und Seelenleben des Menschen und der Menschen-Affen existiren, sind geringer als die entsprechen- den Unterschiede zwischen diesen letzteren und den niederen Pri- maten (den ältesten Affen und Halbaffen). VI. Demnach muß die historische stufenweise Entwickelung der Menschenseele aus einer langen Kette von höheren und niederen Mammalien- Seelen -- unter Anwendung der allgemein gültigen phyletischen Gesetze der Descendenz-Theorie -- als eine wissenschaftlich be- wiesene Thatsache gelten. Seelen-Geſchichte der Säugethiere. IX. als hundert!) Millionen Jahren, welcher ſeit Beginn der Trias-Periode verfloß, genügt aber vollſtändig, ſelbſt die größten pſycho- logiſchen Fortſchritte zu ermöglichen. Die allgemeinſten Ergebniſſe der wichtigen, neuerdings hier tief eingedrungenen Forſchungen ſind folgende: I. Das Gehirn der Säugethiere unterſcheidet ſich von demjenigen der übrigen Vertebraten durch gewiſſe Eigen- thümlichkeiten, welche allen Gliedern der Klaſſe gemeinſam ſind, vor Allem die überwiegende Ausbildung der erſten und vierten Blaſe, des Großhirns und Kleinhirns, während die dritte Blaſe, das Mittelhirn, ganz zurücktritt. II. Trotzdem ſchließt ſich die Hirnbildung der niederſten und älteſten Mammalien (Monotremen, Marſupialien, Prochoriaten) noch eng an diejenige ihrer paläo- zoiſchen Vorfahren an, der karboniſchen Amphibien (Stego- cephalen) und der permiſchen Reptilien (Tocoſaurier). III. Erſt während der Tertiär-Zeit erfolgt die typiſche volle Ausbildung des Großhirns, welche die jüngeren Säugethiere ſo auffallend vor den älteren auszeichnet. IV. Die beſondere (quantitative und qualitative) Ausbildung des Großhirns, welche den Menſchen auszeichnet, und welche ihn zu ſeinen vorzüglichen pſychiſchen Leiſtungen befähigt, findet ſich außerdem nur bei einem Theile der höchſtentwickelten Säugethiere der jüngeren Tertiär-Zeit, vor Allen bei den Menſchen-Affen (Anthropoiden). V. Die Unter- ſchiede, welche im Gehirnbau und Seelenleben des Menſchen und der Menſchen-Affen exiſtiren, ſind geringer als die entſprechen- den Unterſchiede zwiſchen dieſen letzteren und den niederen Pri- maten (den älteſten Affen und Halbaffen). VI. Demnach muß die hiſtoriſche ſtufenweiſe Entwickelung der Menſchenſeele aus einer langen Kette von höheren und niederen Mammalien- Seelen — unter Anwendung der allgemein gültigen phyletiſchen Geſetze der Deſcendenz-Theorie — als eine wiſſenſchaftlich be- wieſene Thatſache gelten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="194"/><fw place="top" type="header">Seelen-Geſchichte der Säugethiere. <hi rendition="#aq">IX.</hi></fw><lb/> als hundert!) Millionen Jahren, welcher ſeit Beginn der Trias-<lb/> Periode verfloß, genügt aber vollſtändig, ſelbſt die größten pſycho-<lb/> logiſchen Fortſchritte zu ermöglichen. 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Seelen-Geſchichte der Säugethiere. IX.
als hundert!) Millionen Jahren, welcher ſeit Beginn der Trias-
Periode verfloß, genügt aber vollſtändig, ſelbſt die größten pſycho-
logiſchen Fortſchritte zu ermöglichen. Die allgemeinſten Ergebniſſe
der wichtigen, neuerdings hier tief eingedrungenen Forſchungen
ſind folgende: I. Das Gehirn der Säugethiere unterſcheidet ſich
von demjenigen der übrigen Vertebraten durch gewiſſe Eigen-
thümlichkeiten, welche allen Gliedern der Klaſſe gemeinſam ſind,
vor Allem die überwiegende Ausbildung der erſten und vierten
Blaſe, des Großhirns und Kleinhirns, während die dritte Blaſe,
das Mittelhirn, ganz zurücktritt. II. Trotzdem ſchließt ſich die
Hirnbildung der niederſten und älteſten Mammalien (Monotremen,
Marſupialien, Prochoriaten) noch eng an diejenige ihrer paläo-
zoiſchen Vorfahren an, der karboniſchen Amphibien (Stego-
cephalen) und der permiſchen Reptilien (Tocoſaurier). III. Erſt
während der Tertiär-Zeit erfolgt die typiſche volle Ausbildung
des Großhirns, welche die jüngeren Säugethiere ſo auffallend
vor den älteren auszeichnet. IV. Die beſondere (quantitative
und qualitative) Ausbildung des Großhirns, welche den Menſchen
auszeichnet, und welche ihn zu ſeinen vorzüglichen pſychiſchen
Leiſtungen befähigt, findet ſich außerdem nur bei einem Theile
der höchſtentwickelten Säugethiere der jüngeren Tertiär-Zeit, vor
Allen bei den Menſchen-Affen (Anthropoiden). V. Die Unter-
ſchiede, welche im Gehirnbau und Seelenleben des Menſchen
und der Menſchen-Affen exiſtiren, ſind geringer als die entſprechen-
den Unterſchiede zwiſchen dieſen letzteren und den niederen Pri-
maten (den älteſten Affen und Halbaffen). VI. Demnach muß
die hiſtoriſche ſtufenweiſe Entwickelung der Menſchenſeele aus
einer langen Kette von höheren und niederen Mammalien-
Seelen — unter Anwendung der allgemein gültigen phyletiſchen
Geſetze der Deſcendenz-Theorie — als eine wiſſenſchaftlich be-
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Zitationshilfe: | Haeckel, Ernst: Die Welträthsel. Bonn, 1899, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_weltraethsel_1899/210>, abgerufen am 16.07.2024. |