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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.

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Unterklassen und Ordnungen der Säugethiere.
Stufe dieser Reihe standen die Walfische, welche durch ihre fischähnliche
Körpergestalt sich am meisten vom Menschen, der höchsten Stufe zu
entfernen schienen. So unterschied Linne folgende acht Ordnungen:
1. Cete (Wale); 2. Belluae (Flußpferde und Pferde); 3. Pecora
(Wiederkäuer); 4. Glires (Nagethiere und Nashorn); 5. Bestiae
(Jnsectenfresser, Beutelthiere und verschiedene Andere); 6. Ferae
(Raubthiere); 7. Bruta (Zahnarme und Elephanten); 8. Primates
(Fledermäuse, Halbaffen, Affen und Menschen). Nicht viel über diese
Klassification von Linne erhob sich diejenige von Cuvier, welche
für die meisten solgenden Zoologen maßgebend wurde. Cuvier un-
terschied folgende acht Ordnungen: 1. Cetacea (Wale); 2. Rumi-
nantia
(Wiederkäuer); 3. Pachyderma (Hufthiere nach Ausschluß
der Wiederkäuer); 4. Edentata (Zahnarme); 5. Rodentia (Nage-
thiere); 6. Carnassia (Beutelthiere, Raubthiere, Jnsectenfresser und
Flederthiere); 7. Quadrumana (Halbaffen und Affen); 8. Bimana
(Menschen).

Den bedeutendsten Fortschritt in der Klassification der Säugethiere
that schon 1816 der ausgezeichnete, bereits vorher erwähnte Anatom
Blainville, welcher zuerst mit tiefem Blick die drei natürlichen
Hauptgruppen oder Unterklassen der Säugethiere erkannte, und sie
nach der Bildung ihrer Fortpflanzungsorgane als Ornithodel-
phien, Didelphien
und Monodelphien unterschied. Da diese
Eintheilung heutzutage mit Recht bei allen wissenschaftlichen Zoologen
wegen ihrer tiefen Begründung durch die Entwickelungsgeschichte als
die beste gilt, so lassen Sie uns derselben auch hier folgen.

Die erste Unterklasse bilden die Kloakenthiere oder Brust-
losen,
auch Gabler oder Gabelthiere genannt (Ornithodelphia
oder Amasta). Sie sind heutzutage nur noch durch zwei lebende Säu-
gethierarten vertreten, die beide auf Neuholland und das benachbarte
Vandiemensland beschränkt sind: das wegen seines Vogelschnabels
sehr bekannte Wasserschnabelthier (Ornithorhynchus para-
doxus)
und das weniger bekannte, igelähnliche Landschnabelthier
(Echidna hystrix). Diese beiden seltsamen Thiere, welche man in

Unterklaſſen und Ordnungen der Saͤugethiere.
Stufe dieſer Reihe ſtanden die Walfiſche, welche durch ihre fiſchaͤhnliche
Koͤrpergeſtalt ſich am meiſten vom Menſchen, der hoͤchſten Stufe zu
entfernen ſchienen. So unterſchied Linné folgende acht Ordnungen:
1. Cete (Wale); 2. Belluae (Flußpferde und Pferde); 3. Pecora
(Wiederkaͤuer); 4. Glires (Nagethiere und Nashorn); 5. Bestiae
(Jnſectenfreſſer, Beutelthiere und verſchiedene Andere); 6. Ferae
(Raubthiere); 7. Bruta (Zahnarme und Elephanten); 8. Primates
(Fledermaͤuſe, Halbaffen, Affen und Menſchen). Nicht viel uͤber dieſe
Klaſſification von Linné erhob ſich diejenige von Cuvier, welche
fuͤr die meiſten ſolgenden Zoologen maßgebend wurde. Cuvier un-
terſchied folgende acht Ordnungen: 1. Cetacea (Wale); 2. Rumi-
nantia
(Wiederkaͤuer); 3. Pachyderma (Hufthiere nach Ausſchluß
der Wiederkaͤuer); 4. Edentata (Zahnarme); 5. Rodentia (Nage-
thiere); 6. Carnassia (Beutelthiere, Raubthiere, Jnſectenfreſſer und
Flederthiere); 7. Quadrumana (Halbaffen und Affen); 8. Bimana
(Menſchen).

Den bedeutendſten Fortſchritt in der Klaſſification der Saͤugethiere
that ſchon 1816 der ausgezeichnete, bereits vorher erwaͤhnte Anatom
Blainville, welcher zuerſt mit tiefem Blick die drei natuͤrlichen
Hauptgruppen oder Unterklaſſen der Saͤugethiere erkannte, und ſie
nach der Bildung ihrer Fortpflanzungsorgane als Ornithodel-
phien, Didelphien
und Monodelphien unterſchied. Da dieſe
Eintheilung heutzutage mit Recht bei allen wiſſenſchaftlichen Zoologen
wegen ihrer tiefen Begruͤndung durch die Entwickelungsgeſchichte als
die beſte gilt, ſo laſſen Sie uns derſelben auch hier folgen.

Die erſte Unterklaſſe bilden die Kloakenthiere oder Bruſt-
loſen,
auch Gabler oder Gabelthiere genannt (Ornithodelphia
oder Amasta). Sie ſind heutzutage nur noch durch zwei lebende Saͤu-
gethierarten vertreten, die beide auf Neuholland und das benachbarte
Vandiemensland beſchraͤnkt ſind: das wegen ſeines Vogelſchnabels
ſehr bekannte Waſſerſchnabelthier (Ornithorhynchus para-
doxus)
und das weniger bekannte, igelaͤhnliche Landſchnabelthier
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[461/0486] Unterklaſſen und Ordnungen der Saͤugethiere. Stufe dieſer Reihe ſtanden die Walfiſche, welche durch ihre fiſchaͤhnliche Koͤrpergeſtalt ſich am meiſten vom Menſchen, der hoͤchſten Stufe zu entfernen ſchienen. So unterſchied Linné folgende acht Ordnungen: 1. Cete (Wale); 2. Belluae (Flußpferde und Pferde); 3. Pecora (Wiederkaͤuer); 4. Glires (Nagethiere und Nashorn); 5. Bestiae (Jnſectenfreſſer, Beutelthiere und verſchiedene Andere); 6. Ferae (Raubthiere); 7. Bruta (Zahnarme und Elephanten); 8. Primates (Fledermaͤuſe, Halbaffen, Affen und Menſchen). Nicht viel uͤber dieſe Klaſſification von Linné erhob ſich diejenige von Cuvier, welche fuͤr die meiſten ſolgenden Zoologen maßgebend wurde. Cuvier un- terſchied folgende acht Ordnungen: 1. Cetacea (Wale); 2. Rumi- nantia (Wiederkaͤuer); 3. Pachyderma (Hufthiere nach Ausſchluß der Wiederkaͤuer); 4. Edentata (Zahnarme); 5. Rodentia (Nage- thiere); 6. Carnassia (Beutelthiere, Raubthiere, Jnſectenfreſſer und Flederthiere); 7. Quadrumana (Halbaffen und Affen); 8. Bimana (Menſchen). Den bedeutendſten Fortſchritt in der Klaſſification der Saͤugethiere that ſchon 1816 der ausgezeichnete, bereits vorher erwaͤhnte Anatom Blainville, welcher zuerſt mit tiefem Blick die drei natuͤrlichen Hauptgruppen oder Unterklaſſen der Saͤugethiere erkannte, und ſie nach der Bildung ihrer Fortpflanzungsorgane als Ornithodel- phien, Didelphien und Monodelphien unterſchied. Da dieſe Eintheilung heutzutage mit Recht bei allen wiſſenſchaftlichen Zoologen wegen ihrer tiefen Begruͤndung durch die Entwickelungsgeſchichte als die beſte gilt, ſo laſſen Sie uns derſelben auch hier folgen. Die erſte Unterklaſſe bilden die Kloakenthiere oder Bruſt- loſen, auch Gabler oder Gabelthiere genannt (Ornithodelphia oder Amasta). Sie ſind heutzutage nur noch durch zwei lebende Saͤu- gethierarten vertreten, die beide auf Neuholland und das benachbarte Vandiemensland beſchraͤnkt ſind: das wegen ſeines Vogelſchnabels ſehr bekannte Waſſerſchnabelthier (Ornithorhynchus para- doxus) und das weniger bekannte, igelaͤhnliche Landſchnabelthier (Echidna hystrix). Dieſe beiden ſeltſamen Thiere, welche man in

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Zitationshilfe: Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/486>, abgerufen am 24.11.2024.