Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Vorzug der monophyletischen vor den polyphyletischen Hypothesen. setzten Annahme, daß mehrere verschiedene Gruppen von Placental-thieren aus mehreren verschiedenen Beutelthiergruppen hervorgegangen sind. Was das Menschengeschlecht selbst betrifft, so werden die Einen den Ursprung desselben aus einer einzigen Affenform vorziehen, wäh- rend die Anderen mehr zu der Vorstellung neigen werden, daß meh- rere verschiedene Menschenarten unabhängig von einander aus mehreren verschiedenen Affenarten entstanden sind. Ohne uns hier schon bestimmt für die eine oder die andere Auffassung auszusprechen, wol- len wir dennoch die Bemerkung nicht unterdrücken, daß im Allgemei- nen die einstämmigen oder monophyletischen Descen- denzhypothesen den Vorzug vor den vielstämmigen oder polyphyletischen Abstammungshypothesen verdienen, und zwar vorläufig schon aus dem einfachen Grunde, weil sie die un- endlich schwierige Aufgabe der Stammbaumconstructionen in hohem Grade erleichtern. Es ist möglich, daß die entwickeltere Descendenz- theorie der Zukunft den polyphyletischen Ursprung insbesondere für viele niedere und unvollkommene Gruppen der beiden organischen Reiche nachweisen wird. Gegenwärtig aber würden wir, wollten wir denselben verfolgen, jedenfalls in ein unentwirrbares Labyrinth von dunklen und widersprechenden Vermuthungen uns verlieren. Aus diesem Grunde halte ich es für das Beste, gegenwärtig für Vorzug der monophyletiſchen vor den polyphyletiſchen Hypotheſen. ſetzten Annahme, daß mehrere verſchiedene Gruppen von Placental-thieren aus mehreren verſchiedenen Beutelthiergruppen hervorgegangen ſind. Was das Menſchengeſchlecht ſelbſt betrifft, ſo werden die Einen den Urſprung deſſelben aus einer einzigen Affenform vorziehen, waͤh- rend die Anderen mehr zu der Vorſtellung neigen werden, daß meh- rere verſchiedene Menſchenarten unabhaͤngig von einander aus mehreren verſchiedenen Affenarten entſtanden ſind. Ohne uns hier ſchon beſtimmt fuͤr die eine oder die andere Auffaſſung auszuſprechen, wol- len wir dennoch die Bemerkung nicht unterdruͤcken, daß im Allgemei- nen die einſtaͤmmigen oder monophyletiſchen Deſcen- denzhypotheſen den Vorzug vor den vielſtaͤmmigen oder polyphyletiſchen Abſtammungshypotheſen verdienen, und zwar vorlaͤufig ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ſie die un- endlich ſchwierige Aufgabe der Stammbaumconſtructionen in hohem Grade erleichtern. Es iſt moͤglich, daß die entwickeltere Deſcendenz- theorie der Zukunft den polyphyletiſchen Urſprung insbeſondere fuͤr viele niedere und unvollkommene Gruppen der beiden organiſchen Reiche nachweiſen wird. Gegenwaͤrtig aber wuͤrden wir, wollten wir denſelben verfolgen, jedenfalls in ein unentwirrbares Labyrinth von dunklen und widerſprechenden Vermuthungen uns verlieren. Aus dieſem Grunde halte ich es fuͤr das Beſte, gegenwaͤrtig fuͤr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0350" n="325"/><fw place="top" type="header">Vorzug der monophyletiſchen vor den polyphyletiſchen Hypotheſen.</fw><lb/> ſetzten Annahme, daß mehrere verſchiedene Gruppen von Placental-<lb/> thieren aus mehreren verſchiedenen Beutelthiergruppen hervorgegangen<lb/> ſind. Was das Menſchengeſchlecht ſelbſt betrifft, ſo werden die Einen<lb/> den Urſprung deſſelben aus einer einzigen Affenform vorziehen, waͤh-<lb/> rend die Anderen mehr zu der Vorſtellung neigen werden, daß meh-<lb/> rere verſchiedene Menſchenarten unabhaͤngig von einander aus<lb/> mehreren verſchiedenen Affenarten entſtanden ſind. Ohne uns hier ſchon<lb/> beſtimmt fuͤr die eine oder die andere Auffaſſung auszuſprechen, wol-<lb/> len wir dennoch die Bemerkung nicht unterdruͤcken, daß im Allgemei-<lb/> nen <hi rendition="#g">die einſtaͤmmigen oder monophyletiſchen Deſcen-<lb/> denzhypotheſen den Vorzug vor den vielſtaͤmmigen oder<lb/> polyphyletiſchen Abſtammungshypotheſen verdienen,</hi><lb/> und zwar vorlaͤufig ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ſie die un-<lb/> endlich ſchwierige Aufgabe der Stammbaumconſtructionen in hohem<lb/> Grade erleichtern. Es iſt moͤglich, daß die entwickeltere Deſcendenz-<lb/> theorie der Zukunft den polyphyletiſchen Urſprung insbeſondere fuͤr<lb/> viele niedere und unvollkommene Gruppen der beiden organiſchen<lb/> Reiche nachweiſen wird. Gegenwaͤrtig aber wuͤrden wir, wollten<lb/> wir denſelben verfolgen, jedenfalls in ein unentwirrbares Labyrinth<lb/> von dunklen und widerſprechenden Vermuthungen uns verlieren.</p><lb/> <p>Aus dieſem Grunde halte ich es fuͤr das Beſte, gegenwaͤrtig fuͤr<lb/> das Thierreich einerſeits, fuͤr das Pflanzenreich andrerſeits eine <hi rendition="#g">ein-<lb/> ſtaͤmmige oder monophyletiſche Deſcendenzhypotheſe</hi> an-<lb/> zunehmen, ungefaͤhr in der Form, wie ſie auf Taf. <hi rendition="#aq">II.</hi> und <hi rendition="#aq">III.</hi> gra-<lb/> phiſch dargeſtellt iſt. Hiernach wuͤrden alſo die oben genannten ſechs<lb/> Staͤmme oder Phylen des Thierreichs an ihrer unterſten Wurzel zu-<lb/> ſammenhaͤngen, und ebenſo die erwaͤhnten drei bis ſechs Haupt-<lb/> klaſſen oder Phylen des Pflanzenreichs von einer gemeinſamen aͤlteſten<lb/> Stammform abzuleiten ſein. Wie der Zuſammenhang dieſer Staͤmme<lb/> zu denken iſt, werde ich in den naͤchſten Vortraͤgen erlaͤutern. Zu-<lb/> naͤchſt aber muͤſſen wir uns hier noch mit einer ſehr merkwuͤrdigen<lb/> Gruppe von Organismen beſchaͤftigen, welche weder in den Stamm-<lb/> baum des Pflanzenreichs (Taf. <hi rendition="#aq">II.</hi>), noch in den Stammbaum des<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [325/0350]
Vorzug der monophyletiſchen vor den polyphyletiſchen Hypotheſen.
ſetzten Annahme, daß mehrere verſchiedene Gruppen von Placental-
thieren aus mehreren verſchiedenen Beutelthiergruppen hervorgegangen
ſind. Was das Menſchengeſchlecht ſelbſt betrifft, ſo werden die Einen
den Urſprung deſſelben aus einer einzigen Affenform vorziehen, waͤh-
rend die Anderen mehr zu der Vorſtellung neigen werden, daß meh-
rere verſchiedene Menſchenarten unabhaͤngig von einander aus
mehreren verſchiedenen Affenarten entſtanden ſind. Ohne uns hier ſchon
beſtimmt fuͤr die eine oder die andere Auffaſſung auszuſprechen, wol-
len wir dennoch die Bemerkung nicht unterdruͤcken, daß im Allgemei-
nen die einſtaͤmmigen oder monophyletiſchen Deſcen-
denzhypotheſen den Vorzug vor den vielſtaͤmmigen oder
polyphyletiſchen Abſtammungshypotheſen verdienen,
und zwar vorlaͤufig ſchon aus dem einfachen Grunde, weil ſie die un-
endlich ſchwierige Aufgabe der Stammbaumconſtructionen in hohem
Grade erleichtern. Es iſt moͤglich, daß die entwickeltere Deſcendenz-
theorie der Zukunft den polyphyletiſchen Urſprung insbeſondere fuͤr
viele niedere und unvollkommene Gruppen der beiden organiſchen
Reiche nachweiſen wird. Gegenwaͤrtig aber wuͤrden wir, wollten
wir denſelben verfolgen, jedenfalls in ein unentwirrbares Labyrinth
von dunklen und widerſprechenden Vermuthungen uns verlieren.
Aus dieſem Grunde halte ich es fuͤr das Beſte, gegenwaͤrtig fuͤr
das Thierreich einerſeits, fuͤr das Pflanzenreich andrerſeits eine ein-
ſtaͤmmige oder monophyletiſche Deſcendenzhypotheſe an-
zunehmen, ungefaͤhr in der Form, wie ſie auf Taf. II. und III. gra-
phiſch dargeſtellt iſt. Hiernach wuͤrden alſo die oben genannten ſechs
Staͤmme oder Phylen des Thierreichs an ihrer unterſten Wurzel zu-
ſammenhaͤngen, und ebenſo die erwaͤhnten drei bis ſechs Haupt-
klaſſen oder Phylen des Pflanzenreichs von einer gemeinſamen aͤlteſten
Stammform abzuleiten ſein. Wie der Zuſammenhang dieſer Staͤmme
zu denken iſt, werde ich in den naͤchſten Vortraͤgen erlaͤutern. Zu-
naͤchſt aber muͤſſen wir uns hier noch mit einer ſehr merkwuͤrdigen
Gruppe von Organismen beſchaͤftigen, welche weder in den Stamm-
baum des Pflanzenreichs (Taf. II.), noch in den Stammbaum des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |