Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868.Beweiskraft der Versuche über Urzeugung. Experimente die Unmöglichkeit der Urzeugung überhaupt nachgewiesensei. Die allermeisten Naturforscher, welche bestrebt waren, diese Frage experimentell zu entscheiden, und welche bei Anwendung aller mög- lichen Vorsichtsmaßregeln unter ganz bestimmten Verhältnissen keine Organismen entstehen sahen, stellten auf Grund dieser negativen Re- sultate sofort die Behauptung auf: "Es ist überhaupt unmöglich, daß Organismen von selbst, ohne elterliche Zeugung, entstehen." Diese leichtfertige und unüberlegte Behauptung stützten sie einfach und allein auf das negative Resultat ihrer Experimente, welche doch weiter Nichts beweisen konnten, als daß unter diesen oder jenen, höchst künst- lichen Verhältnissen, wie sie durch die Experimentatoren geschaffen wurden, kein Organismus sich bildete. Man kann auf keinen Fall aus jenen Versuchen, welche meistens unter den unnatürlichsten Be- dingungen, in höchst künstlicher Weise angestellt wurden, den Schluß ziehen, daß die Urzeugung überhaupt unmöglich sei. Die Unmög- lichkeit eines solches Vorganges kann überhaupt niemals bewiesen werden. Denn wie können wir wissen, daß in jener ältesten unvor- denklichen Urzeit nicht ganz andere Bedingungen, als gegenwärtig, existirten, welche eine Urzeugung ermöglichten? Ja, wir können so- gar mit voller Sicherheit positiv behaupten, daß die allgemeinen Lebens- bedingungen der Primordialzeit gänzlich von denen der Gegenwart verschieden gewesen sein müssen. Denken Sie allein an die Thatsache, daß die ungeheuren Massen von Kohlenstoff, welche wir gegenwärtig in den primären Steinkohlengebirgen abgelagert finden, erst durch die Thätigkeit des Pflanzenlebens in feste Form gebracht, und die mächtig zusammengepreßten und verdichteten Ueberreste von zahllosen Pflanzenleichen sind, die sich im Laufe vieler Millionen Jahre an- häuften. Allein zu der Zeit, als auf der abgekühlten Erdrinde nach der Entstehung des tropfbarflüssigen Wassers zum ersten Male Orga- nismen durch Urzeugung sich bildeten, waren jene unermeßlichen Koh- lenstoffquantitäten in ganz anderer Form vorhanden, wahrscheinlich größtentheils in Form von Kohlensäure in der Atmosphäre vertheilt. Die ganze Zusammensetzung der Atmosphäre war also außerordent- Beweiskraft der Verſuche uͤber Urzeugung. Experimente die Unmoͤglichkeit der Urzeugung uͤberhaupt nachgewieſenſei. Die allermeiſten Naturforſcher, welche beſtrebt waren, dieſe Frage experimentell zu entſcheiden, und welche bei Anwendung aller moͤg- lichen Vorſichtsmaßregeln unter ganz beſtimmten Verhaͤltniſſen keine Organismen entſtehen ſahen, ſtellten auf Grund dieſer negativen Re- ſultate ſofort die Behauptung auf: „Es iſt uͤberhaupt unmoͤglich, daß Organismen von ſelbſt, ohne elterliche Zeugung, entſtehen.“ Dieſe leichtfertige und unuͤberlegte Behauptung ſtuͤtzten ſie einfach und allein auf das negative Reſultat ihrer Experimente, welche doch weiter Nichts beweiſen konnten, als daß unter dieſen oder jenen, hoͤchſt kuͤnſt- lichen Verhaͤltniſſen, wie ſie durch die Experimentatoren geſchaffen wurden, kein Organismus ſich bildete. Man kann auf keinen Fall aus jenen Verſuchen, welche meiſtens unter den unnatuͤrlichſten Be- dingungen, in hoͤchſt kuͤnſtlicher Weiſe angeſtellt wurden, den Schluß ziehen, daß die Urzeugung uͤberhaupt unmoͤglich ſei. Die Unmoͤg- lichkeit eines ſolches Vorganges kann uͤberhaupt niemals bewieſen werden. Denn wie koͤnnen wir wiſſen, daß in jener aͤlteſten unvor- denklichen Urzeit nicht ganz andere Bedingungen, als gegenwaͤrtig, exiſtirten, welche eine Urzeugung ermoͤglichten? Ja, wir koͤnnen ſo- gar mit voller Sicherheit poſitiv behaupten, daß die allgemeinen Lebens- bedingungen der Primordialzeit gaͤnzlich von denen der Gegenwart verſchieden geweſen ſein muͤſſen. Denken Sie allein an die Thatſache, daß die ungeheuren Maſſen von Kohlenſtoff, welche wir gegenwaͤrtig in den primaͤren Steinkohlengebirgen abgelagert finden, erſt durch die Thaͤtigkeit des Pflanzenlebens in feſte Form gebracht, und die maͤchtig zuſammengepreßten und verdichteten Ueberreſte von zahlloſen Pflanzenleichen ſind, die ſich im Laufe vieler Millionen Jahre an- haͤuften. Allein zu der Zeit, als auf der abgekuͤhlten Erdrinde nach der Entſtehung des tropfbarfluͤſſigen Waſſers zum erſten Male Orga- nismen durch Urzeugung ſich bildeten, waren jene unermeßlichen Koh- lenſtoffquantitaͤten in ganz anderer Form vorhanden, wahrſcheinlich groͤßtentheils in Form von Kohlenſaͤure in der Atmoſphaͤre vertheilt. Die ganze Zuſammenſetzung der Atmoſphaͤre war alſo außerordent- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0306" n="281"/><fw place="top" type="header">Beweiskraft der Verſuche uͤber Urzeugung.</fw><lb/> Experimente die Unmoͤglichkeit der Urzeugung uͤberhaupt nachgewieſen<lb/> ſei. Die allermeiſten Naturforſcher, welche beſtrebt waren, dieſe Frage<lb/> experimentell zu entſcheiden, und welche bei Anwendung aller moͤg-<lb/> lichen Vorſichtsmaßregeln unter ganz beſtimmten Verhaͤltniſſen keine<lb/> Organismen entſtehen ſahen, ſtellten auf Grund dieſer negativen Re-<lb/> ſultate ſofort die Behauptung auf: „Es iſt uͤberhaupt unmoͤglich, daß<lb/> Organismen von ſelbſt, ohne elterliche Zeugung, entſtehen.“ Dieſe<lb/> leichtfertige und unuͤberlegte Behauptung ſtuͤtzten ſie einfach und allein<lb/> auf das negative Reſultat ihrer Experimente, welche doch weiter<lb/> Nichts beweiſen konnten, als daß unter dieſen oder jenen, hoͤchſt kuͤnſt-<lb/> lichen Verhaͤltniſſen, wie ſie durch die Experimentatoren geſchaffen<lb/> wurden, kein Organismus ſich bildete. Man kann auf keinen Fall<lb/> aus jenen Verſuchen, welche meiſtens unter den unnatuͤrlichſten Be-<lb/> dingungen, in hoͤchſt kuͤnſtlicher Weiſe angeſtellt wurden, den Schluß<lb/> ziehen, daß die Urzeugung uͤberhaupt unmoͤglich ſei. Die Unmoͤg-<lb/> lichkeit eines ſolches Vorganges kann uͤberhaupt niemals bewieſen<lb/> werden. Denn wie koͤnnen wir wiſſen, daß in jener aͤlteſten unvor-<lb/> denklichen Urzeit nicht ganz andere Bedingungen, als gegenwaͤrtig,<lb/> exiſtirten, welche eine Urzeugung ermoͤglichten? Ja, wir koͤnnen ſo-<lb/> gar mit voller Sicherheit poſitiv behaupten, daß die allgemeinen Lebens-<lb/> bedingungen der Primordialzeit gaͤnzlich von denen der Gegenwart<lb/> verſchieden geweſen ſein muͤſſen. Denken Sie allein an die Thatſache,<lb/> daß die ungeheuren Maſſen von Kohlenſtoff, welche wir gegenwaͤrtig<lb/> in den primaͤren Steinkohlengebirgen abgelagert finden, erſt durch<lb/> die Thaͤtigkeit des Pflanzenlebens in feſte Form gebracht, und die<lb/> maͤchtig zuſammengepreßten und verdichteten Ueberreſte von zahlloſen<lb/> Pflanzenleichen ſind, die ſich im Laufe vieler Millionen Jahre an-<lb/> haͤuften. Allein zu der Zeit, als auf der abgekuͤhlten Erdrinde nach der<lb/> Entſtehung des tropfbarfluͤſſigen Waſſers zum erſten Male Orga-<lb/> nismen durch Urzeugung ſich bildeten, waren jene unermeßlichen Koh-<lb/> lenſtoffquantitaͤten in ganz anderer Form vorhanden, wahrſcheinlich<lb/> groͤßtentheils in Form von Kohlenſaͤure in der Atmoſphaͤre vertheilt.<lb/> Die ganze Zuſammenſetzung der Atmoſphaͤre war alſo außerordent-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [281/0306]
Beweiskraft der Verſuche uͤber Urzeugung.
Experimente die Unmoͤglichkeit der Urzeugung uͤberhaupt nachgewieſen
ſei. Die allermeiſten Naturforſcher, welche beſtrebt waren, dieſe Frage
experimentell zu entſcheiden, und welche bei Anwendung aller moͤg-
lichen Vorſichtsmaßregeln unter ganz beſtimmten Verhaͤltniſſen keine
Organismen entſtehen ſahen, ſtellten auf Grund dieſer negativen Re-
ſultate ſofort die Behauptung auf: „Es iſt uͤberhaupt unmoͤglich, daß
Organismen von ſelbſt, ohne elterliche Zeugung, entſtehen.“ Dieſe
leichtfertige und unuͤberlegte Behauptung ſtuͤtzten ſie einfach und allein
auf das negative Reſultat ihrer Experimente, welche doch weiter
Nichts beweiſen konnten, als daß unter dieſen oder jenen, hoͤchſt kuͤnſt-
lichen Verhaͤltniſſen, wie ſie durch die Experimentatoren geſchaffen
wurden, kein Organismus ſich bildete. Man kann auf keinen Fall
aus jenen Verſuchen, welche meiſtens unter den unnatuͤrlichſten Be-
dingungen, in hoͤchſt kuͤnſtlicher Weiſe angeſtellt wurden, den Schluß
ziehen, daß die Urzeugung uͤberhaupt unmoͤglich ſei. Die Unmoͤg-
lichkeit eines ſolches Vorganges kann uͤberhaupt niemals bewieſen
werden. Denn wie koͤnnen wir wiſſen, daß in jener aͤlteſten unvor-
denklichen Urzeit nicht ganz andere Bedingungen, als gegenwaͤrtig,
exiſtirten, welche eine Urzeugung ermoͤglichten? Ja, wir koͤnnen ſo-
gar mit voller Sicherheit poſitiv behaupten, daß die allgemeinen Lebens-
bedingungen der Primordialzeit gaͤnzlich von denen der Gegenwart
verſchieden geweſen ſein muͤſſen. Denken Sie allein an die Thatſache,
daß die ungeheuren Maſſen von Kohlenſtoff, welche wir gegenwaͤrtig
in den primaͤren Steinkohlengebirgen abgelagert finden, erſt durch
die Thaͤtigkeit des Pflanzenlebens in feſte Form gebracht, und die
maͤchtig zuſammengepreßten und verdichteten Ueberreſte von zahlloſen
Pflanzenleichen ſind, die ſich im Laufe vieler Millionen Jahre an-
haͤuften. Allein zu der Zeit, als auf der abgekuͤhlten Erdrinde nach der
Entſtehung des tropfbarfluͤſſigen Waſſers zum erſten Male Orga-
nismen durch Urzeugung ſich bildeten, waren jene unermeßlichen Koh-
lenſtoffquantitaͤten in ganz anderer Form vorhanden, wahrſcheinlich
groͤßtentheils in Form von Kohlenſaͤure in der Atmoſphaͤre vertheilt.
Die ganze Zuſammenſetzung der Atmoſphaͤre war alſo außerordent-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |