Grundform, innerhalb dieses unveräußerlichen Typus, ist der Grad der Anpassungsfähigkeit unbeschränkt. Die Biegsamkeit und Flüssig- keit der organischen Form äußert sich innerhalb desselben frei nach allen Richtungen hin, und in ganz unbeschränktem Umfang. Es giebt aber einzelne Thiere, wie z. B. die durch Parasitismus rückgebildeten Krebsthiere und Würmer, welche selbst jene Grenze des Typus zu überspringen scheinen, und durch erstaunlich weit gehende Degenera- tion fast alle wesentlichen Charaktere ihres Stammes eingebüßt haben. Was die Anpassungsfähigkeit des Menschen betrifft, so ist dieselbe, wie bei allen anderen Thieren, ebenfalls unbegrenzt, und da sich die- selbe beim Menschen vor allen in der Umbildung des Gehirns äußert, so läßt sich durchaus keine Grenze der Erkenntniß setzen, welche der Mensch bei weiter fortschreitender Geistesbildung nicht würde über- schreiten können. Auch der menschliche Geist genießt nach dem Gesetze der unbeschränkten Anpassung eine unendliche Perspective für seine Vervollkommnung in der Zukunft.
Diese Bemerkungen genügen wohl, um die Tragweite der An- passungserscheinungen hervorzuheben, und ihnen das Gewicht zuzu- schreiben, welches ich von vornherein für dieselben in Anspruch ge- nommen habe. Die Anpassungsgesetze, die Thatsachen der Verän- derung durch den Einfluß äußerer Bedingungen, sind von ebenso großer Bedeutung, wie die Vererbungsgesetze. Alle Anpassungser- scheinungen lassen sich in letzter Linie zurückführen auf die Ernährungs- verhältnisse des Organismus, in gleicher Weise wie die Vererbungs- erscheinungen in den Fortpflanzungsverhältnissen begründet sind; diese aber sowohl als jene sind weiter zurückzuführen auf chemische und physikalische Gründe, also auf mechanische Ursachen. Lediglich durch die Wechselwirkung derselben entstehen nach Darwin's Selections- theorie die neuen Formen der Organismen, die Umbildungen, welche die künstliche Züchtung im Culturzustande, die natürliche Züchtung im Naturzustande hervorbringt.
Unbeſchraͤnkte oder unendliche Anpaſſung.
Grundform, innerhalb dieſes unveraͤußerlichen Typus, iſt der Grad der Anpaſſungsfaͤhigkeit unbeſchraͤnkt. Die Biegſamkeit und Fluͤſſig- keit der organiſchen Form aͤußert ſich innerhalb deſſelben frei nach allen Richtungen hin, und in ganz unbeſchraͤnktem Umfang. Es giebt aber einzelne Thiere, wie z. B. die durch Paraſitismus ruͤckgebildeten Krebsthiere und Wuͤrmer, welche ſelbſt jene Grenze des Typus zu uͤberſpringen ſcheinen, und durch erſtaunlich weit gehende Degenera- tion faſt alle weſentlichen Charaktere ihres Stammes eingebuͤßt haben. Was die Anpaſſungsfaͤhigkeit des Menſchen betrifft, ſo iſt dieſelbe, wie bei allen anderen Thieren, ebenfalls unbegrenzt, und da ſich die- ſelbe beim Menſchen vor allen in der Umbildung des Gehirns aͤußert, ſo laͤßt ſich durchaus keine Grenze der Erkenntniß ſetzen, welche der Menſch bei weiter fortſchreitender Geiſtesbildung nicht wuͤrde uͤber- ſchreiten koͤnnen. Auch der menſchliche Geiſt genießt nach dem Geſetze der unbeſchraͤnkten Anpaſſung eine unendliche Perſpective fuͤr ſeine Vervollkommnung in der Zukunft.
Dieſe Bemerkungen genuͤgen wohl, um die Tragweite der An- paſſungserſcheinungen hervorzuheben, und ihnen das Gewicht zuzu- ſchreiben, welches ich von vornherein fuͤr dieſelben in Anſpruch ge- nommen habe. Die Anpaſſungsgeſetze, die Thatſachen der Veraͤn- derung durch den Einfluß aͤußerer Bedingungen, ſind von ebenſo großer Bedeutung, wie die Vererbungsgeſetze. Alle Anpaſſungser- ſcheinungen laſſen ſich in letzter Linie zuruͤckfuͤhren auf die Ernaͤhrungs- verhaͤltniſſe des Organismus, in gleicher Weiſe wie die Vererbungs- erſcheinungen in den Fortpflanzungsverhaͤltniſſen begruͤndet ſind; dieſe aber ſowohl als jene ſind weiter zuruͤckzufuͤhren auf chemiſche und phyſikaliſche Gruͤnde, alſo auf mechaniſche Urſachen. Lediglich durch die Wechſelwirkung derſelben entſtehen nach Darwin’s Selections- theorie die neuen Formen der Organismen, die Umbildungen, welche die kuͤnſtliche Zuͤchtung im Culturzuſtande, die natuͤrliche Zuͤchtung im Naturzuſtande hervorbringt.
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Unbeſchraͤnkte oder unendliche Anpaſſung.
Grundform, innerhalb dieſes unveraͤußerlichen Typus, iſt der Grad
der Anpaſſungsfaͤhigkeit unbeſchraͤnkt. Die Biegſamkeit und Fluͤſſig-
keit der organiſchen Form aͤußert ſich innerhalb deſſelben frei nach
allen Richtungen hin, und in ganz unbeſchraͤnktem Umfang. Es giebt
aber einzelne Thiere, wie z. B. die durch Paraſitismus ruͤckgebildeten
Krebsthiere und Wuͤrmer, welche ſelbſt jene Grenze des Typus zu
uͤberſpringen ſcheinen, und durch erſtaunlich weit gehende Degenera-
tion faſt alle weſentlichen Charaktere ihres Stammes eingebuͤßt haben.
Was die Anpaſſungsfaͤhigkeit des Menſchen betrifft, ſo iſt dieſelbe,
wie bei allen anderen Thieren, ebenfalls unbegrenzt, und da ſich die-
ſelbe beim Menſchen vor allen in der Umbildung des Gehirns aͤußert,
ſo laͤßt ſich durchaus keine Grenze der Erkenntniß ſetzen, welche der
Menſch bei weiter fortſchreitender Geiſtesbildung nicht wuͤrde uͤber-
ſchreiten koͤnnen. Auch der menſchliche Geiſt genießt nach dem Geſetze
der unbeſchraͤnkten Anpaſſung eine unendliche Perſpective fuͤr ſeine
Vervollkommnung in der Zukunft.
Dieſe Bemerkungen genuͤgen wohl, um die Tragweite der An-
paſſungserſcheinungen hervorzuheben, und ihnen das Gewicht zuzu-
ſchreiben, welches ich von vornherein fuͤr dieſelben in Anſpruch ge-
nommen habe. Die Anpaſſungsgeſetze, die Thatſachen der Veraͤn-
derung durch den Einfluß aͤußerer Bedingungen, ſind von ebenſo
großer Bedeutung, wie die Vererbungsgeſetze. Alle Anpaſſungser-
ſcheinungen laſſen ſich in letzter Linie zuruͤckfuͤhren auf die Ernaͤhrungs-
verhaͤltniſſe des Organismus, in gleicher Weiſe wie die Vererbungs-
erſcheinungen in den Fortpflanzungsverhaͤltniſſen begruͤndet ſind; dieſe
aber ſowohl als jene ſind weiter zuruͤckzufuͤhren auf chemiſche und
phyſikaliſche Gruͤnde, alſo auf mechaniſche Urſachen. Lediglich durch
die Wechſelwirkung derſelben entſtehen nach Darwin’s Selections-
theorie die neuen Formen der Organismen, die Umbildungen, welche
die kuͤnſtliche Zuͤchtung im Culturzuſtande, die natuͤrliche Zuͤchtung im
Naturzuſtande hervorbringt.
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/222>, abgerufen am 24.07.2024.
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