Elfter Vortrag. Die natürliche Züchtung durch den Kampf um's Dasein. Arbeitstheilung und Fortschritt.
Wechselwirkung der beiden organischen Bildungstriebe, der Vererbung und An- passung. Natürliche und künstliche Züchtung. Kampf um's Dasein oder Wettkampf um die Lebensbedürfnisse. Mißverhältniß zwischen der Zahl der möglichen (poten- tiellen) und der Zahl der wirklichen (actuellen) Jndividuen. Verwickelte Wechsel- beziehungen aller benachbarten Organismen. Wirkungsweise der natürlichen Züch- tung. Gleichfarbige Zuchtwahl als Ursache der sympathischen Färbungen. Ge- schlechtliche Zuchtwahl als Ursache der secundären Sexualcharaktere. Gesetz der Son- derung oder Arbeitstheilung (Polymorphismus, Differenzirung, Divergenz des Cha- rakters). Uebergang der Varietäten in Species. Begriff der Species. Bastard- zeugung. Gesetz des Fortschritts oder der Vervollkommnung (Progressus, Teleosis).
Meine Herren! Um zu einem richtigen Verständniß des Dar- winismus zu gelangen, ist es vor Allem nothwendig, die beiden organischen Functionen genau in das Auge zu fassen, die wir in den letzten Vorträgen betrachtet haben, die Vererbung und Anpas- sung. Wenn man nicht einerseits die rein mechanische Natur dieser beiden physiologischen Thätigkeiten und die mannichfaltige Wirkung ihrer verschiedenen Gesetze in's Auge faßt, und wenn man nicht an- drerseits erwägt, wie verwickelt die Wechselwirkung dieser verschie- denen Vererbungs- und Anpassungsgesetze nothwendig sein muß, so wird man nicht begreifen, daß diese beiden Functionen für sich allein
Elfter Vortrag. Die natuͤrliche Zuͤchtung durch den Kampf um’s Daſein. Arbeitstheilung und Fortſchritt.
Wechſelwirkung der beiden organiſchen Bildungstriebe, der Vererbung und An- paſſung. Natuͤrliche und kuͤnſtliche Zuͤchtung. Kampf um’s Daſein oder Wettkampf um die Lebensbeduͤrfniſſe. Mißverhaͤltniß zwiſchen der Zahl der moͤglichen (poten- tiellen) und der Zahl der wirklichen (actuellen) Jndividuen. Verwickelte Wechſel- beziehungen aller benachbarten Organismen. Wirkungsweiſe der natuͤrlichen Zuͤch- tung. Gleichfarbige Zuchtwahl als Urſache der ſympathiſchen Faͤrbungen. Ge- ſchlechtliche Zuchtwahl als Urſache der ſecundaͤren Sexualcharaktere. Geſetz der Son- derung oder Arbeitstheilung (Polymorphismus, Differenzirung, Divergenz des Cha- rakters). Uebergang der Varietaͤten in Species. Begriff der Species. Baſtard- zeugung. Geſetz des Fortſchritts oder der Vervollkommnung (Progreſſus, Teleoſis).
Meine Herren! Um zu einem richtigen Verſtaͤndniß des Dar- winismus zu gelangen, iſt es vor Allem nothwendig, die beiden organiſchen Functionen genau in das Auge zu faſſen, die wir in den letzten Vortraͤgen betrachtet haben, die Vererbung und Anpaſ- ſung. Wenn man nicht einerſeits die rein mechaniſche Natur dieſer beiden phyſiologiſchen Thaͤtigkeiten und die mannichfaltige Wirkung ihrer verſchiedenen Geſetze in’s Auge faßt, und wenn man nicht an- drerſeits erwaͤgt, wie verwickelt die Wechſelwirkung dieſer verſchie- denen Vererbungs- und Anpaſſungsgeſetze nothwendig ſein muß, ſo wird man nicht begreifen, daß dieſe beiden Functionen fuͤr ſich allein
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[[202]/0223]
Elfter Vortrag.
Die natuͤrliche Zuͤchtung durch den Kampf um’s Daſein.
Arbeitstheilung und Fortſchritt.
Wechſelwirkung der beiden organiſchen Bildungstriebe, der Vererbung und An-
paſſung. Natuͤrliche und kuͤnſtliche Zuͤchtung. Kampf um’s Daſein oder Wettkampf
um die Lebensbeduͤrfniſſe. Mißverhaͤltniß zwiſchen der Zahl der moͤglichen (poten-
tiellen) und der Zahl der wirklichen (actuellen) Jndividuen. Verwickelte Wechſel-
beziehungen aller benachbarten Organismen. Wirkungsweiſe der natuͤrlichen Zuͤch-
tung. Gleichfarbige Zuchtwahl als Urſache der ſympathiſchen Faͤrbungen. Ge-
ſchlechtliche Zuchtwahl als Urſache der ſecundaͤren Sexualcharaktere. Geſetz der Son-
derung oder Arbeitstheilung (Polymorphismus, Differenzirung, Divergenz des Cha-
rakters). Uebergang der Varietaͤten in Species. Begriff der Species. Baſtard-
zeugung. Geſetz des Fortſchritts oder der Vervollkommnung (Progreſſus, Teleoſis).
Meine Herren! Um zu einem richtigen Verſtaͤndniß des Dar-
winismus zu gelangen, iſt es vor Allem nothwendig, die beiden
organiſchen Functionen genau in das Auge zu faſſen, die wir in den
letzten Vortraͤgen betrachtet haben, die Vererbung und Anpaſ-
ſung. Wenn man nicht einerſeits die rein mechaniſche Natur dieſer
beiden phyſiologiſchen Thaͤtigkeiten und die mannichfaltige Wirkung
ihrer verſchiedenen Geſetze in’s Auge faßt, und wenn man nicht an-
drerſeits erwaͤgt, wie verwickelt die Wechſelwirkung dieſer verſchie-
denen Vererbungs- und Anpaſſungsgeſetze nothwendig ſein muß, ſo
wird man nicht begreifen, daß dieſe beiden Functionen fuͤr ſich allein
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. [202]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/223>, abgerufen am 27.11.2024.
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