häufen sich die Verbesserungen und Erfindungen auf diesem Arbeits- gebiete, desto mehr vervollkommnen sich die Arbeiter.
Nun ist offenbar die Stellung der verschiedenen Jndividuen in die- sem Kampfe um das Dasein ganz ungleich. Ausgehend wieder von der thatsächlichen Ungleichheit der Jndividuen, müssen wir überall nothwendig annehmen, daß nicht alle Jndividuen einer und derselben Art gleich günstige Aussichten haben. Schon von vornherein sind die- selben durch ihre verschiedenen Kräfte und Fähigkeiten verschieden im Wettkampfe gestellt, abgesehen davon, daß die Existenzbedingungen an jedem Punkt der Erdoberfläche verschieden sind und verschieden einwirken. Offenbar waltet hier ein unendlich verwickeltes Getriebe von Einwirkungen, die im Vereine mit der ursprünglichen Ungleichheit der Jndividuen während des bestehenden Wettkampfes um die Er- langung der Existenzbedingungen einzelne Jndividuen bevorzugen, andere benachtheiligen. Die bevorzugten Jndividuen werden über die andern den Sieg erlangen, und während die letzteren in mehr oder weniger früher Zeit zu Grunde gehen, ohne Nachkommen zu hinter- lassen, werden die ersteren allein jene überleben können und schließlich zur Fortpflanzung gelangen. Jndem also ausschließlich oder doch vor- wiegend die im Kampfe um das Dasein begünstigten Einzelwesen zur Fortpflanzung gelangen, werden wir (schon allein in Folge dieses Ver- hältnisses) in der nächsten Generation, die von dieser erzeugt wird, Unterschiede von der vorhergehenden wahrnehmen. Es werden schon die Jndividuen dieser zweiten Generation, wenn auch nicht alle, doch zum Theile, durch Vererbung den individuellen Vortheil überkommen haben, durch welchen ihre Eltern über deren Nebenbuhler den Sieg davon trugen.
Nun wird aber -- und das ist ein sehr wichtiges Vererbungs- gesetz -- wenn eine Reihe von Generationen hindurch eine solche Uebertragung eines günstigen Characters stattfindet, derselbe nicht einfach in der ursprünglichen Weise übertragen, sondern er wird fort- während gehäuft und gestärkt, und er gelangt schließlich in einer letzten Generation zu einer Stärke, welche diese Generation schon sehr we-
Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. 9
Zuͤchtende Wirkung des Kampfes um’s Daſein
haͤufen ſich die Verbeſſerungen und Erfindungen auf dieſem Arbeits- gebiete, deſto mehr vervollkommnen ſich die Arbeiter.
Nun iſt offenbar die Stellung der verſchiedenen Jndividuen in die- ſem Kampfe um das Daſein ganz ungleich. Ausgehend wieder von der thatſaͤchlichen Ungleichheit der Jndividuen, muͤſſen wir uͤberall nothwendig annehmen, daß nicht alle Jndividuen einer und derſelben Art gleich guͤnſtige Ausſichten haben. Schon von vornherein ſind die- ſelben durch ihre verſchiedenen Kraͤfte und Faͤhigkeiten verſchieden im Wettkampfe geſtellt, abgeſehen davon, daß die Exiſtenzbedingungen an jedem Punkt der Erdoberflaͤche verſchieden ſind und verſchieden einwirken. Offenbar waltet hier ein unendlich verwickeltes Getriebe von Einwirkungen, die im Vereine mit der urſpruͤnglichen Ungleichheit der Jndividuen waͤhrend des beſtehenden Wettkampfes um die Er- langung der Exiſtenzbedingungen einzelne Jndividuen bevorzugen, andere benachtheiligen. Die bevorzugten Jndividuen werden uͤber die andern den Sieg erlangen, und waͤhrend die letzteren in mehr oder weniger fruͤher Zeit zu Grunde gehen, ohne Nachkommen zu hinter- laſſen, werden die erſteren allein jene uͤberleben koͤnnen und ſchließlich zur Fortpflanzung gelangen. Jndem alſo ausſchließlich oder doch vor- wiegend die im Kampfe um das Daſein beguͤnſtigten Einzelweſen zur Fortpflanzung gelangen, werden wir (ſchon allein in Folge dieſes Ver- haͤltniſſes) in der naͤchſten Generation, die von dieſer erzeugt wird, Unterſchiede von der vorhergehenden wahrnehmen. Es werden ſchon die Jndividuen dieſer zweiten Generation, wenn auch nicht alle, doch zum Theile, durch Vererbung den individuellen Vortheil uͤberkommen haben, durch welchen ihre Eltern uͤber deren Nebenbuhler den Sieg davon trugen.
Nun wird aber — und das iſt ein ſehr wichtiges Vererbungs- geſetz — wenn eine Reihe von Generationen hindurch eine ſolche Uebertragung eines guͤnſtigen Characters ſtattfindet, derſelbe nicht einfach in der urſpruͤnglichen Weiſe uͤbertragen, ſondern er wird fort- waͤhrend gehaͤuft und geſtaͤrkt, und er gelangt ſchließlich in einer letzten Generation zu einer Staͤrke, welche dieſe Generation ſchon ſehr we-
Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 9
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Zuͤchtende Wirkung des Kampfes um’s Daſein
haͤufen ſich die Verbeſſerungen und Erfindungen auf dieſem Arbeits-
gebiete, deſto mehr vervollkommnen ſich die Arbeiter.
Nun iſt offenbar die Stellung der verſchiedenen Jndividuen in die-
ſem Kampfe um das Daſein ganz ungleich. Ausgehend wieder von
der thatſaͤchlichen Ungleichheit der Jndividuen, muͤſſen wir uͤberall
nothwendig annehmen, daß nicht alle Jndividuen einer und derſelben
Art gleich guͤnſtige Ausſichten haben. Schon von vornherein ſind die-
ſelben durch ihre verſchiedenen Kraͤfte und Faͤhigkeiten verſchieden im
Wettkampfe geſtellt, abgeſehen davon, daß die Exiſtenzbedingungen
an jedem Punkt der Erdoberflaͤche verſchieden ſind und verſchieden
einwirken. Offenbar waltet hier ein unendlich verwickeltes Getriebe
von Einwirkungen, die im Vereine mit der urſpruͤnglichen Ungleichheit
der Jndividuen waͤhrend des beſtehenden Wettkampfes um die Er-
langung der Exiſtenzbedingungen einzelne Jndividuen bevorzugen,
andere benachtheiligen. Die bevorzugten Jndividuen werden uͤber die
andern den Sieg erlangen, und waͤhrend die letzteren in mehr oder
weniger fruͤher Zeit zu Grunde gehen, ohne Nachkommen zu hinter-
laſſen, werden die erſteren allein jene uͤberleben koͤnnen und ſchließlich
zur Fortpflanzung gelangen. Jndem alſo ausſchließlich oder doch vor-
wiegend die im Kampfe um das Daſein beguͤnſtigten Einzelweſen zur
Fortpflanzung gelangen, werden wir (ſchon allein in Folge dieſes Ver-
haͤltniſſes) in der naͤchſten Generation, die von dieſer erzeugt wird,
Unterſchiede von der vorhergehenden wahrnehmen. Es werden ſchon
die Jndividuen dieſer zweiten Generation, wenn auch nicht alle, doch
zum Theile, durch Vererbung den individuellen Vortheil uͤberkommen
haben, durch welchen ihre Eltern uͤber deren Nebenbuhler den Sieg
davon trugen.
Nun wird aber — und das iſt ein ſehr wichtiges Vererbungs-
geſetz — wenn eine Reihe von Generationen hindurch eine ſolche
Uebertragung eines guͤnſtigen Characters ſtattfindet, derſelbe nicht
einfach in der urſpruͤnglichen Weiſe uͤbertragen, ſondern er wird fort-
waͤhrend gehaͤuft und geſtaͤrkt, und er gelangt ſchließlich in einer letzten
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Haeckel, Natuͤrliche Schoͤpfungsgeſchichte. 9
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Haeckel, Ernst: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Berlin, 1868, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_schoepfungsgeschichte_1868/150>, abgerufen am 23.11.2024.
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