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Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866.

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gehen sollen. In diesem Sinne also können wir alle diese verschiede-
nen Vorstellungen zusammen als Hypothesen von der Urzeugung
(Generatio spontanea) den so eben widerlegten Hypothesen von der
Schöpfung (Creatio) gegenüberstellen.

Wie nun alle die mannichfaltigen Schöpfungs-Hypothesen sich in
drei verschiedene Gruppen bringen liessen, die sich mehr oder weniger
von der wissenschaftlichen Erkenntniss entfernen, so können wir auch
die vielfältigen Urzeugungs-Hypothesen in drei verschiedene Gruppen
bringen, welche sich mehr oder weniger der wissenschaftlichen Er-
kenntniss nähern, und von denen wir nur eine einzige als die für uns
unentbehrliche Hypothese auswählen können.

Nach der einen Gruppe der Hypothesen sind von jeder Organismen-
Art oder Species zu einer gewissen Zeit oder zu verschiedenen Zeiten
der Erdgeschichte eines oder mehrere Individuen spontan entstanden,
als deren durch unmittelbare Fortpflanzung entstandene Nachkommen
wir alle übrigen Individuen derselben "Species" anzusehen hätten,
welche zu irgend einer Zeit der Erdgeschichte gelebt haben oder
welche noch jetzt leben. Danach wären also z. B. alle einzelnen In-
dividuen des Weinstocks, des Sperlings, des Menschen, welche jemals
existirt haben, die unmittelbaren Nachkommen eines einzigen oder einer
gewissen Zahl von Individuen des Weinstocks, des Sperlings, des Men-
schen, welche entweder einmal (zu einer bestimmten Zeit) oder zu
wiederholten Malen spontan entstanden sind. Diese Hypothesen-Gruppe
(bei der es uns hier gleichgültig ist, ob diese Entstehung nur einmal
stattfand oder sich mehrmals wiederholte, ob dabei nur ein oder zwei
oder mehrere Individuen entstanden, ob diese ersten Individuen als
Eier oder als Erwachsene entstanden etc.) schliesst sich am nächsten
an die vorher erwähnte, am weitesten verbreitete Schöpfungs-Vorstel-
lung an, nach welcher von jeder Art ein Stammvater oder mehrere
Ureltern geschaffen wurden; sie unterscheidet sich von jener Hypothese
nur dadurch, dass an die Stelle des schöpferischen Planes oder Wil-
lens die blinde Kraft der "todten" Materie tritt. Sie bedarf, wie jene,
schon desshalb keiner Widerlegung, weil sie auf dem grundfalschen
Dogma von der Constanz der Species fusst. Aber auch abgesehen
hiervon, widerspricht die Vorstellung, dass so hoch organisirte und so ver-
wickelt gebaute Organismen, wie es die höheren Thiere und Pflanzen
sind, blos durch die Kraft nicht organisirter Materie unmittelbar ent-
stehen können, so sehr den einfachsten Erkenntnissen und den be-
kanntesten Thatsachen, dass sich diese Hypothese niemals eine allge-
meinere Anerkennung hat erringen können.

Die zweite Gruppe der Urzeugungs-Hypothesen behauptet, dass
aus vorhandener organischer Substanz, lediglich durch die organisirende
Kraft derselben, niedere Organismen, Thier- und Pflanzen-Formen von

III. Urzeugung oder Generatio spontanea.
gehen sollen. In diesem Sinne also können wir alle diese verschiede-
nen Vorstellungen zusammen als Hypothesen von der Urzeugung
(Generatio spontanea) den so eben widerlegten Hypothesen von der
Schöpfung (Creatio) gegenüberstellen.

Wie nun alle die mannichfaltigen Schöpfungs-Hypothesen sich in
drei verschiedene Gruppen bringen liessen, die sich mehr oder weniger
von der wissenschaftlichen Erkenntniss entfernen, so können wir auch
die vielfältigen Urzeugungs-Hypothesen in drei verschiedene Gruppen
bringen, welche sich mehr oder weniger der wissenschaftlichen Er-
kenntniss nähern, und von denen wir nur eine einzige als die für uns
unentbehrliche Hypothese auswählen können.

Nach der einen Gruppe der Hypothesen sind von jeder Organismen-
Art oder Species zu einer gewissen Zeit oder zu verschiedenen Zeiten
der Erdgeschichte eines oder mehrere Individuen spontan entstanden,
als deren durch unmittelbare Fortpflanzung entstandene Nachkommen
wir alle übrigen Individuen derselben „Species“ anzusehen hätten,
welche zu irgend einer Zeit der Erdgeschichte gelebt haben oder
welche noch jetzt leben. Danach wären also z. B. alle einzelnen In-
dividuen des Weinstocks, des Sperlings, des Menschen, welche jemals
existirt haben, die unmittelbaren Nachkommen eines einzigen oder einer
gewissen Zahl von Individuen des Weinstocks, des Sperlings, des Men-
schen, welche entweder einmal (zu einer bestimmten Zeit) oder zu
wiederholten Malen spontan entstanden sind. Diese Hypothesen-Gruppe
(bei der es uns hier gleichgültig ist, ob diese Entstehung nur einmal
stattfand oder sich mehrmals wiederholte, ob dabei nur ein oder zwei
oder mehrere Individuen entstanden, ob diese ersten Individuen als
Eier oder als Erwachsene entstanden etc.) schliesst sich am nächsten
an die vorher erwähnte, am weitesten verbreitete Schöpfungs-Vorstel-
lung an, nach welcher von jeder Art ein Stammvater oder mehrere
Ureltern geschaffen wurden; sie unterscheidet sich von jener Hypothese
nur dadurch, dass an die Stelle des schöpferischen Planes oder Wil-
lens die blinde Kraft der „todten“ Materie tritt. Sie bedarf, wie jene,
schon desshalb keiner Widerlegung, weil sie auf dem grundfalschen
Dogma von der Constanz der Species fusst. Aber auch abgesehen
hiervon, widerspricht die Vorstellung, dass so hoch organisirte und so ver-
wickelt gebaute Organismen, wie es die höheren Thiere und Pflanzen
sind, blos durch die Kraft nicht organisirter Materie unmittelbar ent-
stehen können, so sehr den einfachsten Erkenntnissen und den be-
kanntesten Thatsachen, dass sich diese Hypothese niemals eine allge-
meinere Anerkennung hat erringen können.

Die zweite Gruppe der Urzeugungs-Hypothesen behauptet, dass
aus vorhandener organischer Substanz, lediglich durch die organisirende
Kraft derselben, niedere Organismen, Thier- und Pflanzen-Formen von

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[175/0214] III. Urzeugung oder Generatio spontanea. gehen sollen. In diesem Sinne also können wir alle diese verschiede- nen Vorstellungen zusammen als Hypothesen von der Urzeugung (Generatio spontanea) den so eben widerlegten Hypothesen von der Schöpfung (Creatio) gegenüberstellen. Wie nun alle die mannichfaltigen Schöpfungs-Hypothesen sich in drei verschiedene Gruppen bringen liessen, die sich mehr oder weniger von der wissenschaftlichen Erkenntniss entfernen, so können wir auch die vielfältigen Urzeugungs-Hypothesen in drei verschiedene Gruppen bringen, welche sich mehr oder weniger der wissenschaftlichen Er- kenntniss nähern, und von denen wir nur eine einzige als die für uns unentbehrliche Hypothese auswählen können. Nach der einen Gruppe der Hypothesen sind von jeder Organismen- Art oder Species zu einer gewissen Zeit oder zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte eines oder mehrere Individuen spontan entstanden, als deren durch unmittelbare Fortpflanzung entstandene Nachkommen wir alle übrigen Individuen derselben „Species“ anzusehen hätten, welche zu irgend einer Zeit der Erdgeschichte gelebt haben oder welche noch jetzt leben. Danach wären also z. B. alle einzelnen In- dividuen des Weinstocks, des Sperlings, des Menschen, welche jemals existirt haben, die unmittelbaren Nachkommen eines einzigen oder einer gewissen Zahl von Individuen des Weinstocks, des Sperlings, des Men- schen, welche entweder einmal (zu einer bestimmten Zeit) oder zu wiederholten Malen spontan entstanden sind. Diese Hypothesen-Gruppe (bei der es uns hier gleichgültig ist, ob diese Entstehung nur einmal stattfand oder sich mehrmals wiederholte, ob dabei nur ein oder zwei oder mehrere Individuen entstanden, ob diese ersten Individuen als Eier oder als Erwachsene entstanden etc.) schliesst sich am nächsten an die vorher erwähnte, am weitesten verbreitete Schöpfungs-Vorstel- lung an, nach welcher von jeder Art ein Stammvater oder mehrere Ureltern geschaffen wurden; sie unterscheidet sich von jener Hypothese nur dadurch, dass an die Stelle des schöpferischen Planes oder Wil- lens die blinde Kraft der „todten“ Materie tritt. Sie bedarf, wie jene, schon desshalb keiner Widerlegung, weil sie auf dem grundfalschen Dogma von der Constanz der Species fusst. Aber auch abgesehen hiervon, widerspricht die Vorstellung, dass so hoch organisirte und so ver- wickelt gebaute Organismen, wie es die höheren Thiere und Pflanzen sind, blos durch die Kraft nicht organisirter Materie unmittelbar ent- stehen können, so sehr den einfachsten Erkenntnissen und den be- kanntesten Thatsachen, dass sich diese Hypothese niemals eine allge- meinere Anerkennung hat erringen können. Die zweite Gruppe der Urzeugungs-Hypothesen behauptet, dass aus vorhandener organischer Substanz, lediglich durch die organisirende Kraft derselben, niedere Organismen, Thier- und Pflanzen-Formen von

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Zitationshilfe: Haeckel, Erich: Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 1. Berlin, 1866, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haeckel_morphologie01_1866/214>, abgerufen am 27.11.2024.