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Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und Trank, was sie besaßen. Wurden doch die österreichischen Soldaten auf dem Wege nach Mailand fast allenthalben als "unsere Befreier" begrüßt, eine Äußerung, die freilich eben so sehr der Sehnsucht nach dem Aufhören der Kriegsdrangsale, als der Anhänglichkeit an das Kaiserhaus beizumessen war.

Jetzt lag das Postgebäude vor den Blicken des jungen Offiziers, hier der Stall, dort das Wohnhaus. Vor ersterem befand sich ein Trupp Chevaulegers, welche beschäftigt waren, ihre Pferde in die warmen Räume zu ziehen. Einzelne Postillione halfen ihnen dabei, und einer hielt dem Husarenoffizier sein Pferd worauf er abstieg und nach der Familie des Posthalters fragte.

Der Postillion blickte sich schüchtern nach dem Hause um und zuckte die Achseln. Da ist das Haus, sagte er, die Thüre steht offen. Geht hinein, Herr, ich weiß nicht, ob Ihr Jemand findet. Doch ist Platz genug da, um Euren nassen Mantel aufzuhängen. Ich will nur das Pferd besorgen, dann komme ich nach und mache Ihnen ein Feuer.

Ist denn Niemand in dem Hause? Niemand von der Familie des Posthalters? fragte der Offizier dringend, und dieselbe Antwort war: Ich weiß nicht, Herr, geht nur hinein.

Kopfschüttelnd ging der Offizier dem Hause zu. Da lag auf der Schwelle der große zottige Hund, dessen er sich wohl noch erinnerte; das Thier sah ihn an

und Trank, was sie besaßen. Wurden doch die österreichischen Soldaten auf dem Wege nach Mailand fast allenthalben als „unsere Befreier“ begrüßt, eine Äußerung, die freilich eben so sehr der Sehnsucht nach dem Aufhören der Kriegsdrangsale, als der Anhänglichkeit an das Kaiserhaus beizumessen war.

Jetzt lag das Postgebäude vor den Blicken des jungen Offiziers, hier der Stall, dort das Wohnhaus. Vor ersterem befand sich ein Trupp Chevaulegers, welche beschäftigt waren, ihre Pferde in die warmen Räume zu ziehen. Einzelne Postillione halfen ihnen dabei, und einer hielt dem Husarenoffizier sein Pferd worauf er abstieg und nach der Familie des Posthalters fragte.

Der Postillion blickte sich schüchtern nach dem Hause um und zuckte die Achseln. Da ist das Haus, sagte er, die Thüre steht offen. Geht hinein, Herr, ich weiß nicht, ob Ihr Jemand findet. Doch ist Platz genug da, um Euren nassen Mantel aufzuhängen. Ich will nur das Pferd besorgen, dann komme ich nach und mache Ihnen ein Feuer.

Ist denn Niemand in dem Hause? Niemand von der Familie des Posthalters? fragte der Offizier dringend, und dieselbe Antwort war: Ich weiß nicht, Herr, geht nur hinein.

Kopfschüttelnd ging der Offizier dem Hause zu. Da lag auf der Schwelle der große zottige Hund, dessen er sich wohl noch erinnerte; das Thier sah ihn an

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[0064] und Trank, was sie besaßen. Wurden doch die österreichischen Soldaten auf dem Wege nach Mailand fast allenthalben als „unsere Befreier“ begrüßt, eine Äußerung, die freilich eben so sehr der Sehnsucht nach dem Aufhören der Kriegsdrangsale, als der Anhänglichkeit an das Kaiserhaus beizumessen war. Jetzt lag das Postgebäude vor den Blicken des jungen Offiziers, hier der Stall, dort das Wohnhaus. Vor ersterem befand sich ein Trupp Chevaulegers, welche beschäftigt waren, ihre Pferde in die warmen Räume zu ziehen. Einzelne Postillione halfen ihnen dabei, und einer hielt dem Husarenoffizier sein Pferd worauf er abstieg und nach der Familie des Posthalters fragte. Der Postillion blickte sich schüchtern nach dem Hause um und zuckte die Achseln. Da ist das Haus, sagte er, die Thüre steht offen. Geht hinein, Herr, ich weiß nicht, ob Ihr Jemand findet. Doch ist Platz genug da, um Euren nassen Mantel aufzuhängen. Ich will nur das Pferd besorgen, dann komme ich nach und mache Ihnen ein Feuer. Ist denn Niemand in dem Hause? Niemand von der Familie des Posthalters? fragte der Offizier dringend, und dieselbe Antwort war: Ich weiß nicht, Herr, geht nur hinein. Kopfschüttelnd ging der Offizier dem Hause zu. Da lag auf der Schwelle der große zottige Hund, dessen er sich wohl noch erinnerte; das Thier sah ihn an

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:37:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:37:05Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/64>, abgerufen am 05.05.2024.