Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hätte, wenn die Piemontesen mehr Lust zum Schlagen gehabt. Er wird nach Casal Pusterlengo ins Hauptquartier gebracht. Und hat man Verdächtiges bei ihm gefunden? Mehr als genug, um ihn zu erschießen. Er soll ein wohlhabender Mensch sein, der es nicht wegen Lohn gethan, sondern aus Haß gegen uns. Gestern fand man einen Postillion, einen treuen Kerl, der mit Depeschen verschickt war, erschossen in der Nähe des Flusses, und während der Nacht wurde der da aufgegriffen und trug einen Theil jener Depeschen bei sich. Der Husarenoffizier zuckte mitleidig die Achseln und blickte den Gefangenen einen Augenblick an. Es ist immer traurig, einen Menschen zum Tode führen zu sehen, selbst wenn es ein Spion ist und den da konnte Niemand retten. Es war vor Aufbruch der Colonne über ihn abgeurtheilt worden. Man führte ihn nun nach Casal Pusterlengo, wo er wohnte, um die Ortsbehörde über ihn zu vernehmen. Vielleicht war es ja doch noch möglich, etwas zu seinen Gunsten zu erfahren. Bald hatten die beiden Offiziere die Colonnen hinter sich gelassen und näherten sich dem Dorfe. Der gelbe Streifen am Horizont hatte sich mittlerweile vergrößert, und die grauen Wolken, die bisher nur eine Masse bildeten, trennten sich nun von einander, das Tageslicht drang durch die einzelnen Schichten und breitete sich über den ganzen Himmel hätte, wenn die Piemontesen mehr Lust zum Schlagen gehabt. Er wird nach Casal Pusterlengo ins Hauptquartier gebracht. Und hat man Verdächtiges bei ihm gefunden? Mehr als genug, um ihn zu erschießen. Er soll ein wohlhabender Mensch sein, der es nicht wegen Lohn gethan, sondern aus Haß gegen uns. Gestern fand man einen Postillion, einen treuen Kerl, der mit Depeschen verschickt war, erschossen in der Nähe des Flusses, und während der Nacht wurde der da aufgegriffen und trug einen Theil jener Depeschen bei sich. Der Husarenoffizier zuckte mitleidig die Achseln und blickte den Gefangenen einen Augenblick an. Es ist immer traurig, einen Menschen zum Tode führen zu sehen, selbst wenn es ein Spion ist und den da konnte Niemand retten. Es war vor Aufbruch der Colonne über ihn abgeurtheilt worden. Man führte ihn nun nach Casal Pusterlengo, wo er wohnte, um die Ortsbehörde über ihn zu vernehmen. Vielleicht war es ja doch noch möglich, etwas zu seinen Gunsten zu erfahren. Bald hatten die beiden Offiziere die Colonnen hinter sich gelassen und näherten sich dem Dorfe. Der gelbe Streifen am Horizont hatte sich mittlerweile vergrößert, und die grauen Wolken, die bisher nur eine Masse bildeten, trennten sich nun von einander, das Tageslicht drang durch die einzelnen Schichten und breitete sich über den ganzen Himmel <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0062"/> hätte, wenn die Piemontesen mehr Lust zum Schlagen gehabt. Er wird nach Casal Pusterlengo ins Hauptquartier gebracht.</p><lb/> <p>Und hat man Verdächtiges bei ihm gefunden?</p><lb/> <p>Mehr als genug, um ihn zu erschießen. Er soll ein wohlhabender Mensch sein, der es nicht wegen Lohn gethan, sondern aus Haß gegen uns. Gestern fand man einen Postillion, einen treuen Kerl, der mit Depeschen verschickt war, erschossen in der Nähe des Flusses, und während der Nacht wurde der da aufgegriffen und trug einen Theil jener Depeschen bei sich.</p><lb/> <p>Der Husarenoffizier zuckte mitleidig die Achseln und blickte den Gefangenen einen Augenblick an. Es ist immer traurig, einen Menschen zum Tode führen zu sehen, selbst wenn es ein Spion ist und den da konnte Niemand retten. Es war vor Aufbruch der Colonne über ihn abgeurtheilt worden. Man führte ihn nun nach Casal Pusterlengo, wo er wohnte, um die Ortsbehörde über ihn zu vernehmen. Vielleicht war es ja doch noch möglich, etwas zu seinen Gunsten zu erfahren.</p><lb/> <p>Bald hatten die beiden Offiziere die Colonnen hinter sich gelassen und näherten sich dem Dorfe. Der gelbe Streifen am Horizont hatte sich mittlerweile vergrößert, und die grauen Wolken, die bisher nur eine Masse bildeten, trennten sich nun von einander, das Tageslicht drang durch die einzelnen Schichten und breitete sich über den ganzen Himmel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
hätte, wenn die Piemontesen mehr Lust zum Schlagen gehabt. Er wird nach Casal Pusterlengo ins Hauptquartier gebracht.
Und hat man Verdächtiges bei ihm gefunden?
Mehr als genug, um ihn zu erschießen. Er soll ein wohlhabender Mensch sein, der es nicht wegen Lohn gethan, sondern aus Haß gegen uns. Gestern fand man einen Postillion, einen treuen Kerl, der mit Depeschen verschickt war, erschossen in der Nähe des Flusses, und während der Nacht wurde der da aufgegriffen und trug einen Theil jener Depeschen bei sich.
Der Husarenoffizier zuckte mitleidig die Achseln und blickte den Gefangenen einen Augenblick an. Es ist immer traurig, einen Menschen zum Tode führen zu sehen, selbst wenn es ein Spion ist und den da konnte Niemand retten. Es war vor Aufbruch der Colonne über ihn abgeurtheilt worden. Man führte ihn nun nach Casal Pusterlengo, wo er wohnte, um die Ortsbehörde über ihn zu vernehmen. Vielleicht war es ja doch noch möglich, etwas zu seinen Gunsten zu erfahren.
Bald hatten die beiden Offiziere die Colonnen hinter sich gelassen und näherten sich dem Dorfe. Der gelbe Streifen am Horizont hatte sich mittlerweile vergrößert, und die grauen Wolken, die bisher nur eine Masse bildeten, trennten sich nun von einander, das Tageslicht drang durch die einzelnen Schichten und breitete sich über den ganzen Himmel
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Zitationshilfe: | Hackländer, Friedrich Wilhelm: Zwei Nächte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 109–174. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hacklaender_naechte_1910/62>, abgerufen am 17.07.2024. |