Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 2. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.seyn, wie sie will, sie ist da, sie blickt mit gierigen und abmessenden Augen schon nach dem ersten Ereignisse, das im Orient eintreffen möchte; sie steht gerüstet in Algier, in Malta, an der Militärgrenze, in den Häfen des schwarzen Meeres. - Der erste Grundsatz eines Erben muß der seyn, daß er bei Lebzeiten des Erblassers alle Mittel anwendet, jede Zersplitterung der Verlassenschaft zu hintertreiben. Aus diesem Grundsatze erklärt sich die consequente Politik, welche wir die großen Mächte gegen den Vicekönig von Aegypten beobachten sehen. Dieser Emporkömmling besizt dieselbe Tendenz, die noch jeder der Pforte unterworfene Satrap befolgt hat, sich mit seiner Provinz unabhängig zu machen. Schwerlich aber würde der Vicekönig in diesem Bestreben so glänzende Fortschritte gemacht haben, wenn er nicht geglaubt hätte, sich bei jeder feindlichen Bewegung, die er gegen die Pforte versuchte, des Beifalls der sogenannten alliirten, aber bei Navarino nur einmal alliirt gewesenen Mächte zu versehen. Und so zweideutig sind die Absichten Europas mit der Türkei, daß sie in der That nicht zu wissen scheinen, sollen sie Aegypten von der Pforte trennen oder nicht. Der Widerspruch Aegyptens gegen die Pforte ist den Mächten erwünscht, weil er die Pforte selbst schwächt, und sie zwingt, Schutz und Hilfe zu suchen. Er ist ihnen auf der einen Seite erwünscht, weil er die Tradition von der Ohnmacht der Pforte unterhält und immer einmal Gelegenheit seyn, wie sie will, sie ist da, sie blickt mit gierigen und abmessenden Augen schon nach dem ersten Ereignisse, das im Orient eintreffen möchte; sie steht gerüstet in Algier, in Malta, an der Militärgrenze, in den Häfen des schwarzen Meeres. – Der erste Grundsatz eines Erben muß der seyn, daß er bei Lebzeiten des Erblassers alle Mittel anwendet, jede Zersplitterung der Verlassenschaft zu hintertreiben. Aus diesem Grundsatze erklärt sich die consequente Politik, welche wir die großen Mächte gegen den Vicekönig von Aegypten beobachten sehen. Dieser Emporkömmling besizt dieselbe Tendenz, die noch jeder der Pforte unterworfene Satrap befolgt hat, sich mit seiner Provinz unabhängig zu machen. Schwerlich aber würde der Vicekönig in diesem Bestreben so glänzende Fortschritte gemacht haben, wenn er nicht geglaubt hätte, sich bei jeder feindlichen Bewegung, die er gegen die Pforte versuchte, des Beifalls der sogenannten alliirten, aber bei Navarino nur einmal alliirt gewesenen Mächte zu versehen. Und so zweideutig sind die Absichten Europas mit der Türkei, daß sie in der That nicht zu wissen scheinen, sollen sie Aegypten von der Pforte trennen oder nicht. Der Widerspruch Aegyptens gegen die Pforte ist den Mächten erwünscht, weil er die Pforte selbst schwächt, und sie zwingt, Schutz und Hilfe zu suchen. Er ist ihnen auf der einen Seite erwünscht, weil er die Tradition von der Ohnmacht der Pforte unterhält und immer einmal Gelegenheit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0425" n="423"/> seyn, wie sie will, sie ist da, sie blickt mit gierigen und abmessenden Augen schon nach dem ersten Ereignisse, das im Orient eintreffen möchte; sie steht gerüstet in Algier, in Malta, an der Militärgrenze, in den Häfen des schwarzen Meeres. – Der erste Grundsatz eines Erben muß der seyn, daß er bei Lebzeiten des Erblassers alle Mittel anwendet, jede Zersplitterung der Verlassenschaft zu hintertreiben. Aus diesem Grundsatze erklärt sich die consequente Politik, welche wir die großen Mächte gegen den Vicekönig von Aegypten beobachten sehen. Dieser Emporkömmling besizt dieselbe Tendenz, die noch jeder der Pforte unterworfene Satrap befolgt hat, sich mit seiner Provinz unabhängig zu machen. Schwerlich aber würde der Vicekönig in diesem Bestreben so glänzende Fortschritte gemacht haben, wenn er nicht geglaubt hätte, sich bei jeder feindlichen Bewegung, die er gegen die Pforte versuchte, des Beifalls der sogenannten alliirten, aber bei Navarino nur einmal alliirt gewesenen Mächte zu versehen. Und so zweideutig sind die Absichten Europas mit der Türkei, daß sie in der That nicht zu wissen scheinen, sollen sie Aegypten von der Pforte trennen oder nicht. Der Widerspruch Aegyptens gegen die Pforte ist den Mächten erwünscht, weil er die Pforte selbst schwächt, und sie zwingt, Schutz und Hilfe zu suchen. Er ist ihnen auf der einen Seite erwünscht, weil er die Tradition von der Ohnmacht der Pforte unterhält und immer einmal Gelegenheit </p> </div> </body> </text> </TEI> [423/0425]
seyn, wie sie will, sie ist da, sie blickt mit gierigen und abmessenden Augen schon nach dem ersten Ereignisse, das im Orient eintreffen möchte; sie steht gerüstet in Algier, in Malta, an der Militärgrenze, in den Häfen des schwarzen Meeres. – Der erste Grundsatz eines Erben muß der seyn, daß er bei Lebzeiten des Erblassers alle Mittel anwendet, jede Zersplitterung der Verlassenschaft zu hintertreiben. Aus diesem Grundsatze erklärt sich die consequente Politik, welche wir die großen Mächte gegen den Vicekönig von Aegypten beobachten sehen. Dieser Emporkömmling besizt dieselbe Tendenz, die noch jeder der Pforte unterworfene Satrap befolgt hat, sich mit seiner Provinz unabhängig zu machen. Schwerlich aber würde der Vicekönig in diesem Bestreben so glänzende Fortschritte gemacht haben, wenn er nicht geglaubt hätte, sich bei jeder feindlichen Bewegung, die er gegen die Pforte versuchte, des Beifalls der sogenannten alliirten, aber bei Navarino nur einmal alliirt gewesenen Mächte zu versehen. Und so zweideutig sind die Absichten Europas mit der Türkei, daß sie in der That nicht zu wissen scheinen, sollen sie Aegypten von der Pforte trennen oder nicht. Der Widerspruch Aegyptens gegen die Pforte ist den Mächten erwünscht, weil er die Pforte selbst schwächt, und sie zwingt, Schutz und Hilfe zu suchen. Er ist ihnen auf der einen Seite erwünscht, weil er die Tradition von der Ohnmacht der Pforte unterhält und immer einmal Gelegenheit
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