Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Die Reichthümer sind weit ungewisser geworden, als sie es früher waren. Der kleine Zinsfuß, die Verführungen des Staatspapierhandels lockten das Geld aus den verschlossenen eisernen Truhen und setzten es in Umlauf, wo es seinen Ertrag auch Denen abwerfen muß, die den Umlauf, ich will nicht einmal sagen, befördern, sondern sogar Denen, welche sich überwinden, ihn nicht zu verhindern. Bei diesem allgemeinen Aechzen und Keuchen nach Besitzthum theilte sich die Besorgniß sogar Denen mit, welche reichlich daran gesegnet sind. Ein Reicher ist nicht mehr so sicher, wie er es ehemals war, er hat die alte Ruhe nicht mehr; ihn scheucht dieß laute Toben auf, so daß er glaubt, mit Hand anlegen zu müssen und dasjenige erst zu erwerben, was er schon besitzt. Und siehe, sein Reichthum mehrt sich. Denn es ist eine nicht minder erwiesene aber nicht minder betrübende Thatsache unsrer Zeit, daß nur diejenigen bekommen, welche haben, und denen genommen wird, welche nichts haben. Man gewinnt nichts mehr ohne Einsatz. Ein Geschäft muß "hineinstecken" können, wenn Etwas dabei "herauskommen" soll. Was ist Credit? Credit, der nur auf den ehrlichen Namen ausgestellt wird? Die ehrlichsten Leute haben fallirt. Credit muß Abglanz des bereits Vorhandenen seyn, Schatten einer Sonne, die baar und blank versilbert nachgewiesen werden kann. Kurz nur der Vermögende erwirbt; und ist das Vermögen kein Geld, so ist es ein Leben! Verkaufe deine Seele, setze dich selbst zum Pfand! Darbe, entziehe dir deine Lieblings- Die Reichthümer sind weit ungewisser geworden, als sie es früher waren. Der kleine Zinsfuß, die Verführungen des Staatspapierhandels lockten das Geld aus den verschlossenen eisernen Truhen und setzten es in Umlauf, wo es seinen Ertrag auch Denen abwerfen muß, die den Umlauf, ich will nicht einmal sagen, befördern, sondern sogar Denen, welche sich überwinden, ihn nicht zu verhindern. Bei diesem allgemeinen Aechzen und Keuchen nach Besitzthum theilte sich die Besorgniß sogar Denen mit, welche reichlich daran gesegnet sind. Ein Reicher ist nicht mehr so sicher, wie er es ehemals war, er hat die alte Ruhe nicht mehr; ihn scheucht dieß laute Toben auf, so daß er glaubt, mit Hand anlegen zu müssen und dasjenige erst zu erwerben, was er schon besitzt. Und siehe, sein Reichthum mehrt sich. Denn es ist eine nicht minder erwiesene aber nicht minder betrübende Thatsache unsrer Zeit, daß nur diejenigen bekommen, welche haben, und denen genommen wird, welche nichts haben. Man gewinnt nichts mehr ohne Einsatz. Ein Geschäft muß "hineinstecken" können, wenn Etwas dabei "herauskommen" soll. Was ist Credit? Credit, der nur auf den ehrlichen Namen ausgestellt wird? Die ehrlichsten Leute haben fallirt. Credit muß Abglanz des bereits Vorhandenen seyn, Schatten einer Sonne, die baar und blank versilbert nachgewiesen werden kann. Kurz nur der Vermögende erwirbt; und ist das Vermögen kein Geld, so ist es ein Leben! Verkaufe deine Seele, setze dich selbst zum Pfand! Darbe, entziehe dir deine Lieblings- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="36"/> Die Reichthümer sind weit ungewisser geworden, als sie es früher waren. Der kleine Zinsfuß, die Verführungen des Staatspapierhandels lockten das Geld aus den verschlossenen eisernen Truhen und setzten es in Umlauf, wo es seinen Ertrag auch Denen abwerfen muß, die den Umlauf, ich will nicht einmal sagen, befördern, sondern sogar Denen, welche sich überwinden, ihn nicht zu verhindern. Bei diesem allgemeinen Aechzen und Keuchen nach Besitzthum theilte sich die Besorgniß sogar Denen mit, welche reichlich daran gesegnet sind. Ein Reicher ist nicht mehr so sicher, wie er es ehemals war, er hat die alte Ruhe nicht mehr; ihn scheucht dieß laute Toben auf, so daß er glaubt, mit Hand anlegen zu müssen und dasjenige erst zu erwerben, was er schon besitzt. Und siehe, sein Reichthum mehrt sich. Denn es ist eine nicht minder erwiesene aber nicht minder betrübende Thatsache unsrer Zeit, daß nur diejenigen bekommen, welche haben, und denen genommen wird, welche nichts haben. Man gewinnt nichts mehr ohne Einsatz. Ein Geschäft muß "hineinstecken" können, wenn Etwas dabei "herauskommen" soll. Was ist Credit? Credit, der nur auf den ehrlichen Namen ausgestellt wird? Die ehrlichsten Leute haben fallirt. Credit muß Abglanz des bereits Vorhandenen seyn, Schatten einer Sonne, die baar und blank versilbert nachgewiesen werden kann. Kurz nur der Vermögende erwirbt; und ist das Vermögen kein Geld, so ist es ein Leben! Verkaufe deine Seele, setze dich selbst zum Pfand! Darbe, entziehe dir deine Lieblings- </p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0064]
Die Reichthümer sind weit ungewisser geworden, als sie es früher waren. Der kleine Zinsfuß, die Verführungen des Staatspapierhandels lockten das Geld aus den verschlossenen eisernen Truhen und setzten es in Umlauf, wo es seinen Ertrag auch Denen abwerfen muß, die den Umlauf, ich will nicht einmal sagen, befördern, sondern sogar Denen, welche sich überwinden, ihn nicht zu verhindern. Bei diesem allgemeinen Aechzen und Keuchen nach Besitzthum theilte sich die Besorgniß sogar Denen mit, welche reichlich daran gesegnet sind. Ein Reicher ist nicht mehr so sicher, wie er es ehemals war, er hat die alte Ruhe nicht mehr; ihn scheucht dieß laute Toben auf, so daß er glaubt, mit Hand anlegen zu müssen und dasjenige erst zu erwerben, was er schon besitzt. Und siehe, sein Reichthum mehrt sich. Denn es ist eine nicht minder erwiesene aber nicht minder betrübende Thatsache unsrer Zeit, daß nur diejenigen bekommen, welche haben, und denen genommen wird, welche nichts haben. Man gewinnt nichts mehr ohne Einsatz. Ein Geschäft muß "hineinstecken" können, wenn Etwas dabei "herauskommen" soll. Was ist Credit? Credit, der nur auf den ehrlichen Namen ausgestellt wird? Die ehrlichsten Leute haben fallirt. Credit muß Abglanz des bereits Vorhandenen seyn, Schatten einer Sonne, die baar und blank versilbert nachgewiesen werden kann. Kurz nur der Vermögende erwirbt; und ist das Vermögen kein Geld, so ist es ein Leben! Verkaufe deine Seele, setze dich selbst zum Pfand! Darbe, entziehe dir deine Lieblings-
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/64>, abgerufen am 16.02.2025. |