Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.vergnügen, bewohne ein Zimmer, richte dich ein, knapp, mit eigner Menage, halte dir eine Magd, eine Magd "für Alles", kurz, werde Cölibatär, ein Hagestolz, dasjenige, was der Storch, der ewig einsam lebt, unter den Vögeln zu seyn scheint! Wer keinen baaren Einsatz machen kann, um zu erwerben, setzt seine Zukunft ein, die Resignation auf das stille Glück der Häuslichkeit. Es gibt auch schwankende Charaktere in unsrer Zeit, die zwar die Mittel, aber den Muth nicht haben, oder von beiden Erfordernissen nur eine kleine Quantität. Diese ungewissen Menschen zu beobachten, erregt Lachen und Mitleiden zugleich. Sie sind unausgesetzt auf der Freite, wie Lord Bubbleton. Dieser edle Herr besitzt nur ein geringes Vermögen; doch würd' es, wenn er noch eine Richterstelle annähme, hinreichend seyn, ihn, seine Frau, vielleicht auch zwei Kinder, wo aber kaum für eines Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, zu ernähren. Zuweilen glaubt er dieß, zuweilen zweifelt er daran. Sie werden heirathen, Mylord? fragt' ich ihn. Niemals; antwortete er entschieden. Auch Miß Eliza nicht? Wer ist Miß Eliza? Hier mußte man ihn sehen. Die kahle Platte des Kopfes überzog sich plötzlich mit einem üppigen Haarwuchs. Die zusammengeschrumpfte Gestalt glättete sich auf. Ein sanftes Roth flog über die trocknen Wangen. Er zog in lebhafter Unruhe seine Handschuhe aus und an, und zupfte so lange an seinen Manschetten, bis ich ihn erinnern mußte, daß sein Hemde zum Vorschein käme. Lord Bubbleton hatte eine vergnügen, bewohne ein Zimmer, richte dich ein, knapp, mit eigner Menage, halte dir eine Magd, eine Magd "für Alles", kurz, werde Cölibatär, ein Hagestolz, dasjenige, was der Storch, der ewig einsam lebt, unter den Vögeln zu seyn scheint! Wer keinen baaren Einsatz machen kann, um zu erwerben, setzt seine Zukunft ein, die Resignation auf das stille Glück der Häuslichkeit. Es gibt auch schwankende Charaktere in unsrer Zeit, die zwar die Mittel, aber den Muth nicht haben, oder von beiden Erfordernissen nur eine kleine Quantität. Diese ungewissen Menschen zu beobachten, erregt Lachen und Mitleiden zugleich. Sie sind unausgesetzt auf der Freite, wie Lord Bubbleton. Dieser edle Herr besitzt nur ein geringes Vermögen; doch würd’ es, wenn er noch eine Richterstelle annähme, hinreichend seyn, ihn, seine Frau, vielleicht auch zwei Kinder, wo aber kaum für eines Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, zu ernähren. Zuweilen glaubt er dieß, zuweilen zweifelt er daran. Sie werden heirathen, Mylord? fragt’ ich ihn. Niemals; antwortete er entschieden. Auch Miß Eliza nicht? Wer ist Miß Eliza? Hier mußte man ihn sehen. Die kahle Platte des Kopfes überzog sich plötzlich mit einem üppigen Haarwuchs. Die zusammengeschrumpfte Gestalt glättete sich auf. Ein sanftes Roth flog über die trocknen Wangen. Er zog in lebhafter Unruhe seine Handschuhe aus und an, und zupfte so lange an seinen Manschetten, bis ich ihn erinnern mußte, daß sein Hemde zum Vorschein käme. Lord Bubbleton hatte eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="37"/> vergnügen, bewohne ein Zimmer, richte dich ein, knapp, mit eigner Menage, halte dir eine Magd, eine Magd "für Alles", kurz, werde Cölibatär, ein Hagestolz, dasjenige, was der Storch, der ewig einsam lebt, unter den Vögeln zu seyn scheint! Wer keinen baaren Einsatz machen kann, um zu erwerben, setzt seine Zukunft ein, die Resignation auf das stille Glück der Häuslichkeit.</p> <p>Es gibt auch schwankende Charaktere in unsrer Zeit, die zwar die Mittel, aber den Muth nicht haben, oder von beiden Erfordernissen nur eine kleine Quantität. Diese ungewissen Menschen zu beobachten, erregt Lachen und Mitleiden zugleich. Sie sind unausgesetzt auf der Freite, wie Lord Bubbleton. Dieser edle Herr besitzt nur ein geringes Vermögen; doch würd’ es, wenn er noch eine Richterstelle annähme, hinreichend seyn, ihn, seine Frau, vielleicht auch zwei Kinder, wo aber kaum für eines Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, zu ernähren. Zuweilen glaubt er dieß, zuweilen zweifelt er daran. Sie werden heirathen, Mylord? fragt’ ich ihn. Niemals; antwortete er entschieden. Auch Miß Eliza nicht? Wer ist Miß Eliza? Hier mußte man ihn sehen. Die kahle Platte des Kopfes überzog sich plötzlich mit einem üppigen Haarwuchs. Die zusammengeschrumpfte Gestalt glättete sich auf. Ein sanftes Roth flog über die trocknen Wangen. Er zog in lebhafter Unruhe seine Handschuhe aus und an, und zupfte so lange an seinen Manschetten, bis ich ihn erinnern mußte, daß sein Hemde zum Vorschein käme. Lord Bubbleton hatte eine </p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0065]
vergnügen, bewohne ein Zimmer, richte dich ein, knapp, mit eigner Menage, halte dir eine Magd, eine Magd "für Alles", kurz, werde Cölibatär, ein Hagestolz, dasjenige, was der Storch, der ewig einsam lebt, unter den Vögeln zu seyn scheint! Wer keinen baaren Einsatz machen kann, um zu erwerben, setzt seine Zukunft ein, die Resignation auf das stille Glück der Häuslichkeit.
Es gibt auch schwankende Charaktere in unsrer Zeit, die zwar die Mittel, aber den Muth nicht haben, oder von beiden Erfordernissen nur eine kleine Quantität. Diese ungewissen Menschen zu beobachten, erregt Lachen und Mitleiden zugleich. Sie sind unausgesetzt auf der Freite, wie Lord Bubbleton. Dieser edle Herr besitzt nur ein geringes Vermögen; doch würd’ es, wenn er noch eine Richterstelle annähme, hinreichend seyn, ihn, seine Frau, vielleicht auch zwei Kinder, wo aber kaum für eines Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, zu ernähren. Zuweilen glaubt er dieß, zuweilen zweifelt er daran. Sie werden heirathen, Mylord? fragt’ ich ihn. Niemals; antwortete er entschieden. Auch Miß Eliza nicht? Wer ist Miß Eliza? Hier mußte man ihn sehen. Die kahle Platte des Kopfes überzog sich plötzlich mit einem üppigen Haarwuchs. Die zusammengeschrumpfte Gestalt glättete sich auf. Ein sanftes Roth flog über die trocknen Wangen. Er zog in lebhafter Unruhe seine Handschuhe aus und an, und zupfte so lange an seinen Manschetten, bis ich ihn erinnern mußte, daß sein Hemde zum Vorschein käme. Lord Bubbleton hatte eine
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/65>, abgerufen am 27.07.2024. |