Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.das Privilegium entweder des Standes oder der Narrheit. Jn unsrer Zeit ist es eine Bahn, die einmal von Jedem eingeschlagen werden muß. Es liegt in der Luft unsers Jahrhunderts, daß die jungen Leute insgesammt in einem gewissen Alter den Verstand verlieren und sich wie Wahnsinnige gebärden. Der Begriff des Fashionablen ist über die ganze Erde verbreitet, ruinirt eben so viel Gemüther, wie es deren kräftigt. Es ist eine Passage, die der Engländer macht, der den Stein der Weisen in seiner Weste sucht. Der Franzose, der ihn im Hut und der Cravatte findet, der Spanier, dem Alles auf die weiten Pantalons ankommt, der Deutsche, Russe und Jtaliener, die es dem Engländer, Franzosen und Spanier nachmachen. Dieß Stadium der modernen Bildung ist so eigenthümlich, daß es ein längeres Verweilen an dieser Stelle verdient. Jch habe jedoch das Leben der englischen Stutzer zu oft geschildert, die französischen Jncroyables sind zu bekannt, als daß ich nicht einen Ausweg vorziehen sollte, den mir ein Freund angeboten hat. Er lebte länger als zwölf Jahre in Deutschland, spricht deutsch und hat, ob er gleich die deutschen Sitten oft lächerlich macht, sich ihnen doch gänzlich anbequemt. Warum haben die Deutschen nie etwas in einer Manier geschrieben, fragt' ich ihn, die von Franzosen und Engländern mit so vielem Glück cultivirt ist? Jch habe über deutsche Sitten weder etwas Descriptives entdecken können, noch eine poetische Schöpfung, der sie mit einer guten Dosis romantischer das Privilegium entweder des Standes oder der Narrheit. Jn unsrer Zeit ist es eine Bahn, die einmal von Jedem eingeschlagen werden muß. Es liegt in der Luft unsers Jahrhunderts, daß die jungen Leute insgesammt in einem gewissen Alter den Verstand verlieren und sich wie Wahnsinnige gebärden. Der Begriff des Fashionablen ist über die ganze Erde verbreitet, ruinirt eben so viel Gemüther, wie es deren kräftigt. Es ist eine Passage, die der Engländer macht, der den Stein der Weisen in seiner Weste sucht. Der Franzose, der ihn im Hut und der Cravatte findet, der Spanier, dem Alles auf die weiten Pantalons ankommt, der Deutsche, Russe und Jtaliener, die es dem Engländer, Franzosen und Spanier nachmachen. Dieß Stadium der modernen Bildung ist so eigenthümlich, daß es ein längeres Verweilen an dieser Stelle verdient. Jch habe jedoch das Leben der englischen Stutzer zu oft geschildert, die französischen Jncroyables sind zu bekannt, als daß ich nicht einen Ausweg vorziehen sollte, den mir ein Freund angeboten hat. Er lebte länger als zwölf Jahre in Deutschland, spricht deutsch und hat, ob er gleich die deutschen Sitten oft lächerlich macht, sich ihnen doch gänzlich anbequemt. Warum haben die Deutschen nie etwas in einer Manier geschrieben, fragt’ ich ihn, die von Franzosen und Engländern mit so vielem Glück cultivirt ist? Jch habe über deutsche Sitten weder etwas Descriptives entdecken können, noch eine poetische Schöpfung, der sie mit einer guten Dosis romantischer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053" n="25"/> das Privilegium entweder des Standes oder der Narrheit. Jn unsrer Zeit ist es eine Bahn, die einmal von Jedem eingeschlagen werden muß. Es liegt in der Luft unsers Jahrhunderts, daß die jungen Leute insgesammt in einem gewissen Alter den Verstand verlieren und sich wie Wahnsinnige gebärden. Der Begriff des Fashionablen ist über die ganze Erde verbreitet, ruinirt eben so viel Gemüther, wie es deren kräftigt. Es ist eine Passage, die der Engländer macht, der den Stein der Weisen in seiner Weste sucht. Der Franzose, der ihn im Hut und der Cravatte findet, der Spanier, dem Alles auf die weiten Pantalons ankommt, der Deutsche, Russe und Jtaliener, die es dem Engländer, Franzosen und Spanier nachmachen. Dieß Stadium der modernen Bildung ist so eigenthümlich, daß es ein längeres Verweilen an dieser Stelle verdient.</p> <p>Jch habe jedoch das Leben der englischen Stutzer zu oft geschildert, die französischen Jncroyables sind zu bekannt, als daß ich nicht einen Ausweg vorziehen sollte, den mir ein Freund angeboten hat. Er lebte länger als zwölf Jahre in Deutschland, spricht deutsch und hat, ob er gleich die deutschen Sitten oft lächerlich macht, sich ihnen doch gänzlich anbequemt. Warum haben die Deutschen nie etwas in einer Manier geschrieben, fragt’ ich ihn, die von Franzosen und Engländern mit so vielem Glück cultivirt ist? Jch habe über deutsche Sitten weder etwas Descriptives entdecken können, noch eine poetische Schöpfung, der sie mit einer guten Dosis romantischer </p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0053]
das Privilegium entweder des Standes oder der Narrheit. Jn unsrer Zeit ist es eine Bahn, die einmal von Jedem eingeschlagen werden muß. Es liegt in der Luft unsers Jahrhunderts, daß die jungen Leute insgesammt in einem gewissen Alter den Verstand verlieren und sich wie Wahnsinnige gebärden. Der Begriff des Fashionablen ist über die ganze Erde verbreitet, ruinirt eben so viel Gemüther, wie es deren kräftigt. Es ist eine Passage, die der Engländer macht, der den Stein der Weisen in seiner Weste sucht. Der Franzose, der ihn im Hut und der Cravatte findet, der Spanier, dem Alles auf die weiten Pantalons ankommt, der Deutsche, Russe und Jtaliener, die es dem Engländer, Franzosen und Spanier nachmachen. Dieß Stadium der modernen Bildung ist so eigenthümlich, daß es ein längeres Verweilen an dieser Stelle verdient.
Jch habe jedoch das Leben der englischen Stutzer zu oft geschildert, die französischen Jncroyables sind zu bekannt, als daß ich nicht einen Ausweg vorziehen sollte, den mir ein Freund angeboten hat. Er lebte länger als zwölf Jahre in Deutschland, spricht deutsch und hat, ob er gleich die deutschen Sitten oft lächerlich macht, sich ihnen doch gänzlich anbequemt. Warum haben die Deutschen nie etwas in einer Manier geschrieben, fragt’ ich ihn, die von Franzosen und Engländern mit so vielem Glück cultivirt ist? Jch habe über deutsche Sitten weder etwas Descriptives entdecken können, noch eine poetische Schöpfung, der sie mit einer guten Dosis romantischer
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/53>, abgerufen am 16.02.2025. |