Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Stirn eine Flamme brennen sehen. Emil trinkt Milch, keinen Thee mehr. Er lernt schwimmen, er ficht sogar und schießt auf dem Schützenhofe alle Samstag sechs Pistolen ab (der Schuß kostet einen Schilling). Ueber seinem Bette wird man auch bald ein paar eigne Pistolen, kreuzweis gelegt, erblicken. Darüber zwei Stoßdegen und eine abgeschmackte Mütze, wie sie unsere Rheinreisenden als die Studentensymbole aus Heidelberg und Bonn mitbringen. Die Nacht hindurch liest der fürchterliche Emil Romane, er lernt Geschichte aus Walter Scott, Geographie aus Cooper. Dieser Enthusiasmus des Frühaufstehens, des Schwimmens und der Abhärtung dauert ein Jahr. Es ist die Zeit, wo Emil sich von der Schule den Weg in das Comtoir bahnen soll. Er wirft einen Blick in die große Welt, er sieht zugleich, daß die Romantik mit der doppelten italienischen Buchhaltung zwar ein Vaterland, aber keine weitre Verwandtschaft hat, er wird das, was wir mehr oder weniger Alle sind, Commis. Einige Jahre vergehen in Zurückgezogenheit und Bescheidenheit. Der junge Mann hat ein schüchternes Wesen; man sieht ihm nicht mehr an, daß er früher für jede Pistole, die er abschießen konnte, einen Schilling zahlte. Emil macht die erste Reise zu einem Geschäftsfreunde seines Vaters. Seitdem wird er ein Mann seines Willens, seiner Kraft und, ohne welches Beides nicht möglich wäre, ein Mann seiner eignen Kasse. Das Stutzern war im achtzehnten Jahrhundert nur Stirn eine Flamme brennen sehen. Emil trinkt Milch, keinen Thee mehr. Er lernt schwimmen, er ficht sogar und schießt auf dem Schützenhofe alle Samstag sechs Pistolen ab (der Schuß kostet einen Schilling). Ueber seinem Bette wird man auch bald ein paar eigne Pistolen, kreuzweis gelegt, erblicken. Darüber zwei Stoßdegen und eine abgeschmackte Mütze, wie sie unsere Rheinreisenden als die Studentensymbole aus Heidelberg und Bonn mitbringen. Die Nacht hindurch liest der fürchterliche Emil Romane, er lernt Geschichte aus Walter Scott, Geographie aus Cooper. Dieser Enthusiasmus des Frühaufstehens, des Schwimmens und der Abhärtung dauert ein Jahr. Es ist die Zeit, wo Emil sich von der Schule den Weg in das Comtoir bahnen soll. Er wirft einen Blick in die große Welt, er sieht zugleich, daß die Romantik mit der doppelten italienischen Buchhaltung zwar ein Vaterland, aber keine weitre Verwandtschaft hat, er wird das, was wir mehr oder weniger Alle sind, Commis. Einige Jahre vergehen in Zurückgezogenheit und Bescheidenheit. Der junge Mann hat ein schüchternes Wesen; man sieht ihm nicht mehr an, daß er früher für jede Pistole, die er abschießen konnte, einen Schilling zahlte. Emil macht die erste Reise zu einem Geschäftsfreunde seines Vaters. Seitdem wird er ein Mann seines Willens, seiner Kraft und, ohne welches Beides nicht möglich wäre, ein Mann seiner eignen Kasse. Das Stutzern war im achtzehnten Jahrhundert nur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="24"/> Stirn eine Flamme brennen sehen. Emil trinkt Milch, keinen Thee mehr. Er lernt schwimmen, er ficht sogar und schießt auf dem Schützenhofe alle Samstag sechs Pistolen ab (der Schuß kostet einen Schilling). Ueber seinem Bette wird man auch bald ein paar eigne Pistolen, kreuzweis gelegt, erblicken. Darüber zwei Stoßdegen und eine abgeschmackte Mütze, wie sie unsere Rheinreisenden als die Studentensymbole aus Heidelberg und Bonn mitbringen. Die Nacht hindurch liest der fürchterliche Emil Romane, er lernt Geschichte aus Walter Scott, Geographie aus Cooper. Dieser Enthusiasmus des Frühaufstehens, des Schwimmens und der Abhärtung dauert ein Jahr. Es ist die Zeit, wo Emil sich von der Schule den Weg in das Comtoir bahnen soll. Er wirft einen Blick in die große Welt, er sieht zugleich, daß die Romantik mit der doppelten italienischen Buchhaltung zwar <hi rendition="#g">ein</hi> Vaterland, aber keine weitre Verwandtschaft hat, er wird das, was wir mehr oder weniger Alle sind, Commis. Einige Jahre vergehen in Zurückgezogenheit und Bescheidenheit. Der junge Mann hat ein schüchternes Wesen; man sieht ihm nicht mehr an, daß er früher für jede Pistole, die er abschießen konnte, einen Schilling zahlte. Emil macht die erste Reise zu einem Geschäftsfreunde seines Vaters. Seitdem wird er ein Mann seines Willens, seiner Kraft und, ohne welches Beides nicht möglich wäre, ein Mann seiner eignen Kasse.</p> <p>Das Stutzern war im achtzehnten Jahrhundert nur </p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0052]
Stirn eine Flamme brennen sehen. Emil trinkt Milch, keinen Thee mehr. Er lernt schwimmen, er ficht sogar und schießt auf dem Schützenhofe alle Samstag sechs Pistolen ab (der Schuß kostet einen Schilling). Ueber seinem Bette wird man auch bald ein paar eigne Pistolen, kreuzweis gelegt, erblicken. Darüber zwei Stoßdegen und eine abgeschmackte Mütze, wie sie unsere Rheinreisenden als die Studentensymbole aus Heidelberg und Bonn mitbringen. Die Nacht hindurch liest der fürchterliche Emil Romane, er lernt Geschichte aus Walter Scott, Geographie aus Cooper. Dieser Enthusiasmus des Frühaufstehens, des Schwimmens und der Abhärtung dauert ein Jahr. Es ist die Zeit, wo Emil sich von der Schule den Weg in das Comtoir bahnen soll. Er wirft einen Blick in die große Welt, er sieht zugleich, daß die Romantik mit der doppelten italienischen Buchhaltung zwar ein Vaterland, aber keine weitre Verwandtschaft hat, er wird das, was wir mehr oder weniger Alle sind, Commis. Einige Jahre vergehen in Zurückgezogenheit und Bescheidenheit. Der junge Mann hat ein schüchternes Wesen; man sieht ihm nicht mehr an, daß er früher für jede Pistole, die er abschießen konnte, einen Schilling zahlte. Emil macht die erste Reise zu einem Geschäftsfreunde seines Vaters. Seitdem wird er ein Mann seines Willens, seiner Kraft und, ohne welches Beides nicht möglich wäre, ein Mann seiner eignen Kasse.
Das Stutzern war im achtzehnten Jahrhundert nur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/52 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/52>, abgerufen am 16.02.2025. |