Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.Sohn, erbte die Neigung seines Vaters und bekam bald jene den Pietisten eigenthümliche fixe Jdee, daß sie sich zu irgend einem großen Zwecke vom heiligen Geiste getrieben glauben. Peter hatte nächtlich seine Visionen, er sah sich auf der Kanzel predigend und lehrend, im schwarzen Leibrock mit der Perrücke; er behauptete, daß ihn der Herr triebe, sein Kreuz zu predigen. Als Weber schlug Peter nicht ein; der Einschlag mißglückte, er verwirrte die Garnfäden seiner Stuhlmaschine, er war zu nichts nütze und verdiente die Ohrfeigen seines Vaters mit Recht. Endlich offenbarte sich Peter einem Geistlichen und erklärte, daß er studiren müsse. Dieser zog einen frommen Kapitalisten zu Rathe und es ergab sich eine kleine Summe, um Peter Schlehsack studiren zu lassen. Er beginnt mit Latein, es setzt sich der alte Bursch unter die kleinen Rangen, die ihn an Klarheit der Auffassung und Gedächtnißkraft bei weitem übertreffen. Mit Mühe steigt er aus der untersten Klasse einige Stufen höher. Es ist die Bewegung eines Faulthiers, das zwar recht fleißig ist, aber die Zeit längst verpaßt hat, wo man etwas lernen kann. Jch sehe Peter Schlehsack vor mir, wie er, der alte Backenbart, wie die Eule unter den Sperlingen sitzt und verspottet und geneckt wird. Sie binden seinen Fuß heimlich an eine Bank an, so daß er, wenn er aufsteht, fallen muß. Sie nehmen ihm seine Ausarbeitungen fort, um ihn den Bestrafungen der Lehrer auszusetzen und sich zu weiden an den Betheurungen seiner Unschuld. Wenn der Lehrer Sohn, erbte die Neigung seines Vaters und bekam bald jene den Pietisten eigenthümliche fixe Jdee, daß sie sich zu irgend einem großen Zwecke vom heiligen Geiste getrieben glauben. Peter hatte nächtlich seine Visionen, er sah sich auf der Kanzel predigend und lehrend, im schwarzen Leibrock mit der Perrücke; er behauptete, daß ihn der Herr triebe, sein Kreuz zu predigen. Als Weber schlug Peter nicht ein; der Einschlag mißglückte, er verwirrte die Garnfäden seiner Stuhlmaschine, er war zu nichts nütze und verdiente die Ohrfeigen seines Vaters mit Recht. Endlich offenbarte sich Peter einem Geistlichen und erklärte, daß er studiren müsse. Dieser zog einen frommen Kapitalisten zu Rathe und es ergab sich eine kleine Summe, um Peter Schlehsack studiren zu lassen. Er beginnt mit Latein, es setzt sich der alte Bursch unter die kleinen Rangen, die ihn an Klarheit der Auffassung und Gedächtnißkraft bei weitem übertreffen. Mit Mühe steigt er aus der untersten Klasse einige Stufen höher. Es ist die Bewegung eines Faulthiers, das zwar recht fleißig ist, aber die Zeit längst verpaßt hat, wo man etwas lernen kann. Jch sehe Peter Schlehsack vor mir, wie er, der alte Backenbart, wie die Eule unter den Sperlingen sitzt und verspottet und geneckt wird. Sie binden seinen Fuß heimlich an eine Bank an, so daß er, wenn er aufsteht, fallen muß. Sie nehmen ihm seine Ausarbeitungen fort, um ihn den Bestrafungen der Lehrer auszusetzen und sich zu weiden an den Betheurungen seiner Unschuld. Wenn der Lehrer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0381" n="353"/> Sohn, erbte die Neigung seines Vaters und bekam bald jene den Pietisten eigenthümliche fixe Jdee, daß sie sich zu irgend einem großen Zwecke vom heiligen Geiste getrieben glauben. Peter hatte nächtlich seine Visionen, er sah sich auf der Kanzel predigend und lehrend, im schwarzen Leibrock mit der Perrücke; er behauptete, daß ihn der Herr triebe, sein Kreuz zu predigen. Als Weber schlug Peter nicht ein; der Einschlag mißglückte, er verwirrte die Garnfäden seiner Stuhlmaschine, er war zu nichts nütze und verdiente die Ohrfeigen seines Vaters mit Recht. Endlich offenbarte sich Peter einem Geistlichen und erklärte, daß er studiren müsse. Dieser zog einen frommen Kapitalisten zu Rathe und es ergab sich eine kleine Summe, um Peter Schlehsack studiren zu lassen. Er beginnt mit Latein, es setzt sich der alte Bursch unter die kleinen Rangen, die ihn an Klarheit der Auffassung und Gedächtnißkraft bei weitem übertreffen. Mit Mühe steigt er aus der untersten Klasse einige Stufen höher. Es ist die Bewegung eines Faulthiers, das zwar recht fleißig ist, aber die Zeit längst verpaßt hat, wo man etwas lernen kann. Jch sehe Peter Schlehsack vor mir, wie er, der alte Backenbart, wie die Eule unter den Sperlingen sitzt und verspottet und geneckt wird. Sie binden seinen Fuß heimlich an eine Bank an, so daß er, wenn er aufsteht, fallen muß. Sie nehmen ihm seine Ausarbeitungen fort, um ihn den Bestrafungen der Lehrer auszusetzen und sich zu weiden an den Betheurungen seiner Unschuld. Wenn der Lehrer </p> </div> </body> </text> </TEI> [353/0381]
Sohn, erbte die Neigung seines Vaters und bekam bald jene den Pietisten eigenthümliche fixe Jdee, daß sie sich zu irgend einem großen Zwecke vom heiligen Geiste getrieben glauben. Peter hatte nächtlich seine Visionen, er sah sich auf der Kanzel predigend und lehrend, im schwarzen Leibrock mit der Perrücke; er behauptete, daß ihn der Herr triebe, sein Kreuz zu predigen. Als Weber schlug Peter nicht ein; der Einschlag mißglückte, er verwirrte die Garnfäden seiner Stuhlmaschine, er war zu nichts nütze und verdiente die Ohrfeigen seines Vaters mit Recht. Endlich offenbarte sich Peter einem Geistlichen und erklärte, daß er studiren müsse. Dieser zog einen frommen Kapitalisten zu Rathe und es ergab sich eine kleine Summe, um Peter Schlehsack studiren zu lassen. Er beginnt mit Latein, es setzt sich der alte Bursch unter die kleinen Rangen, die ihn an Klarheit der Auffassung und Gedächtnißkraft bei weitem übertreffen. Mit Mühe steigt er aus der untersten Klasse einige Stufen höher. Es ist die Bewegung eines Faulthiers, das zwar recht fleißig ist, aber die Zeit längst verpaßt hat, wo man etwas lernen kann. Jch sehe Peter Schlehsack vor mir, wie er, der alte Backenbart, wie die Eule unter den Sperlingen sitzt und verspottet und geneckt wird. Sie binden seinen Fuß heimlich an eine Bank an, so daß er, wenn er aufsteht, fallen muß. Sie nehmen ihm seine Ausarbeitungen fort, um ihn den Bestrafungen der Lehrer auszusetzen und sich zu weiden an den Betheurungen seiner Unschuld. Wenn der Lehrer
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/381>, abgerufen am 28.07.2024. |