Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.und des Kampfes wird es keine Wahrheit, wird es keinen Sieg geben; wir sind gewohnt zu unterliegen, ja, selbst wenn wir siegen ist es nur, weil wir später dafür desto mehr wieder abtreten müssen. Warum hat aber von jeher unsere Politik sich an die Englands gehalten? Weil in keinem Lande dem natürlichen Fortschritte der Aufklärung so viel organische Hemmnisse gegenüberstehen, als dort, weil kein Volk seine Gedanken durch so viel Siebe bringen muß, als das englische. Der Eingeweihte, von dem ich spreche, fuhr fort: "Oesterreich ist weit mehr dazu aufgelegt, zu unterhandeln, als zu streiten, zu vermitteln, als zu entzweien. Oesterreich will die Revolution nicht unterdrücken, sondern nur aufhalten, und ergreift zu diesem Zweck alle nur mögliche Mittel, die eigner und fremder Witz ihm an die Hand geben. Oesterreich kann, weil es das geistige Princip im Lande nicht wie einen stolzen Baum sich ausbreiten und in dem majestätischen Bewußtseyn seiner fruchtreichen Aeste sich wiegen läßt, nur über wenig Talente gebieten. Oesterreich nimmt gern eine gewandte Feder in Sold, doch unterscheidet sich Oesterreich in der Art, wie es eine solche Feder gewinnt, z. B. von Rußland, auf entgegegesetzte Weise. Rußland läßt sich aus Paris einen Journalisten kommen; dieser tritt in Petersburg mit allen Tollheiten seines romantischen Glaubensbekenntnisses auf, spricht nur französisch, verleugnet nicht eine einzige seiner pariser Gewohnheiten, heirathet eine reiche Erbin und kehrt nach Paris zurück, um ein Buch und des Kampfes wird es keine Wahrheit, wird es keinen Sieg geben; wir sind gewohnt zu unterliegen, ja, selbst wenn wir siegen ist es nur, weil wir später dafür desto mehr wieder abtreten müssen. Warum hat aber von jeher unsere Politik sich an die Englands gehalten? Weil in keinem Lande dem natürlichen Fortschritte der Aufklärung so viel organische Hemmnisse gegenüberstehen, als dort, weil kein Volk seine Gedanken durch so viel Siebe bringen muß, als das englische. Der Eingeweihte, von dem ich spreche, fuhr fort: "Oesterreich ist weit mehr dazu aufgelegt, zu unterhandeln, als zu streiten, zu vermitteln, als zu entzweien. Oesterreich will die Revolution nicht unterdrücken, sondern nur aufhalten, und ergreift zu diesem Zweck alle nur mögliche Mittel, die eigner und fremder Witz ihm an die Hand geben. Oesterreich kann, weil es das geistige Princip im Lande nicht wie einen stolzen Baum sich ausbreiten und in dem majestätischen Bewußtseyn seiner fruchtreichen Aeste sich wiegen läßt, nur über wenig Talente gebieten. Oesterreich nimmt gern eine gewandte Feder in Sold, doch unterscheidet sich Oesterreich in der Art, wie es eine solche Feder gewinnt, z. B. von Rußland, auf entgegegesetzte Weise. Rußland läßt sich aus Paris einen Journalisten kommen; dieser tritt in Petersburg mit allen Tollheiten seines romantischen Glaubensbekenntnisses auf, spricht nur französisch, verleugnet nicht eine einzige seiner pariser Gewohnheiten, heirathet eine reiche Erbin und kehrt nach Paris zurück, um ein Buch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0367" n="339"/> und des Kampfes wird es keine Wahrheit, wird es keinen Sieg geben; wir sind gewohnt zu unterliegen, ja, selbst wenn wir siegen ist es nur, weil wir später dafür desto mehr wieder abtreten müssen. Warum hat aber von jeher unsere Politik sich an die Englands gehalten? Weil in keinem Lande dem natürlichen Fortschritte der Aufklärung so viel <hi rendition="#g">organische</hi> Hemmnisse gegenüberstehen, als dort, weil kein Volk seine Gedanken durch so viel Siebe bringen muß, als das englische.</p> <p>Der Eingeweihte, von dem ich spreche, fuhr fort: "Oesterreich ist weit mehr dazu aufgelegt, zu unterhandeln, als zu streiten, zu vermitteln, als zu entzweien. Oesterreich will die Revolution nicht unterdrücken, sondern nur aufhalten, und ergreift zu diesem Zweck alle nur mögliche Mittel, die eigner und fremder Witz ihm an die Hand geben. Oesterreich kann, weil es das geistige Princip im Lande nicht wie einen stolzen Baum sich ausbreiten und in dem majestätischen Bewußtseyn seiner fruchtreichen Aeste sich wiegen läßt, nur über wenig Talente gebieten. Oesterreich nimmt gern eine gewandte Feder in Sold, doch unterscheidet sich Oesterreich in der Art, wie es eine solche Feder gewinnt, z. B. von Rußland, auf entgegegesetzte Weise. Rußland läßt sich aus Paris einen Journalisten kommen; dieser tritt in Petersburg mit allen Tollheiten seines romantischen Glaubensbekenntnisses auf, spricht nur französisch, verleugnet nicht eine einzige seiner pariser Gewohnheiten, heirathet eine reiche Erbin und kehrt nach Paris zurück, um ein Buch </p> </div> </body> </text> </TEI> [339/0367]
und des Kampfes wird es keine Wahrheit, wird es keinen Sieg geben; wir sind gewohnt zu unterliegen, ja, selbst wenn wir siegen ist es nur, weil wir später dafür desto mehr wieder abtreten müssen. Warum hat aber von jeher unsere Politik sich an die Englands gehalten? Weil in keinem Lande dem natürlichen Fortschritte der Aufklärung so viel organische Hemmnisse gegenüberstehen, als dort, weil kein Volk seine Gedanken durch so viel Siebe bringen muß, als das englische.
Der Eingeweihte, von dem ich spreche, fuhr fort: "Oesterreich ist weit mehr dazu aufgelegt, zu unterhandeln, als zu streiten, zu vermitteln, als zu entzweien. Oesterreich will die Revolution nicht unterdrücken, sondern nur aufhalten, und ergreift zu diesem Zweck alle nur mögliche Mittel, die eigner und fremder Witz ihm an die Hand geben. Oesterreich kann, weil es das geistige Princip im Lande nicht wie einen stolzen Baum sich ausbreiten und in dem majestätischen Bewußtseyn seiner fruchtreichen Aeste sich wiegen läßt, nur über wenig Talente gebieten. Oesterreich nimmt gern eine gewandte Feder in Sold, doch unterscheidet sich Oesterreich in der Art, wie es eine solche Feder gewinnt, z. B. von Rußland, auf entgegegesetzte Weise. Rußland läßt sich aus Paris einen Journalisten kommen; dieser tritt in Petersburg mit allen Tollheiten seines romantischen Glaubensbekenntnisses auf, spricht nur französisch, verleugnet nicht eine einzige seiner pariser Gewohnheiten, heirathet eine reiche Erbin und kehrt nach Paris zurück, um ein Buch
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