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Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.

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über Petersburg und Moskau zu schreiben, das drei Monate besprochen wird und dann der Vergessenheit anheim fällt. Rußland hat besoldete Schriftsteller in Paris, London, Frankfurt, in Athen. Sie waren nie in Rußland, sie bekennen sich nicht öffentlich für dasselbe, sie abstrahiren nur ungefähr das russische Jnteresse bei den verschiedenen politischen Fragen, stehen ohne Controle und kassiren alle Quartale ihre Wechsel ein. Mit solchen Diensten gibt sich Oesterreich nicht zufrieden, Oesterreich verlangt eine entschiedene Hingebung; es will nicht blos die Feder, sondern den ganzen Menschen, es will nicht blos seine Meinungen, sondern auch sein ganzes Leben für sich gewinnen. Rußland weiß zu gut, daß jemand, der als griechisch-getaufter Bojar seine Jnteressen im civilisirten Europa vertreten will, von niemand würde angehört werden. Oesterreich aber hat es gern, daß seine literarischen Partisane auf's entschiedenste zur Fahne des Habsburgischen Hauses schwören. Sie müssen nicht den Anschein haben, als wollten sie vermitteln, sondern sollen den Gegensatz mit der ganzen enthusiastischen Schroffheit ausdrücken, welche sogar manche ihrer Anhänger bewogen hat, das protestantische mit dem katholischen Glaubensbekenntniß zu wechseln. Sonst freilich ist Oesterreich eifersüchtig auf die richtige Beurtheilung seiner politischen Stellung. Es hat gern, wenn man es von dem gewöhnlichen Dufte absolutistischer Tendenzen befreit, und erfreut sich auch größtentheils durch ein klug angelegtes im Schach Halten vorstrebender literarischer Köpfe und

über Petersburg und Moskau zu schreiben, das drei Monate besprochen wird und dann der Vergessenheit anheim fällt. Rußland hat besoldete Schriftsteller in Paris, London, Frankfurt, in Athen. Sie waren nie in Rußland, sie bekennen sich nicht öffentlich für dasselbe, sie abstrahiren nur ungefähr das russische Jnteresse bei den verschiedenen politischen Fragen, stehen ohne Controle und kassiren alle Quartale ihre Wechsel ein. Mit solchen Diensten gibt sich Oesterreich nicht zufrieden, Oesterreich verlangt eine entschiedene Hingebung; es will nicht blos die Feder, sondern den ganzen Menschen, es will nicht blos seine Meinungen, sondern auch sein ganzes Leben für sich gewinnen. Rußland weiß zu gut, daß jemand, der als griechisch-getaufter Bojar seine Jnteressen im civilisirten Europa vertreten will, von niemand würde angehört werden. Oesterreich aber hat es gern, daß seine literarischen Partisane auf’s entschiedenste zur Fahne des Habsburgischen Hauses schwören. Sie müssen nicht den Anschein haben, als wollten sie vermitteln, sondern sollen den Gegensatz mit der ganzen enthusiastischen Schroffheit ausdrücken, welche sogar manche ihrer Anhänger bewogen hat, das protestantische mit dem katholischen Glaubensbekenntniß zu wechseln. Sonst freilich ist Oesterreich eifersüchtig auf die richtige Beurtheilung seiner politischen Stellung. Es hat gern, wenn man es von dem gewöhnlichen Dufte absolutistischer Tendenzen befreit, und erfreut sich auch größtentheils durch ein klug angelegtes im Schach Halten vorstrebender literarischer Köpfe und

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über Petersburg und Moskau zu schreiben, das drei Monate besprochen wird und dann der Vergessenheit anheim fällt. Rußland hat besoldete Schriftsteller in Paris, London, Frankfurt, in Athen. Sie waren nie in Rußland, sie bekennen sich nicht öffentlich für dasselbe, sie abstrahiren nur ungefähr das russische Jnteresse bei den verschiedenen politischen Fragen, stehen ohne Controle und kassiren alle Quartale ihre Wechsel ein. Mit solchen Diensten gibt sich Oesterreich nicht zufrieden, Oesterreich verlangt eine entschiedene Hingebung; es will nicht blos die Feder, sondern den ganzen Menschen, es will nicht blos seine Meinungen, sondern auch sein ganzes Leben für sich gewinnen. Rußland weiß zu gut, daß jemand, der als griechisch-getaufter Bojar seine Jnteressen im civilisirten Europa vertreten will, von niemand würde angehört werden. Oesterreich aber hat es gern, daß seine literarischen Partisane auf&#x2019;s entschiedenste zur Fahne des Habsburgischen Hauses schwören. Sie müssen nicht den Anschein haben, als wollten sie vermitteln, sondern sollen den Gegensatz mit der ganzen enthusiastischen Schroffheit ausdrücken, welche sogar manche ihrer Anhänger bewogen hat, das protestantische mit dem katholischen Glaubensbekenntniß zu wechseln. Sonst freilich ist Oesterreich eifersüchtig auf die richtige Beurtheilung seiner politischen Stellung. Es hat gern, wenn man es von dem gewöhnlichen Dufte absolutistischer Tendenzen befreit, und erfreut sich auch größtentheils durch ein klug angelegtes im Schach Halten vorstrebender literarischer Köpfe und
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[340/0368] über Petersburg und Moskau zu schreiben, das drei Monate besprochen wird und dann der Vergessenheit anheim fällt. Rußland hat besoldete Schriftsteller in Paris, London, Frankfurt, in Athen. Sie waren nie in Rußland, sie bekennen sich nicht öffentlich für dasselbe, sie abstrahiren nur ungefähr das russische Jnteresse bei den verschiedenen politischen Fragen, stehen ohne Controle und kassiren alle Quartale ihre Wechsel ein. Mit solchen Diensten gibt sich Oesterreich nicht zufrieden, Oesterreich verlangt eine entschiedene Hingebung; es will nicht blos die Feder, sondern den ganzen Menschen, es will nicht blos seine Meinungen, sondern auch sein ganzes Leben für sich gewinnen. Rußland weiß zu gut, daß jemand, der als griechisch-getaufter Bojar seine Jnteressen im civilisirten Europa vertreten will, von niemand würde angehört werden. Oesterreich aber hat es gern, daß seine literarischen Partisane auf’s entschiedenste zur Fahne des Habsburgischen Hauses schwören. Sie müssen nicht den Anschein haben, als wollten sie vermitteln, sondern sollen den Gegensatz mit der ganzen enthusiastischen Schroffheit ausdrücken, welche sogar manche ihrer Anhänger bewogen hat, das protestantische mit dem katholischen Glaubensbekenntniß zu wechseln. Sonst freilich ist Oesterreich eifersüchtig auf die richtige Beurtheilung seiner politischen Stellung. Es hat gern, wenn man es von dem gewöhnlichen Dufte absolutistischer Tendenzen befreit, und erfreut sich auch größtentheils durch ein klug angelegtes im Schach Halten vorstrebender literarischer Köpfe und

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Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-09-13T12:39:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/368>, abgerufen am 22.11.2024.