Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.mikroskopisch das Wüthen und Gebärden der Ungeheuer wahrnimmt, die nach einer sichtbaren und auf vier Füßen kriechenden Existenz ringen. Wer ahnte, was uns umgibt? Wir trinken jenes fürchterliche Glas Wasser ungescheut. Wir trinken es, weil - uns dürstet; weil wir Bedürfniß fühlen, wie Alles, das lebt. Aber wie schwer wird es werden, in Zukunft zu leben! Eine ungeheure Conkurrenz ist für Eure materiellen Jnteressen da: welche entsetzliche Mittel müßt Jhr schon brauchen, um sie auszuhalten! Jn Euern Fabriken siecht und modert das edle Menschenthum; Kinder, die mit geraden Gliedern auf die Welt kamen, verlassen sie, noch lange nicht am Schlusse des gereiften Mannesalters, mit gekrümmten Gliedern! Eure dampfenden Maschinen sind die fürchterlichen Molochsgötzen, auf welche Jung und Alt geopfert werden! Jhr überbietet Euch gegen einander, bis Jhr ermattet hinsinkt und nicht mehr weiter könnt! Frische Wahnsinnige kommen und setzen da das Beginnen fort, wo Jhr es stehen ließet; es gedeiht aufs Aeußerste: über das Siechthum der Generation, über den Untergang der Sitte und der Moral, über die edelsten Blüthen und Resultate der Jahrhunderte steigt die verwegene Jndustrie fort, um nicht bloß zu existiren, sondern doch mit einer kleinen Nüance zu existiren, um einem Weibe einigen Comfort zu geben, um Kinder doch wenigstens so lange von der Arbeit zu befreien, bis sie ein gewisses Alter erreicht haben. Also nicht einmal um des Luxus willen so außerordentliche mikroskopisch das Wüthen und Gebärden der Ungeheuer wahrnimmt, die nach einer sichtbaren und auf vier Füßen kriechenden Existenz ringen. Wer ahnte, was uns umgibt? Wir trinken jenes fürchterliche Glas Wasser ungescheut. Wir trinken es, weil – uns dürstet; weil wir Bedürfniß fühlen, wie Alles, das lebt. Aber wie schwer wird es werden, in Zukunft zu leben! Eine ungeheure Conkurrenz ist für Eure materiellen Jnteressen da: welche entsetzliche Mittel müßt Jhr schon brauchen, um sie auszuhalten! Jn Euern Fabriken siecht und modert das edle Menschenthum; Kinder, die mit geraden Gliedern auf die Welt kamen, verlassen sie, noch lange nicht am Schlusse des gereiften Mannesalters, mit gekrümmten Gliedern! Eure dampfenden Maschinen sind die fürchterlichen Molochsgötzen, auf welche Jung und Alt geopfert werden! Jhr überbietet Euch gegen einander, bis Jhr ermattet hinsinkt und nicht mehr weiter könnt! Frische Wahnsinnige kommen und setzen da das Beginnen fort, wo Jhr es stehen ließet; es gedeiht aufs Aeußerste: über das Siechthum der Generation, über den Untergang der Sitte und der Moral, über die edelsten Blüthen und Resultate der Jahrhunderte steigt die verwegene Jndustrie fort, um nicht bloß zu existiren, sondern doch mit einer kleinen Nüançe zu existiren, um einem Weibe einigen Comfort zu geben, um Kinder doch wenigstens so lange von der Arbeit zu befreien, bis sie ein gewisses Alter erreicht haben. Also nicht einmal um des Luxus willen so außerordentliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="109"/> mikroskopisch das Wüthen und Gebärden der Ungeheuer wahrnimmt, die nach einer sichtbaren und auf vier Füßen kriechenden Existenz ringen. Wer ahnte, was uns umgibt? Wir trinken jenes fürchterliche Glas Wasser ungescheut. Wir trinken es, weil – uns dürstet; weil wir Bedürfniß fühlen, wie Alles, das lebt. Aber wie schwer wird es werden, in Zukunft zu leben! Eine ungeheure Conkurrenz ist für Eure materiellen Jnteressen da: welche entsetzliche Mittel müßt Jhr schon brauchen, um sie auszuhalten! Jn Euern Fabriken siecht und modert das edle Menschenthum; Kinder, die mit geraden Gliedern auf die Welt kamen, verlassen sie, noch lange nicht am Schlusse des gereiften Mannesalters, mit gekrümmten Gliedern! Eure dampfenden Maschinen sind die fürchterlichen Molochsgötzen, auf welche Jung und Alt geopfert werden! Jhr überbietet Euch gegen einander, bis Jhr ermattet hinsinkt und nicht mehr weiter könnt! Frische Wahnsinnige kommen und setzen da das Beginnen fort, wo Jhr es stehen ließet; es gedeiht aufs Aeußerste: über das Siechthum der Generation, über den Untergang der Sitte und der Moral, über die edelsten Blüthen und Resultate der Jahrhunderte steigt die verwegene Jndustrie fort, um nicht bloß zu existiren, sondern doch mit einer kleinen Nüançe zu existiren, um einem Weibe einigen Comfort zu geben, um Kinder doch wenigstens so lange von der Arbeit zu befreien, bis sie ein gewisses Alter erreicht haben. Also nicht einmal um des Luxus willen so außerordentliche </p> </div> </body> </text> </TEI> [109/0137]
mikroskopisch das Wüthen und Gebärden der Ungeheuer wahrnimmt, die nach einer sichtbaren und auf vier Füßen kriechenden Existenz ringen. Wer ahnte, was uns umgibt? Wir trinken jenes fürchterliche Glas Wasser ungescheut. Wir trinken es, weil – uns dürstet; weil wir Bedürfniß fühlen, wie Alles, das lebt. Aber wie schwer wird es werden, in Zukunft zu leben! Eine ungeheure Conkurrenz ist für Eure materiellen Jnteressen da: welche entsetzliche Mittel müßt Jhr schon brauchen, um sie auszuhalten! Jn Euern Fabriken siecht und modert das edle Menschenthum; Kinder, die mit geraden Gliedern auf die Welt kamen, verlassen sie, noch lange nicht am Schlusse des gereiften Mannesalters, mit gekrümmten Gliedern! Eure dampfenden Maschinen sind die fürchterlichen Molochsgötzen, auf welche Jung und Alt geopfert werden! Jhr überbietet Euch gegen einander, bis Jhr ermattet hinsinkt und nicht mehr weiter könnt! Frische Wahnsinnige kommen und setzen da das Beginnen fort, wo Jhr es stehen ließet; es gedeiht aufs Aeußerste: über das Siechthum der Generation, über den Untergang der Sitte und der Moral, über die edelsten Blüthen und Resultate der Jahrhunderte steigt die verwegene Jndustrie fort, um nicht bloß zu existiren, sondern doch mit einer kleinen Nüançe zu existiren, um einem Weibe einigen Comfort zu geben, um Kinder doch wenigstens so lange von der Arbeit zu befreien, bis sie ein gewisses Alter erreicht haben. Also nicht einmal um des Luxus willen so außerordentliche
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/137>, abgerufen am 28.07.2024. |