Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842.eine Form gibt, die man nur mit den schönen, sanft in einander laufenden Linien einer antiken Säule vergleichen kann. Die Bildung muß mit dem allgemein Menschlichen beginnen, die Moral mit dem Enthusiasmus, die Religion mit dem Stolze. Die Gelehrsamkeit muß mit allen unseren Existenzen ausgeglichen werden und nur insofern, als sie Philologie ist, das Separateigenthum einer Kaste bleiben. Es muß eine Fundamentalunterlage für die Cultur einer ganzen Nation geben, die alle Menschen in dem, was sie für wahr, gut, schön und nützlich halten, ganz und gar einander gleichstellt, so daß die Voraussetzungen, die später darauf gepflanzten beliebigen Jdeen und Projekte bei allen stimmfähigen Jndividuen der Nation dieselben sind. Dann wird es nicht mehr möglich seyn, daß die Menge von revolutionärem Schwindel beseelt ist, daß einzelne Charlatane auftreten und Anhang bei der blinden ununterrichteten Masse finden. Separatismus und Conspiration sind unerhört, wo sich die Menschen in einer ebenbürtigen Reciprozität ihrer Ansichten und Bedürfnisse befinden. Das würde die Revolution verhindern, aber freilich ohne eine vorhergegangene Revolution nicht geschehen können. Gewaltthätigkeit ist jedoch auch hier nicht die Form, unter welcher meine Prophezeihung auftreten dürfte. Was ich vorhersehe, ist das Produkt einer unzufriedenen Mißstimmung, die aber, wenn sie sich mit dem Wunsche der Verbesserung äußern soll, dann von Allen wird eine Form gibt, die man nur mit den schönen, sanft in einander laufenden Linien einer antiken Säule vergleichen kann. Die Bildung muß mit dem allgemein Menschlichen beginnen, die Moral mit dem Enthusiasmus, die Religion mit dem Stolze. Die Gelehrsamkeit muß mit allen unseren Existenzen ausgeglichen werden und nur insofern, als sie Philologie ist, das Separateigenthum einer Kaste bleiben. Es muß eine Fundamentalunterlage für die Cultur einer ganzen Nation geben, die alle Menschen in dem, was sie für wahr, gut, schön und nützlich halten, ganz und gar einander gleichstellt, so daß die Voraussetzungen, die später darauf gepflanzten beliebigen Jdeen und Projekte bei allen stimmfähigen Jndividuen der Nation dieselben sind. Dann wird es nicht mehr möglich seyn, daß die Menge von revolutionärem Schwindel beseelt ist, daß einzelne Charlatane auftreten und Anhang bei der blinden ununterrichteten Masse finden. Separatismus und Conspiration sind unerhört, wo sich die Menschen in einer ebenbürtigen Reciprozität ihrer Ansichten und Bedürfnisse befinden. Das würde die Revolution verhindern, aber freilich ohne eine vorhergegangene Revolution nicht geschehen können. Gewaltthätigkeit ist jedoch auch hier nicht die Form, unter welcher meine Prophezeihung auftreten dürfte. Was ich vorhersehe, ist das Produkt einer unzufriedenen Mißstimmung, die aber, wenn sie sich mit dem Wunsche der Verbesserung äußern soll, dann von Allen wird <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="72"/> eine Form gibt, die man nur mit den schönen, sanft in einander laufenden Linien einer antiken Säule vergleichen kann. Die Bildung muß mit dem allgemein Menschlichen beginnen, die Moral mit dem Enthusiasmus, die Religion mit dem Stolze. Die Gelehrsamkeit muß mit allen unseren Existenzen ausgeglichen werden und nur insofern, als sie Philologie ist, das Separateigenthum einer Kaste bleiben. Es muß eine Fundamentalunterlage für die Cultur einer ganzen Nation geben, die alle Menschen in dem, was sie für wahr, gut, schön und nützlich halten, ganz und gar einander gleichstellt, so daß die Voraussetzungen, die später darauf gepflanzten beliebigen Jdeen und Projekte bei allen stimmfähigen Jndividuen der Nation dieselben sind. Dann wird es nicht mehr möglich seyn, daß die Menge von revolutionärem Schwindel beseelt ist, daß einzelne Charlatane auftreten und Anhang bei der blinden ununterrichteten Masse finden. Separatismus und Conspiration sind unerhört, wo sich die Menschen in einer ebenbürtigen Reciprozität ihrer Ansichten und Bedürfnisse befinden. Das würde die Revolution verhindern, aber freilich ohne eine vorhergegangene Revolution nicht geschehen können.</p> <p>Gewaltthätigkeit ist jedoch auch hier nicht die Form, unter welcher meine Prophezeihung auftreten dürfte. Was ich vorhersehe, ist das Produkt einer unzufriedenen Mißstimmung, die aber, wenn sie sich mit dem Wunsche der Verbesserung äußern soll, dann von Allen wird </p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0100]
eine Form gibt, die man nur mit den schönen, sanft in einander laufenden Linien einer antiken Säule vergleichen kann. Die Bildung muß mit dem allgemein Menschlichen beginnen, die Moral mit dem Enthusiasmus, die Religion mit dem Stolze. Die Gelehrsamkeit muß mit allen unseren Existenzen ausgeglichen werden und nur insofern, als sie Philologie ist, das Separateigenthum einer Kaste bleiben. Es muß eine Fundamentalunterlage für die Cultur einer ganzen Nation geben, die alle Menschen in dem, was sie für wahr, gut, schön und nützlich halten, ganz und gar einander gleichstellt, so daß die Voraussetzungen, die später darauf gepflanzten beliebigen Jdeen und Projekte bei allen stimmfähigen Jndividuen der Nation dieselben sind. Dann wird es nicht mehr möglich seyn, daß die Menge von revolutionärem Schwindel beseelt ist, daß einzelne Charlatane auftreten und Anhang bei der blinden ununterrichteten Masse finden. Separatismus und Conspiration sind unerhört, wo sich die Menschen in einer ebenbürtigen Reciprozität ihrer Ansichten und Bedürfnisse befinden. Das würde die Revolution verhindern, aber freilich ohne eine vorhergegangene Revolution nicht geschehen können.
Gewaltthätigkeit ist jedoch auch hier nicht die Form, unter welcher meine Prophezeihung auftreten dürfte. Was ich vorhersehe, ist das Produkt einer unzufriedenen Mißstimmung, die aber, wenn sie sich mit dem Wunsche der Verbesserung äußern soll, dann von Allen wird
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die Zeitgenossen. 1. Bd. 2. Aufl. Pforzheim, 1842, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_zeitgenossen01_1842/100>, abgerufen am 16.02.2025. |