in nichts sind wir aber übertriebener, als in unsern Forderungen. Ist es erhört, was der Enthusiasmus nicht alles in den gefühlvollen Beziehungen der Geschlechter oder in der Freund¬ schaft zu entdecken glaubte! Wer kann das alles leisten! Wer kann so unhöflich sein, alle diese Leistungen in Anspruch nehmen? Sa¬ gen Sie!"
"Ich habe vergessen, Rumohr zu lesen;" antwortete Wally.
"Rumohr!" sprach Cäsar; "Rumohr hatte vielleicht Anstand, aber nicht Geist und Muth genug, eine Schule der Höflichkeit zu schreiben. Rumohr glaubt an seine Vorschriften und scheut sich doch, die meisten davon anders, als in einem gewissen Helldunkel zu geben. Rumohr glaubte, er müsse sich immer noch eine Hinter¬ thür offen lassen, um nicht für einen Fant zu gelten. Auch ist dieser Mann so sehr in die Classicität verrannt, daß er alle Tugenden und
in nichts ſind wir aber übertriebener, als in unſern Forderungen. Iſt es erhört, was der Enthuſiasmus nicht alles in den gefühlvollen Beziehungen der Geſchlechter oder in der Freund¬ ſchaft zu entdecken glaubte! Wer kann das alles leiſten! Wer kann ſo unhöflich ſein, alle dieſe Leiſtungen in Anſpruch nehmen? Sa¬ gen Sie!“
„Ich habe vergeſſen, Rumohr zu leſen;“ antwortete Wally.
„Rumohr!“ ſprach Cäſar; „Rumohr hatte vielleicht Anſtand, aber nicht Geiſt und Muth genug, eine Schule der Höflichkeit zu ſchreiben. Rumohr glaubt an ſeine Vorſchriften und ſcheut ſich doch, die meiſten davon anders, als in einem gewiſſen Helldunkel zu geben. Rumohr glaubte, er müſſe ſich immer noch eine Hinter¬ thür offen laſſen, um nicht für einen Fant zu gelten. Auch iſt dieſer Mann ſo ſehr in die Claſſicität verrannt, daß er alle Tugenden und
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in nichts ſind wir aber übertriebener, als in
unſern Forderungen. Iſt es erhört, was der
Enthuſiasmus nicht alles in den gefühlvollen
Beziehungen der Geſchlechter oder in der Freund¬
ſchaft zu entdecken glaubte! Wer kann das
alles leiſten! Wer kann ſo unhöflich ſein, alle
dieſe Leiſtungen in Anſpruch nehmen? Sa¬
gen Sie!“
„Ich habe vergeſſen, Rumohr zu leſen;“
antwortete Wally.
„Rumohr!“ ſprach Cäſar; „Rumohr hatte
vielleicht Anſtand, aber nicht Geiſt und Muth
genug, eine Schule der Höflichkeit zu ſchreiben.
Rumohr glaubt an ſeine Vorſchriften und ſcheut
ſich doch, die meiſten davon anders, als in
einem gewiſſen Helldunkel zu geben. Rumohr
glaubte, er müſſe ſich immer noch eine Hinter¬
thür offen laſſen, um nicht für einen Fant zu
gelten. Auch iſt dieſer Mann ſo ſehr in die
Claſſicität verrannt, daß er alle Tugenden und
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/37>, abgerufen am 24.11.2024.
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