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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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spricht, nimmt den Ausdruck des Zarten, Scho¬
nenden und Bittenden an. Bittend sind die
meisten Töne ihres Lautregisters. Nichts kann
hinreißender sein, als dies flehende, mit einer
gewissen lächelnden und doch schmerzlichen Selbst¬
ironie hervorgebrachte: O Gott! womit sie so
vieles begleitet, was sie spricht. O Gott!
Dieser Ausdruck soll ihr ewiges Ueberwunden¬
sein, ihre Hingebung an die Menschheit, an die
sie glaubt, ausdrücken. Wer könnte widerste¬
hen, wo solche Töne anschlagen! Delphine ist
so willenlos, daß sie die Beute jeder pronon¬
cirten Absicht wird. Mit liebenswürdiger Nai¬
vetät gestand sie mir einst: Sie würde Jeden
lieben, der sie liebt. O wie nöthig ist es, bei
einer solchen Willensschwäche, daß sie in die
Hut eines Mannes kömmt, der so viel geisti¬
ges Leben besitzt, um sie ganz durchströmen zu
können mit seiner eignen Willenskraft! Del¬
phine liebte unglücklich, mehrmals; aber sie ist

ſpricht, nimmt den Ausdruck des Zarten, Scho¬
nenden und Bittenden an. Bittend ſind die
meiſten Töne ihres Lautregiſters. Nichts kann
hinreißender ſein, als dies flehende, mit einer
gewiſſen lächelnden und doch ſchmerzlichen Selbſt¬
ironie hervorgebrachte: O Gott! womit ſie ſo
vieles begleitet, was ſie ſpricht. O Gott!
Dieſer Ausdruck ſoll ihr ewiges Ueberwunden¬
ſein, ihre Hingebung an die Menſchheit, an die
ſie glaubt, ausdrücken. Wer könnte widerſte¬
hen, wo ſolche Töne anſchlagen! Delphine iſt
ſo willenlos, daß ſie die Beute jeder pronon¬
cirten Abſicht wird. Mit liebenswürdiger Nai¬
vetät geſtand ſie mir einſt: Sie würde Jeden
lieben, der ſie liebt. O wie nöthig iſt es, bei
einer ſolchen Willensſchwäche, daß ſie in die
Hut eines Mannes kömmt, der ſo viel geiſti¬
ges Leben beſitzt, um ſie ganz durchſtrömen zu
können mit ſeiner eignen Willenskraft! Del¬
phine liebte unglücklich, mehrmals; aber ſie iſt

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[208/0217] ſpricht, nimmt den Ausdruck des Zarten, Scho¬ nenden und Bittenden an. Bittend ſind die meiſten Töne ihres Lautregiſters. Nichts kann hinreißender ſein, als dies flehende, mit einer gewiſſen lächelnden und doch ſchmerzlichen Selbſt¬ ironie hervorgebrachte: O Gott! womit ſie ſo vieles begleitet, was ſie ſpricht. O Gott! Dieſer Ausdruck ſoll ihr ewiges Ueberwunden¬ ſein, ihre Hingebung an die Menſchheit, an die ſie glaubt, ausdrücken. Wer könnte widerſte¬ hen, wo ſolche Töne anſchlagen! Delphine iſt ſo willenlos, daß ſie die Beute jeder pronon¬ cirten Abſicht wird. Mit liebenswürdiger Nai¬ vetät geſtand ſie mir einſt: Sie würde Jeden lieben, der ſie liebt. O wie nöthig iſt es, bei einer ſolchen Willensſchwäche, daß ſie in die Hut eines Mannes kömmt, der ſo viel geiſti¬ ges Leben beſitzt, um ſie ganz durchſtrömen zu können mit ſeiner eignen Willenskraft! Del¬ phine liebte unglücklich, mehrmals; aber ſie iſt

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/217>, abgerufen am 24.11.2024.