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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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der glänzendsten Lage, bist reich, jung, hast
eine ausgesuchte Bildung; warum entziehst du
dich der Gesellschaft? Warum diese schlechte
Wohnung, die dich um deine Annehmlichkeiten
und mich um meinen Credit bringt? Warum
dieser vernachläßigte Aufzug, welcher eher dem
eines Industrieritters und Bankeruttiers gleicht,
als dem Range und dem Geiste, den du besitzest?"

"Du bist sehr boshaft, Bruder!" sagte
Jeronimo, den ein Vernunftfunke durchleuch¬
tete. "Wenn ich mich vernachläßige, so bist
du Schuld daran, meine Liebe wahrlich nicht,
welche nur dazu dient, das Unglückliche meiner
Lage mich weniger herb fühlen zu lassen. Wer
spiegelt mir die ungeheuern Verluste vor, die
mein Vermögen soll erlitten haben?"

"Ungerechte Beschuldigung!"

"O sieh', Jeronimo! ich blicke tief in dein
Inneres. Dein Geiz ist die Triebfeder deiner
Schlechtigkeit. Du hast dir immer das Ansehen

der glänzendſten Lage, biſt reich, jung, haſt
eine ausgeſuchte Bildung; warum entziehſt du
dich der Geſellſchaft? Warum dieſe ſchlechte
Wohnung, die dich um deine Annehmlichkeiten
und mich um meinen Credit bringt? Warum
dieſer vernachläßigte Aufzug, welcher eher dem
eines Induſtrieritters und Bankeruttiers gleicht,
als dem Range und dem Geiſte, den du beſitzeſt?“

„Du biſt ſehr boshaft, Bruder!“ ſagte
Jeronimo, den ein Vernunftfunke durchleuch¬
tete. „Wenn ich mich vernachläßige, ſo biſt
du Schuld daran, meine Liebe wahrlich nicht,
welche nur dazu dient, das Unglückliche meiner
Lage mich weniger herb fühlen zu laſſen. Wer
ſpiegelt mir die ungeheuern Verluſte vor, die
mein Vermögen ſoll erlitten haben?“

„Ungerechte Beſchuldigung!“

„O ſieh', Jeronimo! ich blicke tief in dein
Inneres. Dein Geiz iſt die Triebfeder deiner
Schlechtigkeit. Du haſt dir immer das Anſehen

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[174/0183] der glänzendſten Lage, biſt reich, jung, haſt eine ausgeſuchte Bildung; warum entziehſt du dich der Geſellſchaft? Warum dieſe ſchlechte Wohnung, die dich um deine Annehmlichkeiten und mich um meinen Credit bringt? Warum dieſer vernachläßigte Aufzug, welcher eher dem eines Induſtrieritters und Bankeruttiers gleicht, als dem Range und dem Geiſte, den du beſitzeſt?“ „Du biſt ſehr boshaft, Bruder!“ ſagte Jeronimo, den ein Vernunftfunke durchleuch¬ tete. „Wenn ich mich vernachläßige, ſo biſt du Schuld daran, meine Liebe wahrlich nicht, welche nur dazu dient, das Unglückliche meiner Lage mich weniger herb fühlen zu laſſen. Wer ſpiegelt mir die ungeheuern Verluſte vor, die mein Vermögen ſoll erlitten haben?“ „Ungerechte Beſchuldigung!“ „O ſieh', Jeronimo! ich blicke tief in dein Inneres. Dein Geiz iſt die Triebfeder deiner Schlechtigkeit. Du haſt dir immer das Anſehen

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/183>, abgerufen am 25.11.2024.