Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Ja, wallte Ada auf, mit diesen alten Citaten verderben wir uns das ganze Leben! Dies Dasein ist uns nur Einmal gegeben! Wer glaubt denn noch heute an's Jenseits, wenn er nicht Schwärmer oder ein Pfaff ist? Ottomar blieb stehen. Er war erstarrt, sah Ada groß an und sagte leise: Ada, wenn man liebt, muß man an ein Jenseits glauben! Der Bund der Herzen muß für die Ewigkeit sein! Gott! Gott! rief Ada wie verzweifelt aus. Ich habe meinen Vater sterben sehen! Sterben an einer Wunde, die ihm Graf Wilhelm beigebracht hat! Ich sah offenbar, daß wir Menschen vollständig wie Maschinen sind, Präparate der Natur, die still stehen, wie eine nicht mehr aufgezogene Uhr. Sich zu denken, daß aus dem Hirn, das sich schon in den letzten Augenblicken gar nicht mehr in der Gewalt hat, ein Seraph aufsteigt, der Alles das, was wir in unserer besten Zeit gewesen, in eine andere Welt hinüberträgt, das ist ja gradezu kindisch geworden! Mit den Pfarrern habe ich nur Mitleid gehabt, wenn ich ihnen das nicht offen sagte. Die Armen sind einmal für den Wahnglauben angestellt und mit ihrer Existenz angewiesen, das fortzupflanzen, was sich nur bei den wilden Völkern findet. So hat Sie die Opposition gegen Ihre Frau Mutter in Harnisch gebracht? antwortete Ottomar voll Erstaunen. Ja, wallte Ada auf, mit diesen alten Citaten verderben wir uns das ganze Leben! Dies Dasein ist uns nur Einmal gegeben! Wer glaubt denn noch heute an’s Jenseits, wenn er nicht Schwärmer oder ein Pfaff ist? Ottomar blieb stehen. Er war erstarrt, sah Ada groß an und sagte leise: Ada, wenn man liebt, muß man an ein Jenseits glauben! Der Bund der Herzen muß für die Ewigkeit sein! Gott! Gott! rief Ada wie verzweifelt aus. Ich habe meinen Vater sterben sehen! Sterben an einer Wunde, die ihm Graf Wilhelm beigebracht hat! Ich sah offenbar, daß wir Menschen vollständig wie Maschinen sind, Präparate der Natur, die still stehen, wie eine nicht mehr aufgezogene Uhr. Sich zu denken, daß aus dem Hirn, das sich schon in den letzten Augenblicken gar nicht mehr in der Gewalt hat, ein Seraph aufsteigt, der Alles das, was wir in unserer besten Zeit gewesen, in eine andere Welt hinüberträgt, das ist ja gradezu kindisch geworden! Mit den Pfarrern habe ich nur Mitleid gehabt, wenn ich ihnen das nicht offen sagte. Die Armen sind einmal für den Wahnglauben angestellt und mit ihrer Existenz angewiesen, das fortzupflanzen, was sich nur bei den wilden Völkern findet. So hat Sie die Opposition gegen Ihre Frau Mutter in Harnisch gebracht? antwortete Ottomar voll Erstaunen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0076" n="70"/> <p> Ja, wallte Ada auf, mit diesen alten Citaten verderben wir uns das ganze Leben! Dies Dasein ist uns nur Einmal gegeben! Wer glaubt denn noch heute an’s Jenseits, wenn er nicht Schwärmer oder ein Pfaff ist?</p> <p>Ottomar blieb stehen. Er war erstarrt, sah Ada groß an und sagte leise: Ada, wenn man liebt, muß man an ein Jenseits glauben! Der Bund der Herzen muß für die Ewigkeit sein!</p> <p>Gott! Gott! rief Ada wie verzweifelt aus. Ich habe meinen Vater sterben sehen! Sterben an einer Wunde, die ihm Graf Wilhelm beigebracht hat! Ich sah offenbar, daß wir Menschen vollständig wie Maschinen sind, Präparate der Natur, die still stehen, wie eine nicht mehr aufgezogene Uhr. Sich zu denken, daß aus dem Hirn, das sich schon in den letzten Augenblicken gar nicht mehr in der Gewalt hat, ein Seraph aufsteigt, der Alles das, was wir in unserer besten Zeit gewesen, in eine andere Welt hinüberträgt, das ist ja gradezu kindisch geworden! Mit den Pfarrern habe ich nur Mitleid gehabt, wenn ich ihnen das nicht offen sagte. Die Armen sind einmal für den Wahnglauben angestellt und mit ihrer Existenz angewiesen, das fortzupflanzen, was sich nur bei den wilden Völkern findet.</p> <p>So hat Sie die Opposition gegen Ihre Frau Mutter in Harnisch gebracht? antwortete Ottomar voll Erstaunen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [70/0076]
Ja, wallte Ada auf, mit diesen alten Citaten verderben wir uns das ganze Leben! Dies Dasein ist uns nur Einmal gegeben! Wer glaubt denn noch heute an’s Jenseits, wenn er nicht Schwärmer oder ein Pfaff ist?
Ottomar blieb stehen. Er war erstarrt, sah Ada groß an und sagte leise: Ada, wenn man liebt, muß man an ein Jenseits glauben! Der Bund der Herzen muß für die Ewigkeit sein!
Gott! Gott! rief Ada wie verzweifelt aus. Ich habe meinen Vater sterben sehen! Sterben an einer Wunde, die ihm Graf Wilhelm beigebracht hat! Ich sah offenbar, daß wir Menschen vollständig wie Maschinen sind, Präparate der Natur, die still stehen, wie eine nicht mehr aufgezogene Uhr. Sich zu denken, daß aus dem Hirn, das sich schon in den letzten Augenblicken gar nicht mehr in der Gewalt hat, ein Seraph aufsteigt, der Alles das, was wir in unserer besten Zeit gewesen, in eine andere Welt hinüberträgt, das ist ja gradezu kindisch geworden! Mit den Pfarrern habe ich nur Mitleid gehabt, wenn ich ihnen das nicht offen sagte. Die Armen sind einmal für den Wahnglauben angestellt und mit ihrer Existenz angewiesen, das fortzupflanzen, was sich nur bei den wilden Völkern findet.
So hat Sie die Opposition gegen Ihre Frau Mutter in Harnisch gebracht? antwortete Ottomar voll Erstaunen.
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