Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.innern Vulkans, der nur Pech und Schwefel barg. Diesen Regungen der Malice auf Gott und die Welt gab er, je unheilbarer sich sein Leiden herausstellte, hochtönende Namen. Im Grunde war das Ueberwiegende die Verzweiflung um seine Gesundheit, die ihn befallen hatte. Er wollte dem Unvermeidlichen, dem Gefahrenwerden im Rollstuhle trotzen. Und seine Frau! Diese zärtliche Hälfte -! Mit der größten Gleichgültigkeit konnte sie sehen, daß der Arzt kam und ging und bedenklich die Augenbrauen in die Höhe zog. Sie hatte das Evangelium der neuen Zeit: Behaupte dich nur selbst und sieh zu, wie weit du's persönlich bringst! Ihr jetzt wieder in Schwung gekommenes Wohlergehen genoß sie wie eine förmliche Aufgabe. Aber außer Herrschsucht und Brutalität der Bewohner des oberen Stockwerkes gab es auch für Martha als schwere Bürde den sichtlichen Rückfall ihres Bruders in die alten Bahnen. Es waren nicht die Bahnen des Zusammengehens mit den alten Genossen aus den Vereinen. Dafür hielt er sich jetzt für zu vornehm. Er glaubte sich von seinen Verpflichtungen für die sociale Frage abgekauft zu haben durch die "progressive Rente", einen Antheil der Arbeiter am reinen Gewinn. Gleich Anfangs hatte man diese Bedingung im Verwaltungsrath für die unausstehlichste erklärt, die einem Unternehmen innern Vulkans, der nur Pech und Schwefel barg. Diesen Regungen der Malice auf Gott und die Welt gab er, je unheilbarer sich sein Leiden herausstellte, hochtönende Namen. Im Grunde war das Ueberwiegende die Verzweiflung um seine Gesundheit, die ihn befallen hatte. Er wollte dem Unvermeidlichen, dem Gefahrenwerden im Rollstuhle trotzen. Und seine Frau! Diese zärtliche Hälfte –! Mit der größten Gleichgültigkeit konnte sie sehen, daß der Arzt kam und ging und bedenklich die Augenbrauen in die Höhe zog. Sie hatte das Evangelium der neuen Zeit: Behaupte dich nur selbst und sieh zu, wie weit du’s persönlich bringst! Ihr jetzt wieder in Schwung gekommenes Wohlergehen genoß sie wie eine förmliche Aufgabe. Aber außer Herrschsucht und Brutalität der Bewohner des oberen Stockwerkes gab es auch für Martha als schwere Bürde den sichtlichen Rückfall ihres Bruders in die alten Bahnen. Es waren nicht die Bahnen des Zusammengehens mit den alten Genossen aus den Vereinen. Dafür hielt er sich jetzt für zu vornehm. Er glaubte sich von seinen Verpflichtungen für die sociale Frage abgekauft zu haben durch die „progressive Rente“, einen Antheil der Arbeiter am reinen Gewinn. Gleich Anfangs hatte man diese Bedingung im Verwaltungsrath für die unausstehlichste erklärt, die einem Unternehmen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="126"/> innern Vulkans, der nur Pech und Schwefel barg. Diesen Regungen der Malice auf Gott und die Welt gab er, je unheilbarer sich sein Leiden herausstellte, hochtönende Namen. Im Grunde war das Ueberwiegende die Verzweiflung um seine Gesundheit, die ihn befallen hatte. Er wollte dem Unvermeidlichen, dem Gefahrenwerden im Rollstuhle trotzen. Und seine Frau! Diese zärtliche Hälfte –! Mit der größten Gleichgültigkeit konnte sie sehen, daß der Arzt kam und ging und bedenklich die Augenbrauen in die Höhe zog. Sie hatte das Evangelium der neuen Zeit: Behaupte dich nur selbst und sieh zu, wie weit du’s persönlich bringst! Ihr jetzt wieder in Schwung gekommenes Wohlergehen genoß sie wie eine förmliche Aufgabe.</p> <p>Aber außer Herrschsucht und Brutalität der Bewohner des oberen Stockwerkes gab es auch für Martha als schwere Bürde den sichtlichen Rückfall ihres Bruders in die alten Bahnen. Es waren nicht die Bahnen des Zusammengehens mit den alten Genossen aus den Vereinen. Dafür hielt er sich jetzt für zu vornehm. Er glaubte sich von seinen Verpflichtungen für die sociale Frage abgekauft zu haben <ref xml:id="TEXTdurchdieBISGewinn" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLdurchdieBISGewinn">durch die „progressive Rente“, einen Antheil der Arbeiter am reinen Gewinn</ref>. Gleich Anfangs hatte man diese Bedingung im Verwaltungsrath für die unausstehlichste erklärt, die einem Unternehmen </p> </div> </body> </text> </TEI> [126/0132]
innern Vulkans, der nur Pech und Schwefel barg. Diesen Regungen der Malice auf Gott und die Welt gab er, je unheilbarer sich sein Leiden herausstellte, hochtönende Namen. Im Grunde war das Ueberwiegende die Verzweiflung um seine Gesundheit, die ihn befallen hatte. Er wollte dem Unvermeidlichen, dem Gefahrenwerden im Rollstuhle trotzen. Und seine Frau! Diese zärtliche Hälfte –! Mit der größten Gleichgültigkeit konnte sie sehen, daß der Arzt kam und ging und bedenklich die Augenbrauen in die Höhe zog. Sie hatte das Evangelium der neuen Zeit: Behaupte dich nur selbst und sieh zu, wie weit du’s persönlich bringst! Ihr jetzt wieder in Schwung gekommenes Wohlergehen genoß sie wie eine förmliche Aufgabe.
Aber außer Herrschsucht und Brutalität der Bewohner des oberen Stockwerkes gab es auch für Martha als schwere Bürde den sichtlichen Rückfall ihres Bruders in die alten Bahnen. Es waren nicht die Bahnen des Zusammengehens mit den alten Genossen aus den Vereinen. Dafür hielt er sich jetzt für zu vornehm. Er glaubte sich von seinen Verpflichtungen für die sociale Frage abgekauft zu haben durch die „progressive Rente“, einen Antheil der Arbeiter am reinen Gewinn. Gleich Anfangs hatte man diese Bedingung im Verwaltungsrath für die unausstehlichste erklärt, die einem Unternehmen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/132 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/132>, abgerufen am 16.02.2025. |