Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.nur gestellt werden könnte. Soll ich meine unangenehmen Erfahrungen an die große Glocke hängen? hatte Meyer Cohn gerufen. Aber Ehlerdt war nicht anders zu gewinnen und Rabe und Forbeck bestanden unbedingt auf seine Anstellung. Es galt den Schein zu vermeiden, als gäbe man den gefährlichen alten Genossen auf. Die ersten lockenden Zinsen wurden - vom Capital genommen! Bald aber gab es Reibungen zwischen Verwaltungsrath und technischer Direction. Ehlerdts Trieb, Alles großartig anzufassen, kostete Geld. Keine Concurrenz sollte gescheut werden. In seiner Art gab er sich, wenn er in die Säle kam, wo es dröhnte, hämmerte, ohrzerreißende Töne von den Eisenbohrern hervorgebracht wurden, wie ein Feldherr, der nur verurtheilt war, mit zu kleinen Armeen siegen zu sollen. Das machte ihn dann reizbar und an seiner Schwester tobte er schon wieder seinen Mißmuth so oft aus, daß diese nicht länger bei ihm bleiben mochte, zumal wenn er in die Worte ausbrach, wie: Warum erklärt sich denn dieser Narr, Dein verrückter Professor, nicht? Welcher Mensch von Verstand und Herz reist denn so in die Welt hinaus, ohne ein Wort von sich hören zu lassen? Ein Trauerjahr halten! Dummer, alter, einfältiger Zopf, den wir den Juden verdanken! Die Juden ruiniren ein Jahr lang ihre Gesundheit, lassen den Bart wachsen, gehen nicht in's Theater, kasteien sich nur gestellt werden könnte. Soll ich meine unangenehmen Erfahrungen an die große Glocke hängen? hatte Meyer Cohn gerufen. Aber Ehlerdt war nicht anders zu gewinnen und Rabe und Forbeck bestanden unbedingt auf seine Anstellung. Es galt den Schein zu vermeiden, als gäbe man den gefährlichen alten Genossen auf. Die ersten lockenden Zinsen wurden – vom Capital genommen! Bald aber gab es Reibungen zwischen Verwaltungsrath und technischer Direction. Ehlerdts Trieb, Alles großartig anzufassen, kostete Geld. Keine Concurrenz sollte gescheut werden. In seiner Art gab er sich, wenn er in die Säle kam, wo es dröhnte, hämmerte, ohrzerreißende Töne von den Eisenbohrern hervorgebracht wurden, wie ein Feldherr, der nur verurtheilt war, mit zu kleinen Armeen siegen zu sollen. Das machte ihn dann reizbar und an seiner Schwester tobte er schon wieder seinen Mißmuth so oft aus, daß diese nicht länger bei ihm bleiben mochte, zumal wenn er in die Worte ausbrach, wie: Warum erklärt sich denn dieser Narr, Dein verrückter Professor, nicht? Welcher Mensch von Verstand und Herz reist denn so in die Welt hinaus, ohne ein Wort von sich hören zu lassen? Ein Trauerjahr halten! Dummer, alter, einfältiger Zopf, den wir den Juden verdanken! Die Juden ruiniren ein Jahr lang ihre Gesundheit, lassen den Bart wachsen, gehen nicht in’s Theater, kasteien sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0133" n="127"/> nur gestellt werden könnte. Soll ich meine unangenehmen Erfahrungen an die große Glocke hängen? hatte Meyer Cohn gerufen. Aber Ehlerdt war nicht anders zu gewinnen und Rabe und Forbeck bestanden unbedingt auf seine Anstellung. Es galt den Schein zu vermeiden, als gäbe man den gefährlichen alten Genossen auf. <ref xml:id="TEXTDieerstenBISgenommen" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLDieerstenBISgenommen">Die ersten lockenden Zinsen wurden – vom Capital genommen! </ref> Bald aber gab es Reibungen zwischen Verwaltungsrath und technischer Direction. Ehlerdts Trieb, Alles großartig anzufassen, kostete Geld. Keine Concurrenz sollte gescheut werden. In seiner Art gab er sich, wenn er in die Säle kam, wo es dröhnte, hämmerte, ohrzerreißende Töne von den Eisenbohrern hervorgebracht wurden, wie ein Feldherr, der nur verurtheilt war, mit zu kleinen Armeen siegen zu sollen. Das machte ihn dann reizbar und an seiner Schwester tobte er schon wieder seinen Mißmuth so oft aus, daß diese nicht länger bei ihm bleiben mochte, zumal wenn er in die Worte ausbrach, wie: Warum erklärt sich denn dieser Narr, Dein verrückter Professor, nicht? Welcher Mensch von Verstand und Herz reist denn so in die Welt hinaus, ohne ein Wort von sich hören zu lassen? <ref xml:id="TEXTEinTrauerjahrhalten" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLEinTrauerjahrhalten">Ein Trauerjahr halten! </ref> Dummer, alter, einfältiger Zopf, den wir den Juden verdanken! Die Juden ruiniren ein Jahr lang ihre Gesundheit, lassen den Bart wachsen, gehen nicht in’s Theater, kasteien sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [127/0133]
nur gestellt werden könnte. Soll ich meine unangenehmen Erfahrungen an die große Glocke hängen? hatte Meyer Cohn gerufen. Aber Ehlerdt war nicht anders zu gewinnen und Rabe und Forbeck bestanden unbedingt auf seine Anstellung. Es galt den Schein zu vermeiden, als gäbe man den gefährlichen alten Genossen auf. Die ersten lockenden Zinsen wurden – vom Capital genommen! Bald aber gab es Reibungen zwischen Verwaltungsrath und technischer Direction. Ehlerdts Trieb, Alles großartig anzufassen, kostete Geld. Keine Concurrenz sollte gescheut werden. In seiner Art gab er sich, wenn er in die Säle kam, wo es dröhnte, hämmerte, ohrzerreißende Töne von den Eisenbohrern hervorgebracht wurden, wie ein Feldherr, der nur verurtheilt war, mit zu kleinen Armeen siegen zu sollen. Das machte ihn dann reizbar und an seiner Schwester tobte er schon wieder seinen Mißmuth so oft aus, daß diese nicht länger bei ihm bleiben mochte, zumal wenn er in die Worte ausbrach, wie: Warum erklärt sich denn dieser Narr, Dein verrückter Professor, nicht? Welcher Mensch von Verstand und Herz reist denn so in die Welt hinaus, ohne ein Wort von sich hören zu lassen? Ein Trauerjahr halten! Dummer, alter, einfältiger Zopf, den wir den Juden verdanken! Die Juden ruiniren ein Jahr lang ihre Gesundheit, lassen den Bart wachsen, gehen nicht in’s Theater, kasteien sich
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/133>, abgerufen am 23.07.2024. |