Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.immer nur wieder Frau Commerzienrath genannt, nahm ein Pulver nach dem andern, um sich aufrecht zu erhalten. Ihr Spiegel zeigte ihr, daß ja die große Begebenheit der Toilette, an welcher alle Mägde und vor Allen Martha, selbst Dora, Rollen zu übernehmen hatten, für den ersten Eintritt in die obern Salons gelungen war. Es war Alles an ihr so hinterasiatisch wie möglich. Den Shawl, den sie nur für die Treppe trug, konnte gelegentlich selbst die neue Kaiserin von Indien tragen. China, Japan, diese beiden so geschmackvollen Länder, haben ja in ihren Dschonken und Theegärten schwerlich je geahnt, daß sie für Europa noch einst so maßgebend werden würden! Bei den Straßentoiletten der Damen hat man jetzt immer Angst, die schönen Töchter Evas möchten vor Enge der Kleider umfallen. Man muß die Commerzienräthin bewundern! So lautete das allgemeine Geflüster in den sich bildenden Gruppen. Man meinte nicht nur um der reichen Toilette willen, sondern auch um jene wunderbare Selbstbeherrschung der Frau, die dabei doch nur im Allgemeinen von den Gästen gewürdigt, nur von ihrem Gatten mit tiefem Schmerz verstanden werden konnte. Wolny, dem man über die Möglichkeit, daß eine, wie man mildernd umschrieb, kränkliche Frau sich noch so erheben konnte, sein Erstaunen ausdrückte, sagte: Der Mensch weiß oft selbst immer nur wieder Frau Commerzienrath genannt, nahm ein Pulver nach dem andern, um sich aufrecht zu erhalten. Ihr Spiegel zeigte ihr, daß ja die große Begebenheit der Toilette, an welcher alle Mägde und vor Allen Martha, selbst Dora, Rollen zu übernehmen hatten, für den ersten Eintritt in die obern Salons gelungen war. Es war Alles an ihr so hinterasiatisch wie möglich. Den Shawl, den sie nur für die Treppe trug, konnte gelegentlich selbst die neue Kaiserin von Indien tragen. China, Japan, diese beiden so geschmackvollen Länder, haben ja in ihren Dschonken und Theegärten schwerlich je geahnt, daß sie für Europa noch einst so maßgebend werden würden! Bei den Straßentoiletten der Damen hat man jetzt immer Angst, die schönen Töchter Evas möchten vor Enge der Kleider umfallen. Man muß die Commerzienräthin bewundern! So lautete das allgemeine Geflüster in den sich bildenden Gruppen. Man meinte nicht nur um der reichen Toilette willen, sondern auch um jene wunderbare Selbstbeherrschung der Frau, die dabei doch nur im Allgemeinen von den Gästen gewürdigt, nur von ihrem Gatten mit tiefem Schmerz verstanden werden konnte. Wolny, dem man über die Möglichkeit, daß eine, wie man mildernd umschrieb, kränkliche Frau sich noch so erheben konnte, sein Erstaunen ausdrückte, sagte: Der Mensch weiß oft selbst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0242" n="236"/> immer nur wieder Frau Commerzienrath genannt, nahm ein Pulver nach dem andern, um sich aufrecht zu erhalten. Ihr Spiegel zeigte ihr, daß ja die große Begebenheit der Toilette, an welcher alle Mägde und vor Allen Martha, selbst Dora, Rollen zu übernehmen hatten, für den ersten Eintritt in die obern Salons gelungen war. Es war Alles an ihr so <ref xml:id="TEXThinterasiatisch" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLhinterasiatisch">hinterasiatisch</ref> wie möglich. Den Shawl, den sie nur für die Treppe trug, konnte gelegentlich selbst die neue Kaiserin von Indien tragen. China, Japan, diese beiden so geschmackvollen Länder, haben ja in ihren <ref xml:id="TEXTDschonken" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLDschonken">Dschonken</ref> und Theegärten schwerlich je geahnt, daß sie für Europa noch einst so maßgebend werden würden! <ref xml:id="TEXTBeidenBISumfallen" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLBeidenBISumfallen">Bei den Straßentoiletten der Damen hat man jetzt immer Angst, die schönen Töchter Evas möchten vor Enge der Kleider umfallen</ref>. </p> <p>Man muß die Commerzienräthin bewundern! So lautete das allgemeine Geflüster in den sich bildenden Gruppen. Man meinte nicht nur um der reichen Toilette willen, sondern auch um jene wunderbare Selbstbeherrschung der Frau, die dabei doch nur im Allgemeinen von den Gästen gewürdigt, nur von ihrem Gatten mit tiefem Schmerz verstanden werden konnte. Wolny, dem man über die Möglichkeit, daß eine, wie man mildernd umschrieb, kränkliche Frau sich noch so erheben konnte, sein Erstaunen ausdrückte, sagte: Der Mensch weiß oft selbst </p> </div> </body> </text> </TEI> [236/0242]
immer nur wieder Frau Commerzienrath genannt, nahm ein Pulver nach dem andern, um sich aufrecht zu erhalten. Ihr Spiegel zeigte ihr, daß ja die große Begebenheit der Toilette, an welcher alle Mägde und vor Allen Martha, selbst Dora, Rollen zu übernehmen hatten, für den ersten Eintritt in die obern Salons gelungen war. Es war Alles an ihr so hinterasiatisch wie möglich. Den Shawl, den sie nur für die Treppe trug, konnte gelegentlich selbst die neue Kaiserin von Indien tragen. China, Japan, diese beiden so geschmackvollen Länder, haben ja in ihren Dschonken und Theegärten schwerlich je geahnt, daß sie für Europa noch einst so maßgebend werden würden! Bei den Straßentoiletten der Damen hat man jetzt immer Angst, die schönen Töchter Evas möchten vor Enge der Kleider umfallen.
Man muß die Commerzienräthin bewundern! So lautete das allgemeine Geflüster in den sich bildenden Gruppen. Man meinte nicht nur um der reichen Toilette willen, sondern auch um jene wunderbare Selbstbeherrschung der Frau, die dabei doch nur im Allgemeinen von den Gästen gewürdigt, nur von ihrem Gatten mit tiefem Schmerz verstanden werden konnte. Wolny, dem man über die Möglichkeit, daß eine, wie man mildernd umschrieb, kränkliche Frau sich noch so erheben konnte, sein Erstaunen ausdrückte, sagte: Der Mensch weiß oft selbst
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/242>, abgerufen am 16.02.2025. |