Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.wußte etwas von einem derartigen Besuche und Wolny kam geradezu außer sich. Es ist ja, als hätte er die Nacht im Hause zugebracht! rief dieser. Man wird sich vor dem Menschen zu hüten haben! Eine genauere Durchsuchung aller Räumlichkeiten wünschte Tante Dora nicht, da bereits am Abend vorher für den Ball Alles so zugerichtet, alle Canapes, Sessel so gestellt waren, daß Nichts mehr daran gerückt werden durfte. Der Eßsaal, die alten Herren, die jungen Herren, der Tanzsaal, die Gesprächs-, die Rauch-, die Spielzimmer, das war von jeher wie eine richtig gezeichnete geographische Karte. Die gesammte Atzung der achtzig Personen, die man erwarten wollte, übergab man in solchen Fällen einem Unternehmer, der dergleichen in der Stadt überhaupt besorgte und später seine Rechnung schickte. Auch jene Männer mit den schwarzen Fracks und den weißen Baumwollhandschuhen fehlten nicht, die ehrlichkeitsbeflissenen Lohndiener. Charakteristisch für das Zeitalter des Luxus und des Genusses, daß alle Innungen und Gewerke in ihrer scharf hervorgehobenen Ausschließlichkeit aufgehört haben; nur die sogenannten "Tafeldecker" behaupteten noch die Privilegien des Mittelalters. Sie machen eine streng auf die Moralität und die Preise haltende Innung aus. Der Abend brach endlich an. Die Kerzen und die Gasflammen leuchteten. Frau Doctor Wolny, heute wußte etwas von einem derartigen Besuche und Wolny kam geradezu außer sich. Es ist ja, als hätte er die Nacht im Hause zugebracht! rief dieser. Man wird sich vor dem Menschen zu hüten haben! Eine genauere Durchsuchung aller Räumlichkeiten wünschte Tante Dora nicht, da bereits am Abend vorher für den Ball Alles so zugerichtet, alle Canapés, Sessel so gestellt waren, daß Nichts mehr daran gerückt werden durfte. Der Eßsaal, die alten Herren, die jungen Herren, der Tanzsaal, die Gesprächs-, die Rauch-, die Spielzimmer, das war von jeher wie eine richtig gezeichnete geographische Karte. Die gesammte Atzung der achtzig Personen, die man erwarten wollte, übergab man in solchen Fällen einem Unternehmer, der dergleichen in der Stadt überhaupt besorgte und später seine Rechnung schickte. Auch jene Männer mit den schwarzen Fracks und den weißen Baumwollhandschuhen fehlten nicht, die ehrlichkeitsbeflissenen Lohndiener. Charakteristisch für das Zeitalter des Luxus und des Genusses, daß alle Innungen und Gewerke in ihrer scharf hervorgehobenen Ausschließlichkeit aufgehört haben; nur die sogenannten „Tafeldecker“ behaupteten noch die Privilegien des Mittelalters. Sie machen eine streng auf die Moralität und die Preise haltende Innung aus. Der Abend brach endlich an. Die Kerzen und die Gasflammen leuchteten. Frau Doctor Wolny, heute <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0241" n="235"/> wußte etwas von einem derartigen Besuche und Wolny kam geradezu außer sich. Es ist ja, als hätte er die Nacht im Hause zugebracht! rief dieser. Man wird sich vor dem Menschen zu hüten haben! Eine genauere Durchsuchung aller Räumlichkeiten wünschte Tante Dora nicht, da bereits am Abend vorher für den Ball Alles so zugerichtet, alle Canapés, Sessel so gestellt waren, daß Nichts mehr daran gerückt werden durfte. Der Eßsaal, die alten Herren, die jungen Herren, der Tanzsaal, die Gesprächs-, die Rauch-, die Spielzimmer, das war von jeher wie eine richtig gezeichnete geographische Karte. Die gesammte <ref xml:id="TEXTAtzung" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLAtzung">Atzung</ref> der achtzig Personen, die man erwarten wollte, übergab man in solchen Fällen einem Unternehmer, der dergleichen in der Stadt überhaupt besorgte und später seine Rechnung schickte. Auch jene Männer mit den schwarzen Fracks und den weißen Baumwollhandschuhen fehlten nicht, die ehrlichkeitsbeflissenen Lohndiener. <ref xml:id="TEXTCharakteristischBISInnungaus" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLCharakteristischBISInnungaus">Charakteristisch für das Zeitalter des Luxus und des Genusses, daß alle Innungen und Gewerke in ihrer scharf hervorgehobenen Ausschließlichkeit aufgehört haben; nur die sogenannten „Tafeldecker“ behaupteten noch die Privilegien des Mittelalters. Sie machen eine streng auf die Moralität und die Preise haltende Innung aus</ref>. </p> <p>Der Abend brach endlich an. Die Kerzen und die Gasflammen leuchteten. Frau Doctor Wolny, heute </p> </div> </body> </text> </TEI> [235/0241]
wußte etwas von einem derartigen Besuche und Wolny kam geradezu außer sich. Es ist ja, als hätte er die Nacht im Hause zugebracht! rief dieser. Man wird sich vor dem Menschen zu hüten haben! Eine genauere Durchsuchung aller Räumlichkeiten wünschte Tante Dora nicht, da bereits am Abend vorher für den Ball Alles so zugerichtet, alle Canapés, Sessel so gestellt waren, daß Nichts mehr daran gerückt werden durfte. Der Eßsaal, die alten Herren, die jungen Herren, der Tanzsaal, die Gesprächs-, die Rauch-, die Spielzimmer, das war von jeher wie eine richtig gezeichnete geographische Karte. Die gesammte Atzung der achtzig Personen, die man erwarten wollte, übergab man in solchen Fällen einem Unternehmer, der dergleichen in der Stadt überhaupt besorgte und später seine Rechnung schickte. Auch jene Männer mit den schwarzen Fracks und den weißen Baumwollhandschuhen fehlten nicht, die ehrlichkeitsbeflissenen Lohndiener. Charakteristisch für das Zeitalter des Luxus und des Genusses, daß alle Innungen und Gewerke in ihrer scharf hervorgehobenen Ausschließlichkeit aufgehört haben; nur die sogenannten „Tafeldecker“ behaupteten noch die Privilegien des Mittelalters. Sie machen eine streng auf die Moralität und die Preise haltende Innung aus.
Der Abend brach endlich an. Die Kerzen und die Gasflammen leuchteten. Frau Doctor Wolny, heute
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/241>, abgerufen am 16.02.2025. |