Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

So weit wir gegenwärtig in Deutschland gekommen sind, kann man behaupten, daß von Seiten des Volks es eben sowohl an der Begeisterung fehle, die einem Einzelnen allein könnte zugewandt werden, als auch daß Keiner unserer Köpfe die Fähigkeit zu haben scheint, jene für sich zu erregen. Die politische Regsamkeit ist noch nicht bis auf jene Classen gedrungen, die sich durch Nichts, als durch ihre Kleider und selbst durch diese nicht einmal unterscheiden, wo der Vater wie der Sohn, dieser wie sein Schwager, und Jeder wie sein Nachbar denkt. Noch steht die Liebe zur Freiheit auf einer Stufe, wo die Verschiedenartigkeit der Bildung das Recht, auf die kleinlichsten Dinge trotzige Ansprüche machen zu dürfen, behauptet. Die Wege, auf denen wir zur Einsicht in den Lauf der Zeiten gekommen sind, sind bei Wenigen dieselben gewesen. Der Eine las zufällig eine Ode von Klopstock, aber er schlug den Tacitus auf, dem Andern mißfiel es, daß er nicht rauchen dürfe, wo er wolle, einem Dritten bekommt die Königin zu viel Kinder, nur Wenige sind, die die Tyrannen hassen und die Steuern nicht lieben.

Es ist wünschenswerth, daß es vor dem Anbruch der Revolution zu großen Versammlungen komme, in denen sich die Bedürfnisse auch in der Art, wie sie sich am Verständlichsten gegen Jeden

So weit wir gegenwärtig in Deutschland gekommen sind, kann man behaupten, daß von Seiten des Volks es eben sowohl an der Begeisterung fehle, die einem Einzelnen allein könnte zugewandt werden, als auch daß Keiner unserer Köpfe die Fähigkeit zu haben scheint, jene für sich zu erregen. Die politische Regsamkeit ist noch nicht bis auf jene Classen gedrungen, die sich durch Nichts, als durch ihre Kleider und selbst durch diese nicht einmal unterscheiden, wo der Vater wie der Sohn, dieser wie sein Schwager, und Jeder wie sein Nachbar denkt. Noch steht die Liebe zur Freiheit auf einer Stufe, wo die Verschiedenartigkeit der Bildung das Recht, auf die kleinlichsten Dinge trotzige Ansprüche machen zu dürfen, behauptet. Die Wege, auf denen wir zur Einsicht in den Lauf der Zeiten gekommen sind, sind bei Wenigen dieselben gewesen. Der Eine las zufällig eine Ode von Klopstock, aber er schlug den Tacitus auf, dem Andern mißfiel es, daß er nicht rauchen dürfe, wo er wolle, einem Dritten bekommt die Königin zu viel Kinder, nur Wenige sind, die die Tyrannen hassen und die Steuern nicht lieben.

Es ist wünschenswerth, daß es vor dem Anbruch der Revolution zu großen Versammlungen komme, in denen sich die Bedürfnisse auch in der Art, wie sie sich am Verständlichsten gegen Jeden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0276" n="263"/>
        <p> So weit wir gegenwärtig in Deutschland gekommen sind, kann man behaupten, daß von Seiten des Volks es eben sowohl an der Begeisterung fehle, die einem Einzelnen allein könnte zugewandt werden, als auch daß Keiner unserer Köpfe die Fähigkeit zu haben scheint, jene für sich zu erregen. Die politische Regsamkeit ist noch nicht bis auf jene Classen gedrungen, die sich durch Nichts, als durch ihre Kleider und selbst durch diese nicht einmal unterscheiden, wo der Vater wie der Sohn, dieser wie sein Schwager, und Jeder wie sein Nachbar denkt. Noch steht die Liebe zur Freiheit auf einer Stufe, wo die Verschiedenartigkeit der Bildung das Recht, auf die kleinlichsten Dinge trotzige Ansprüche machen zu dürfen, behauptet. Die Wege, auf denen wir zur Einsicht in den Lauf der Zeiten gekommen sind, sind bei Wenigen dieselben gewesen. Der Eine las zufällig eine Ode von Klopstock, aber er schlug den Tacitus auf, dem Andern mißfiel es, daß er nicht rauchen dürfe, wo er wolle, einem Dritten bekommt die Königin zu viel Kinder, nur Wenige sind, die die Tyrannen hassen und die Steuern nicht lieben.</p>
        <p>Es ist wünschenswerth, daß es vor dem Anbruch der Revolution zu großen Versammlungen komme, in denen sich die Bedürfnisse auch in der Art, wie sie sich am Verständlichsten gegen Jeden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0276] So weit wir gegenwärtig in Deutschland gekommen sind, kann man behaupten, daß von Seiten des Volks es eben sowohl an der Begeisterung fehle, die einem Einzelnen allein könnte zugewandt werden, als auch daß Keiner unserer Köpfe die Fähigkeit zu haben scheint, jene für sich zu erregen. Die politische Regsamkeit ist noch nicht bis auf jene Classen gedrungen, die sich durch Nichts, als durch ihre Kleider und selbst durch diese nicht einmal unterscheiden, wo der Vater wie der Sohn, dieser wie sein Schwager, und Jeder wie sein Nachbar denkt. Noch steht die Liebe zur Freiheit auf einer Stufe, wo die Verschiedenartigkeit der Bildung das Recht, auf die kleinlichsten Dinge trotzige Ansprüche machen zu dürfen, behauptet. Die Wege, auf denen wir zur Einsicht in den Lauf der Zeiten gekommen sind, sind bei Wenigen dieselben gewesen. Der Eine las zufällig eine Ode von Klopstock, aber er schlug den Tacitus auf, dem Andern mißfiel es, daß er nicht rauchen dürfe, wo er wolle, einem Dritten bekommt die Königin zu viel Kinder, nur Wenige sind, die die Tyrannen hassen und die Steuern nicht lieben. Es ist wünschenswerth, daß es vor dem Anbruch der Revolution zu großen Versammlungen komme, in denen sich die Bedürfnisse auch in der Art, wie sie sich am Verständlichsten gegen Jeden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/276
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/276>, abgerufen am 24.08.2024.