[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.aussprechen lassen, zu erkennen geben müßten, worüber in einem Weinhause oder in den Spalten eines Zeitblatts immer nur sehr unvollkommen geurtheilt werden kann. Das Talent der populären Rede, das in einer Ständeversammlung oder selbst in einem patriotischen Vereine nie rechte Nahrung finden kann, bildet sich unter dem freien Himmel, in einem Thale, dessen Terrassen rings von Tausenden besetzt sind, allein sicher und fest aus. Man lernt dadurch eben so sehr die allgemeine Stimmung des Augenblicks zu der seinen machen, als sie benutzen, um die nöthigen Zwecke zu erreichen. Ich höre, daß in Deutschland hier und da ähnliche Versammlungen zusammengetreten sind, daß sich aber selbst hier die den Deutschen angeborne Aristokratie, und wenn es zuletzt nur die des Magens sein sollte, nicht verläugnen konnte. Es soll Volksredner geben, die mit Weib und Kind im Lande herumziehen, und in den Orten, wo sie nach solchen Festen zurückkehren, die Stimmung des Volks und die gute Zubereitung der Speisen, die sie angetroffen, nicht genug loben können. Außerdem klagen die Gemäßigten über die ungewöhnlich kühne Sprache, deren manche Redner dem Volke und den Fürsten gegenüber sich bei solchen Gelegenheiten bedienen, als wenn man eine Aus- aussprechen lassen, zu erkennen geben müßten, worüber in einem Weinhause oder in den Spalten eines Zeitblatts immer nur sehr unvollkommen geurtheilt werden kann. Das Talent der populären Rede, das in einer Ständeversammlung oder selbst in einem patriotischen Vereine nie rechte Nahrung finden kann, bildet sich unter dem freien Himmel, in einem Thale, dessen Terrassen rings von Tausenden besetzt sind, allein sicher und fest aus. Man lernt dadurch eben so sehr die allgemeine Stimmung des Augenblicks zu der seinen machen, als sie benutzen, um die nöthigen Zwecke zu erreichen. Ich höre, daß in Deutschland hier und da ähnliche Versammlungen zusammengetreten sind, daß sich aber selbst hier die den Deutschen angeborne Aristokratie, und wenn es zuletzt nur die des Magens sein sollte, nicht verläugnen konnte. Es soll Volksredner geben, die mit Weib und Kind im Lande herumziehen, und in den Orten, wo sie nach solchen Festen zurückkehren, die Stimmung des Volks und die gute Zubereitung der Speisen, die sie angetroffen, nicht genug loben können. Außerdem klagen die Gemäßigten über die ungewöhnlich kühne Sprache, deren manche Redner dem Volke und den Fürsten gegenüber sich bei solchen Gelegenheiten bedienen, als wenn man eine Aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0277" n="264"/> aussprechen lassen, zu erkennen geben müßten, worüber in einem Weinhause oder in den Spalten eines Zeitblatts immer nur sehr unvollkommen geurtheilt werden kann. Das Talent der populären Rede, das in einer Ständeversammlung oder selbst in einem patriotischen Vereine nie rechte Nahrung finden kann, bildet sich unter dem freien Himmel, in einem Thale, dessen Terrassen rings von Tausenden besetzt sind, allein sicher und fest aus. Man lernt dadurch eben so sehr die allgemeine Stimmung des Augenblicks zu der seinen machen, als sie benutzen, um die nöthigen Zwecke zu erreichen.</p> <p>Ich höre, daß in Deutschland hier und da ähnliche Versammlungen zusammengetreten sind, daß sich aber selbst hier die den Deutschen angeborne Aristokratie, und wenn es zuletzt nur die des Magens sein sollte, nicht verläugnen konnte. Es soll Volksredner geben, die mit Weib und Kind im Lande herumziehen, und in den Orten, wo sie nach solchen Festen zurückkehren, die Stimmung des Volks und die gute Zubereitung der Speisen, die sie angetroffen, nicht genug loben können. Außerdem klagen die Gemäßigten über die ungewöhnlich kühne Sprache, deren manche Redner dem Volke und den Fürsten gegenüber sich bei solchen Gelegenheiten bedienen, als wenn man eine Aus- </p> </div> </body> </text> </TEI> [264/0277]
aussprechen lassen, zu erkennen geben müßten, worüber in einem Weinhause oder in den Spalten eines Zeitblatts immer nur sehr unvollkommen geurtheilt werden kann. Das Talent der populären Rede, das in einer Ständeversammlung oder selbst in einem patriotischen Vereine nie rechte Nahrung finden kann, bildet sich unter dem freien Himmel, in einem Thale, dessen Terrassen rings von Tausenden besetzt sind, allein sicher und fest aus. Man lernt dadurch eben so sehr die allgemeine Stimmung des Augenblicks zu der seinen machen, als sie benutzen, um die nöthigen Zwecke zu erreichen.
Ich höre, daß in Deutschland hier und da ähnliche Versammlungen zusammengetreten sind, daß sich aber selbst hier die den Deutschen angeborne Aristokratie, und wenn es zuletzt nur die des Magens sein sollte, nicht verläugnen konnte. Es soll Volksredner geben, die mit Weib und Kind im Lande herumziehen, und in den Orten, wo sie nach solchen Festen zurückkehren, die Stimmung des Volks und die gute Zubereitung der Speisen, die sie angetroffen, nicht genug loben können. Außerdem klagen die Gemäßigten über die ungewöhnlich kühne Sprache, deren manche Redner dem Volke und den Fürsten gegenüber sich bei solchen Gelegenheiten bedienen, als wenn man eine Aus-
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Zitationshilfe: | [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/277>, abgerufen am 16.02.2025. |