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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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bespierre und Danton küßten sich mit ihren wieder aufgefügten Köpfen. Damals bildet' ich mir ein, in dieser Vision ein Gesetz gefunden zu haben. Ich lobte alle die, die sich haßten, und weinte schon im Voraus die Thränen, die sie einmal später auch vergießen würden. Später hab' ich den Grundsatz umgekehrt. Ich sah' ein, daß mein Haß eben so gut in der allgemeinen Welthistorie placirt werden muß, als meine Liebe. Und weil ich ferner einsah, daß jener auf Ueberzeugung, diese auf Täuschung beruht, so hab' ich mir nun vorgenommen, in Timons Fußstapfen zu treten.

Also, Du Süße, erinnere mich nicht so oft an jene Bilder der Vergangenheit! Sie wecken so schmerzliche Gedanken. Es thut mir weh, an Dinge geglaubt zu haben, die ich bei Andern so bitter tadle. Da sprichst Du von der Liebe zum Vaterland, und vergissest, daß überall die Welt Gottes ist. Bist stolz, daß Dich Berge von einem fremden Volke scheiden; und das Maulthier und das Saumroß des Kaufmanns bringen dem Nachbar Deine Waaren, und er Dir seine Sitten. Wenn das ganze linke Rheinufer verloren geht, hoffst Du auf den Rhein selbst noch. Aber nimm zwei Platten, verbinde sie durch einige flüssige Tropfen, und die Einheit ist so stark, daß einfache Menschenkraft sie schwer zerreißen kann. Du dringst

bespierre und Danton küßten sich mit ihren wieder aufgefügten Köpfen. Damals bildet’ ich mir ein, in dieser Vision ein Gesetz gefunden zu haben. Ich lobte alle die, die sich haßten, und weinte schon im Voraus die Thränen, die sie einmal später auch vergießen würden. Später hab’ ich den Grundsatz umgekehrt. Ich sah’ ein, daß mein Haß eben so gut in der allgemeinen Welthistorie placirt werden muß, als meine Liebe. Und weil ich ferner einsah, daß jener auf Ueberzeugung, diese auf Täuschung beruht, so hab’ ich mir nun vorgenommen, in Timons Fußstapfen zu treten.

Also, Du Süße, erinnere mich nicht so oft an jene Bilder der Vergangenheit! Sie wecken so schmerzliche Gedanken. Es thut mir weh, an Dinge geglaubt zu haben, die ich bei Andern so bitter tadle. Da sprichst Du von der Liebe zum Vaterland, und vergissest, daß überall die Welt Gottes ist. Bist stolz, daß Dich Berge von einem fremden Volke scheiden; und das Maulthier und das Saumroß des Kaufmanns bringen dem Nachbar Deine Waaren, und er Dir seine Sitten. Wenn das ganze linke Rheinufer verloren geht, hoffst Du auf den Rhein selbst noch. Aber nimm zwei Platten, verbinde sie durch einige flüssige Tropfen, und die Einheit ist so stark, daß einfache Menschenkraft sie schwer zerreißen kann. Du dringst

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[210/0223] bespierre und Danton küßten sich mit ihren wieder aufgefügten Köpfen. Damals bildet’ ich mir ein, in dieser Vision ein Gesetz gefunden zu haben. Ich lobte alle die, die sich haßten, und weinte schon im Voraus die Thränen, die sie einmal später auch vergießen würden. Später hab’ ich den Grundsatz umgekehrt. Ich sah’ ein, daß mein Haß eben so gut in der allgemeinen Welthistorie placirt werden muß, als meine Liebe. Und weil ich ferner einsah, daß jener auf Ueberzeugung, diese auf Täuschung beruht, so hab’ ich mir nun vorgenommen, in Timons Fußstapfen zu treten. Also, Du Süße, erinnere mich nicht so oft an jene Bilder der Vergangenheit! Sie wecken so schmerzliche Gedanken. Es thut mir weh, an Dinge geglaubt zu haben, die ich bei Andern so bitter tadle. Da sprichst Du von der Liebe zum Vaterland, und vergissest, daß überall die Welt Gottes ist. Bist stolz, daß Dich Berge von einem fremden Volke scheiden; und das Maulthier und das Saumroß des Kaufmanns bringen dem Nachbar Deine Waaren, und er Dir seine Sitten. Wenn das ganze linke Rheinufer verloren geht, hoffst Du auf den Rhein selbst noch. Aber nimm zwei Platten, verbinde sie durch einige flüssige Tropfen, und die Einheit ist so stark, daß einfache Menschenkraft sie schwer zerreißen kann. Du dringst

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/223>, abgerufen am 22.11.2024.