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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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cher, als wenn man ihr zu trotzen wagt. Ich sehe die eine Hälfte Deiner Schwestern unter Verhältnissen leben, die keinen Unterschied der Bildung aufkommen lassen, da die Nothwendigkeit dieser selbst geläugnet wird. Die zweite hat den Muth, sich in eine andere Carriere zu werfen, leider ist die aber auf jedem Schritt von dem Blendwerke falscher Grundansicht beleuchtet. Das größte Hinderniß zur Besserung dieses Zustandes ist der Irrthum, daß die Frauen nicht als Corporation, sondern nur als Individuen angesehen werden. Man hat gefragt, ob die Frauen Menschen sind, diese Frage hat man jetzt modificirt, daß sie bei einer Unverheiratheten in der That schwer zu beantworten sei. Niemand verfolgt diese Ansicht mehr, als die Frauen selbst. Sie wüthen gegen einandere, Neid und Eifersucht lassen sie nicht zu dem Gedanken kommen, daß sie nach dem Muster der Männer auch eine Gemeinde, eine Union bilden könnten.

Man verachtet die Weiber, wenn sie ihre Sphären überschreiten, und will in ihnen doch mehr sehen, als willenlose Geschöpfe. Man führt sie zu einer Quelle, und heißt sie dort dasselbe Wasser der geistigen Bildung dieser Zeit trinken, das nachher als stagnant und trüb verschrien wird. Eure Weiber sollen Euch in den Himmel führen, und Ihr lehrtet sie nur die Hölle kennen!

cher, als wenn man ihr zu trotzen wagt. Ich sehe die eine Hälfte Deiner Schwestern unter Verhältnissen leben, die keinen Unterschied der Bildung aufkommen lassen, da die Nothwendigkeit dieser selbst geläugnet wird. Die zweite hat den Muth, sich in eine andere Carriere zu werfen, leider ist die aber auf jedem Schritt von dem Blendwerke falscher Grundansicht beleuchtet. Das größte Hinderniß zur Besserung dieses Zustandes ist der Irrthum, daß die Frauen nicht als Corporation, sondern nur als Individuen angesehen werden. Man hat gefragt, ob die Frauen Menschen sind, diese Frage hat man jetzt modificirt, daß sie bei einer Unverheiratheten in der That schwer zu beantworten sei. Niemand verfolgt diese Ansicht mehr, als die Frauen selbst. Sie wüthen gegen einandere, Neid und Eifersucht lassen sie nicht zu dem Gedanken kommen, daß sie nach dem Muster der Männer auch eine Gemeinde, eine Union bilden könnten.

Man verachtet die Weiber, wenn sie ihre Sphären überschreiten, und will in ihnen doch mehr sehen, als willenlose Geschöpfe. Man führt sie zu einer Quelle, und heißt sie dort dasselbe Wasser der geistigen Bildung dieser Zeit trinken, das nachher als stagnant und trüb verschrien wird. Eure Weiber sollen Euch in den Himmel führen, und Ihr lehrtet sie nur die Hölle kennen!

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[174/0187] cher, als wenn man ihr zu trotzen wagt. Ich sehe die eine Hälfte Deiner Schwestern unter Verhältnissen leben, die keinen Unterschied der Bildung aufkommen lassen, da die Nothwendigkeit dieser selbst geläugnet wird. Die zweite hat den Muth, sich in eine andere Carriere zu werfen, leider ist die aber auf jedem Schritt von dem Blendwerke falscher Grundansicht beleuchtet. Das größte Hinderniß zur Besserung dieses Zustandes ist der Irrthum, daß die Frauen nicht als Corporation, sondern nur als Individuen angesehen werden. Man hat gefragt, ob die Frauen Menschen sind, diese Frage hat man jetzt modificirt, daß sie bei einer Unverheiratheten in der That schwer zu beantworten sei. Niemand verfolgt diese Ansicht mehr, als die Frauen selbst. Sie wüthen gegen einandere, Neid und Eifersucht lassen sie nicht zu dem Gedanken kommen, daß sie nach dem Muster der Männer auch eine Gemeinde, eine Union bilden könnten. Man verachtet die Weiber, wenn sie ihre Sphären überschreiten, und will in ihnen doch mehr sehen, als willenlose Geschöpfe. Man führt sie zu einer Quelle, und heißt sie dort dasselbe Wasser der geistigen Bildung dieser Zeit trinken, das nachher als stagnant und trüb verschrien wird. Eure Weiber sollen Euch in den Himmel führen, und Ihr lehrtet sie nur die Hölle kennen!

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/187>, abgerufen am 23.11.2024.