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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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kannt werden, können sich nicht vertheidigen. Und doch will meine menschliche Natur auch in diesem Falle befriedigt sein. So muß ich entweder unsäglich unglücklich sein, oder unsäglich hassen, und Beides kann mir nicht erwünscht kommen. Darum halt' ich mich unabhängig von meinem Herzen und fern von den Köpfen Anderer. Die beste Lebensregel gibt schon Horaz: Pflücke den Tag!

Wenn sich die Menschen für ein auserwähltes Geschlecht halten, so kann man den Gedanken erhebend nennen. Aber er ist nur ein Wahn, wenn man die Wege ansieht, auf denen sie zu jenem Stolze kommen. Auch mich entzückt es, wenn sie vorgeben, Hohes und Himmlisches begreifen, das Zarteste und Lieblichste empfinden zu können. Was kann schöner sein als Ehre, Vaterland, Tugend! Aber mische Dich des Sonntags unter die Spaziergänger vor dem Thore. Betrachte die Angst, mit der sie ihre Hörner am Kopfe, den langen Schweif hinten verrathen glauben. Zuweilen denken sie selbst nicht mehr daran, und fühlen sich dann durch die langgestreckten Formen ihres Schattens an die schmeichelhafte Gestalt ihres Körpers erinnert. Auf die Fähigkeit, zwei Schritte gehen zu können, thun sie sich etwas zu Gute. Ein Bettler mit eiternden Wunden streckt die dürre Hand aus, und verspricht für einen empfangenen

kannt werden, können sich nicht vertheidigen. Und doch will meine menschliche Natur auch in diesem Falle befriedigt sein. So muß ich entweder unsäglich unglücklich sein, oder unsäglich hassen, und Beides kann mir nicht erwünscht kommen. Darum halt’ ich mich unabhängig von meinem Herzen und fern von den Köpfen Anderer. Die beste Lebensregel gibt schon Horaz: Pflücke den Tag!

Wenn sich die Menschen für ein auserwähltes Geschlecht halten, so kann man den Gedanken erhebend nennen. Aber er ist nur ein Wahn, wenn man die Wege ansieht, auf denen sie zu jenem Stolze kommen. Auch mich entzückt es, wenn sie vorgeben, Hohes und Himmlisches begreifen, das Zarteste und Lieblichste empfinden zu können. Was kann schöner sein als Ehre, Vaterland, Tugend! Aber mische Dich des Sonntags unter die Spaziergänger vor dem Thore. Betrachte die Angst, mit der sie ihre Hörner am Kopfe, den langen Schweif hinten verrathen glauben. Zuweilen denken sie selbst nicht mehr daran, und fühlen sich dann durch die langgestreckten Formen ihres Schattens an die schmeichelhafte Gestalt ihres Körpers erinnert. Auf die Fähigkeit, zwei Schritte gehen zu können, thun sie sich etwas zu Gute. Ein Bettler mit eiternden Wunden streckt die dürre Hand aus, und verspricht für einen empfangenen

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[148/0161] kannt werden, können sich nicht vertheidigen. Und doch will meine menschliche Natur auch in diesem Falle befriedigt sein. So muß ich entweder unsäglich unglücklich sein, oder unsäglich hassen, und Beides kann mir nicht erwünscht kommen. Darum halt’ ich mich unabhängig von meinem Herzen und fern von den Köpfen Anderer. Die beste Lebensregel gibt schon Horaz: Pflücke den Tag! Wenn sich die Menschen für ein auserwähltes Geschlecht halten, so kann man den Gedanken erhebend nennen. Aber er ist nur ein Wahn, wenn man die Wege ansieht, auf denen sie zu jenem Stolze kommen. Auch mich entzückt es, wenn sie vorgeben, Hohes und Himmlisches begreifen, das Zarteste und Lieblichste empfinden zu können. Was kann schöner sein als Ehre, Vaterland, Tugend! Aber mische Dich des Sonntags unter die Spaziergänger vor dem Thore. Betrachte die Angst, mit der sie ihre Hörner am Kopfe, den langen Schweif hinten verrathen glauben. Zuweilen denken sie selbst nicht mehr daran, und fühlen sich dann durch die langgestreckten Formen ihres Schattens an die schmeichelhafte Gestalt ihres Körpers erinnert. Auf die Fähigkeit, zwei Schritte gehen zu können, thun sie sich etwas zu Gute. Ein Bettler mit eiternden Wunden streckt die dürre Hand aus, und verspricht für einen empfangenen

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/161>, abgerufen am 23.11.2024.