Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!"

Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen.

Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial.

Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen

spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!"

Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen.

Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial.

Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0155" n="142"/>
spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!"</p>
        <p>Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen.</p>
        <p>Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial.</p>
        <p>Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0155] spielen! Ich glaube fast, Sie setzten sich unter dieser großartigen Bergpredigt Gottes hin, und strickten Strümpfe! Kommen Sie, Verehrtester, bieten Sie mir Ihren Arm!" Nun rissest Du mich fort über die Höhen des Jura, über die Ströme des Rhone, durch die Thäler der Provence, hinauf auf die Pyrenäen. Mit der Taube in gleichem Fluge, kühn wie die Gems stiegen wir in Iberiens Thäler hinab, Du wolltest jetzt den Sitz der noch immer tönenden Glocken ehren, und wieder einen Helden seines Jahrhunderts mitten unter den stolzen Trabanten und Monden seiner Herrschaft aufsuchen. Aber die Scene veränderte sich. Wir sahen einen Bettler auf der Landstraße. Nackt und wahnsinnig warf er sich uns in den Weg. Was er meinem Ohr vertraute, wolltest Du Neugierige gern wissen. Du bebtest, als ich es nun war, der Deine Schritte beflügelte, die Ermattete anspornte. Auf meinen Schultern trug ich Dich in den Klostergarten beim Escorial. Nun wußten wir, wo die Glocken hingen, die wir in Welschland schon hatten läuten hören. Nun sahen wir die schwarzverhüllten Priester, die in feierlichem Leichenzuge in das weite Thor der Kirche wallten. Du wußtest nun, wer in dem Sarge lag, wem die tausend Kerzen, die köstlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax des Gutzkow Editionsprojekts. (2013-07-01T14:33:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus dem Gutzkow Editionsprojekt entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung vom Markup des Gutzkow Editionsprojekts nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Zeilenumbrüche innerhalb eines Absatzes werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Anmerkungen und Erläuterungen der Herausgeber der Gutzkow-Edition sind im XML mit <ref target="[Ziel]">...</ref> wiedergegeben. [Ziel] benennt die HTM-Datei und den Abschnitt der jeweiligen Erläuterung auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.
  • Druckfehler und andere Fehler der Vorlage wurden in der Transkription behoben. Zu den hierbei vorgenommenen Textänderungen und zu problematischen Textstellen siehe Abschnitt 2.1.1: Textänderungen auf den Seiten des Gutzkow-Editionsprojekts.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/155
Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/155>, abgerufen am 23.11.2024.