sten Hannöverschen Entdeckungen weder Wis- senschaft noch Kunst, sondern wer weiss was ist, aus zwey Knaben von völlig gleichen Anlagen durch entgegen gesetzte Behandlung in Spielen zwey, in Rücksicht ihres körperlichen und gei- stigen Zustandes, ganz verschiedene Geschöpfe zu machen. Oder lässt sichs denn von vornher so schwer einsehen, dass ein Knabe, den man zehn Jahre hindurch in vernünftiger Abwechse- lung zwischen geistigem Ernste und körperlichen Scherze, ich meine zwischen geistiger Ausbildung und gesunden körperlichen Uebungen und Spie- len erhält, dass ein solcher Knabe weit besser gedeihen müsse, als wenn man ihn bey derselben Bildung seines Geistes in Karten und Würfeln Erholung finden lässt? So lange man mir nicht das Gegentheil darthun kann, halte ich diese Tändeleyen für Sachen von pädagogischer Wich- tigkeit. Ich muss hier einiges über den päda- gogischen Nutzen und die Nothwendigkeit der Spiele sagen.
Wenn das grösste Geheimniss der Erziehung darin besteht, dass die Uebungen des Geistes und Körpers sich gegenseitig zur Erholung dienen: so sind Spiele, besonders Bewegungsspiele, so wie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche Sachen. Stünde dieser Satz auch nicht im Emil, so würde ihn ja schon jeder Schulknabe verkün-
ſten Hannöverſchen Entdeckungen weder Wiſ- ſenſchaft noch Kunſt, ſondern wer weiſs was iſt, aus zwey Knaben von völlig gleichen Anlagen durch entgegen geſetzte Behandlung in Spielen zwey, in Rückſicht ihres körperlichen und gei- ſtigen Zuſtandes, ganz verſchiedene Geſchöpfe zu machen. Oder läſst ſichs denn von vornher ſo ſchwer einſehen, daſs ein Knabe, den man zehn Jahre hindurch in vernünftiger Abwechſe- lung zwiſchen geiſtigem Ernſte und körperlichen Scherze, ich meine zwiſchen geiſtiger Ausbildung und geſunden körperlichen Uebungen und Spie- len erhält, daſs ein ſolcher Knabe weit beſſer gedeihen müſſe, als wenn man ihn bey derſelben Bildung ſeines Geiſtes in Karten und Würfeln Erholung finden läſst? So lange man mir nicht das Gegentheil darthun kann, halte ich dieſe Tändeleyen für Sachen von pädagogiſcher Wich- tigkeit. Ich muſs hier einiges über den päda- gogiſchen Nutzen und die Nothwendigkeit der Spiele ſagen.
Wenn das gröſste Geheimniſs der Erziehung darin beſteht, daſs die Uebungen des Geiſtes und Körpers ſich gegenſeitig zur Erholung dienen: ſo ſind Spiele, beſonders Bewegungsſpiele, ſo wie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche Sachen. Stünde dieſer Satz auch nicht im Emil, ſo würde ihn ja ſchon jeder Schulknabe verkün-
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[18/0050]
ſten Hannöverſchen Entdeckungen weder Wiſ-
ſenſchaft noch Kunſt, ſondern wer weiſs was iſt,
aus zwey Knaben von völlig gleichen Anlagen
durch entgegen geſetzte Behandlung in Spielen
zwey, in Rückſicht ihres körperlichen und gei-
ſtigen Zuſtandes, ganz verſchiedene Geſchöpfe
zu machen. Oder läſst ſichs denn von vornher
ſo ſchwer einſehen, daſs ein Knabe, den man
zehn Jahre hindurch in vernünftiger Abwechſe-
lung zwiſchen geiſtigem Ernſte und körperlichen
Scherze, ich meine zwiſchen geiſtiger Ausbildung
und geſunden körperlichen Uebungen und Spie-
len erhält, daſs ein ſolcher Knabe weit beſſer
gedeihen müſſe, als wenn man ihn bey derſelben
Bildung ſeines Geiſtes in Karten und Würfeln
Erholung finden läſst? So lange man mir nicht
das Gegentheil darthun kann, halte ich dieſe
Tändeleyen für Sachen von pädagogiſcher Wich-
tigkeit. Ich muſs hier einiges über den päda-
gogiſchen Nutzen und die Nothwendigkeit der
Spiele ſagen.
Wenn das gröſste Geheimniſs der Erziehung
darin beſteht, daſs die Uebungen des Geiſtes und
Körpers ſich gegenſeitig zur Erholung dienen:
ſo ſind Spiele, beſonders Bewegungsſpiele, ſo
wie Leibesübungen überhaupt, unentbehrliche
Sachen. Stünde dieſer Satz auch nicht im Emil,
ſo würde ihn ja ſchon jeder Schulknabe verkün-
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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