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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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& Indole prudentiae civilis.
Daher wird ins künfftige gewiesen werden, wie die Höflichkeit, oder die
complaisance erfordert werde, daß ich mir Freunde mache. Die Freun-
de werden durch die complaisance gewonnen, daß sie sich artig und ge-
nauer mit mir conjungiren. Daher muß man wissen, wie man sich in
Geberden, Reden, Kleider-tragen in acht nehmen müsse; damit man
nicht etwan sich durch solche nicht nur keine Freunde, sondern vielmehr
Feinde zu wege bringe. Weil nun einige Doctores gesehen, daß dieses
in Politicis muß gezeiget werden, so haben sie gemeynet, es bestehe die
Politic eintzig und allein darinnen. Allein ob wohl nicht zu läugnen,
daß solches davon ein Stück mit ist, so kan man es doch eben nicht vor
das Hauptwerck ansehen: Vielmehr ist es nur eine Suite. Alle Men-
schen kan man freylich nicht zu Freunden haben; aber der gar keine
Freunde hat, ist unverständig, und wird bey ihm statt finden, was Pli-
nius
sagt: inopia amicorum ipsum perdit. Damit man aber nur ein
Exempel sehe: so ist zu mercken: Derjenige wird sich keine Freunde ma-
chen, welcher ein homo sordidus, dem die Lichter zur Nase heraus han-
gen, denn die Leute haben einen Eckel, wenn sie ihn sehen, sie lauffen vor
ihm, als wie die Holtzschreyer vor den Eulen wegfliehen. Deßwegen
muß man die Leute von Jugend auf darzu gewöhnen, daß sie dasjenige
vornehmen, was andern Leuten gefällt, weil ihnen dran gelegen, daß sie
Freunde bekommen. Das sind lauter differente Sachen, so man bey
der Höflichkeit saget und nichts böses, daher kan sie ein jeder thun. Wenn
ich alleine bin, kan ich thun, was ich will; bin ich aber in compagnie,
so muß ich dasjenige dissimuliren, was ich sonst thue, wenn ich alleine
bin. Wer will wohl überlaut lachen in compagnie. Es ist toediös.
Wenn man auch einen Kerl nicht leiden kan, so wird man allezeit einen
Indicem seiner Fehler anzeigen können. Das ist eben ein Anzeigen, daß
der Kerl unverständig. Sagt einer: was scheere ich mich drum, ob al-
les so accurat ist, das ist ein homo indecorus, der keinen Verstand hat.
Man muß aber auch wissen, den Unterscheid inter prudentiam & sapien-
tiam,
daher ist zu mercken, prudens cavet, und also supponiren wir ein
malum, quod cavemus seu removere gestimus. Das geschiehet nicht
sine intelligentia mali: Denn dum impedimenta perspicio, cognosco ma-
lum,
welches ich suche zu removiren, & tunc consequor bonum. Da-
her thun die ambitiosi, welche in diesem Stück die veros prudentes imi-
ti
ren wollen, obgleich sonst ihr Scopus nichts tauget, recht, daß sie im-
pedimenta removi
ren. Ein Ehrgeitziger ist wie die Mutter der Kinder
Zebedäi, welche haben wollte, es sollten ihre Kinder zur Rechten sitzen,
und sahe nicht auf das, was im Wege stunde. GOtt ist allein perfe-

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C

& Indole prudentiæ civilis.
Daher wird ins kuͤnfftige gewieſen werden, wie die Hoͤflichkeit, oder die
complaiſance erfordert werde, daß ich mir Freunde mache. Die Freun-
de werden durch die complaiſance gewonnen, daß ſie ſich artig und ge-
nauer mit mir conjungiren. Daher muß man wiſſen, wie man ſich in
Geberden, Reden, Kleider-tragen in acht nehmen muͤſſe; damit man
nicht etwan ſich durch ſolche nicht nur keine Freunde, ſondern vielmehr
Feinde zu wege bringe. Weil nun einige Doctores geſehen, daß dieſes
in Politicis muß gezeiget werden, ſo haben ſie gemeynet, es beſtehe die
Politic eintzig und allein darinnen. Allein ob wohl nicht zu laͤugnen,
daß ſolches davon ein Stuͤck mit iſt, ſo kan man es doch eben nicht vor
das Hauptwerck anſehen: Vielmehr iſt es nur eine Suite. Alle Men-
ſchen kan man freylich nicht zu Freunden haben; aber der gar keine
Freunde hat, iſt unverſtaͤndig, und wird bey ihm ſtatt finden, was Pli-
nius
ſagt: inopia amicorum ipſum perdit. Damit man aber nur ein
Exempel ſehe: ſo iſt zu mercken: Derjenige wird ſich keine Freunde ma-
chen, welcher ein homo ſordidus, dem die Lichter zur Naſe heraus han-
gen, denn die Leute haben einen Eckel, wenn ſie ihn ſehen, ſie lauffen vor
ihm, als wie die Holtzſchreyer vor den Eulen wegfliehen. Deßwegen
muß man die Leute von Jugend auf darzu gewoͤhnen, daß ſie dasjenige
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Freunde bekommen. Das ſind lauter differente Sachen, ſo man bey
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ich alleine bin, kan ich thun, was ich will; bin ich aber in compagnie,
ſo muß ich dasjenige diſſimuliren, was ich ſonſt thue, wenn ich alleine
bin. Wer will wohl uͤberlaut lachen in compagnie. Es iſt tœdiös.
Wenn man auch einen Kerl nicht leiden kan, ſo wird man allezeit einen
Indicem ſeiner Fehler anzeigen koͤnnen. Das iſt eben ein Anzeigen, daß
der Kerl unverſtaͤndig. Sagt einer: was ſcheere ich mich drum, ob al-
les ſo accurat iſt, das iſt ein homo indecorus, der keinen Verſtand hat.
Man muß aber auch wiſſen, den Unterſcheid inter prudentiam & ſapien-
tiam,
daher iſt zu mercken, prudens cavet, und alſo ſupponiren wir ein
malum, quod cavemus ſeu removere geſtimus. Das geſchiehet nicht
ſine intelligentia mali: Denn dum impedimenta perſpicio, cognoſco ma-
lum,
welches ich ſuche zu removiren, & tunc conſequor bonum. Da-
her thun die ambitioſi, welche in dieſem Stuͤck die veros prudentes imi-
ti
ren wollen, obgleich ſonſt ihr Scopus nichts tauget, recht, daß ſie im-
pedimenta removi
ren. Ein Ehrgeitziger iſt wie die Mutter der Kinder
Zebedaͤi, welche haben wollte, es ſollten ihre Kinder zur Rechten ſitzen,
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[17/0037] & Indole prudentiæ civilis. Daher wird ins kuͤnfftige gewieſen werden, wie die Hoͤflichkeit, oder die complaiſance erfordert werde, daß ich mir Freunde mache. Die Freun- de werden durch die complaiſance gewonnen, daß ſie ſich artig und ge- nauer mit mir conjungiren. Daher muß man wiſſen, wie man ſich in Geberden, Reden, Kleider-tragen in acht nehmen muͤſſe; damit man nicht etwan ſich durch ſolche nicht nur keine Freunde, ſondern vielmehr Feinde zu wege bringe. Weil nun einige Doctores geſehen, daß dieſes in Politicis muß gezeiget werden, ſo haben ſie gemeynet, es beſtehe die Politic eintzig und allein darinnen. Allein ob wohl nicht zu laͤugnen, daß ſolches davon ein Stuͤck mit iſt, ſo kan man es doch eben nicht vor das Hauptwerck anſehen: Vielmehr iſt es nur eine Suite. Alle Men- ſchen kan man freylich nicht zu Freunden haben; aber der gar keine Freunde hat, iſt unverſtaͤndig, und wird bey ihm ſtatt finden, was Pli- nius ſagt: inopia amicorum ipſum perdit. Damit man aber nur ein Exempel ſehe: ſo iſt zu mercken: Derjenige wird ſich keine Freunde ma- chen, welcher ein homo ſordidus, dem die Lichter zur Naſe heraus han- gen, denn die Leute haben einen Eckel, wenn ſie ihn ſehen, ſie lauffen vor ihm, als wie die Holtzſchreyer vor den Eulen wegfliehen. Deßwegen muß man die Leute von Jugend auf darzu gewoͤhnen, daß ſie dasjenige vornehmen, was andern Leuten gefaͤllt, weil ihnen dran gelegen, daß ſie Freunde bekommen. Das ſind lauter differente Sachen, ſo man bey der Hoͤflichkeit ſaget und nichts boͤſes, daher kan ſie ein jeder thun. Wenn ich alleine bin, kan ich thun, was ich will; bin ich aber in compagnie, ſo muß ich dasjenige diſſimuliren, was ich ſonſt thue, wenn ich alleine bin. Wer will wohl uͤberlaut lachen in compagnie. Es iſt tœdiös. Wenn man auch einen Kerl nicht leiden kan, ſo wird man allezeit einen Indicem ſeiner Fehler anzeigen koͤnnen. Das iſt eben ein Anzeigen, daß der Kerl unverſtaͤndig. Sagt einer: was ſcheere ich mich drum, ob al- les ſo accurat iſt, das iſt ein homo indecorus, der keinen Verſtand hat. Man muß aber auch wiſſen, den Unterſcheid inter prudentiam & ſapien- tiam, daher iſt zu mercken, prudens cavet, und alſo ſupponiren wir ein malum, quod cavemus ſeu removere geſtimus. Das geſchiehet nicht ſine intelligentia mali: Denn dum impedimenta perſpicio, cognoſco ma- lum, welches ich ſuche zu removiren, & tunc conſequor bonum. Da- her thun die ambitioſi, welche in dieſem Stuͤck die veros prudentes imi- tiren wollen, obgleich ſonſt ihr Scopus nichts tauget, recht, daß ſie im- pedimenta removiren. Ein Ehrgeitziger iſt wie die Mutter der Kinder Zebedaͤi, welche haben wollte, es ſollten ihre Kinder zur Rechten ſitzen, und ſahe nicht auf das, was im Wege ſtunde. GOtt iſt allein perfe- cte C

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/37>, abgerufen am 21.11.2024.