Don Philipp lange wird König in Spanien bleiben, so wird seine Ge- mahlin noch vielen Lerm machen. Die Weiber sind praecipites, rach- gierig; So bald eine Frau mit befragt wird, passiren casus, tragici sup- plicia. Wenn sie böse werden, vergessen sie es nicht leicht wieder, und indem sie es nicht vergessen, so sind sie grausam, ruhen auch nicht eher, bis er todt. Tiberius hat deßwegen seine Mutter, die Liviam, eine ge- scheuete Frau, nicht wollen mit regieren lassen, sondern sagte ihr, sie möch- te sich vom Regiment entfernen.
§. 13. Ein Herr kan nicht besser seine Leute kennen lernen, als wenn er sie nicht per saltum sondern per gradus promoviret. De Callie- res in seinem Tractat de la fortune de Gens de Cour meynet: Wenn man sein Glücke machen wollte, müsse man es in einer Monarchie thun, weil man da geschwind könne in die Höhe kommen; da man hergegen in einer libera republica per gradus gehen müste. Aber das letzte ist besser. Keiner hat es mehr observiret, als Henricus VII. welches Verulamius in Vita Henricii VII. bemercket. Dieser hat alle per gradus promoviret, welches daher kam, weil er niemanden trauete, er hat auch keinen Pre- mier-Ministre gehalten, sondern vor sich regieret. Carolus IV. hat dieses auch gesehen. Er kam einsmahls in ein Closter, welches vor diesen mi- serable ausgesehen, der Probst aber daselbst hatte es in einen vortreffli- chen Zustand gebracht. Zu diesen hat Carolus IV. gesagt: Du hast ein kleines Closter gehabt, und solches in Aufnahme gebracht, weil das ge- schehen in kleinen, so kanst du es auch in grossen thun. Er machte ihn zu seinen Cammer-Nath, wodurch er auch vortrefflich reussiret. Wenn ein Herr die Leute per gradus promovirt, so kan er sehen, wie sie zu diesem oder jenem geschickt. Die Leute werden auch nicht stoltz: Denn wenn sie immer noch einen grad vor sich haben, so bleiben sie in der Demuth, wird aber einer auf einmahl erhoben, so wird er stoltz, und denckt, es sey nie- mand in der Welt, der solche meriten habe, als er; Es ist auch ein sol- cher Kerl dem Land schädlich, denn er hat keine Erfahrung. Alles Un- glück ist unter Jacobo I. von seiner albern affection, herkommen; da her- gegen sein Antecessor, Henricus VII. sich gantz anders aufgeführet. Am besten ists, wenn man Staats-Leute läßt aufwachsen; doch kan man nicht gantz junge Leute dazu nehmen: denn sie schwatzen alles aus. Die- ses aber ist gut, daß man die Leute geschwind in geheime Cantzeleyen bringet, damit sie lernen schreiben, und sich angewöhnen zu sitzen. Ob- gleich in Franckreich die Aemter verkaufft werden, so siehet man doch auch darauf, daß derer Staats-Secretarien Kinder gleich wieder zu sol- chen Dingen angehalten werden. Henricus VIII. hat so ein Contuber-
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ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores
Don Philipp lange wird Koͤnig in Spanien bleiben, ſo wird ſeine Ge- mahlin noch vielen Lerm machen. Die Weiber ſind præcipites, rach- gierig; So bald eine Frau mit befragt wird, paſſiren caſus, tragici ſup- plicia. Wenn ſie boͤſe werden, vergeſſen ſie es nicht leicht wieder, und indem ſie es nicht vergeſſen, ſo ſind ſie grauſam, ruhen auch nicht eher, bis er todt. Tiberius hat deßwegen ſeine Mutter, die Liviam, eine ge- ſcheuete Frau, nicht wollen mit regieren laſſen, ſondern ſagte ihr, ſie moͤch- te ſich vom Regiment entfernen.
§. 13. Ein Herr kan nicht beſſer ſeine Leute kennen lernen, als wenn er ſie nicht per ſaltum ſondern per gradus promoviret. De Callie- res in ſeinem Tractat de la fortune de Gens de Cour meynet: Wenn man ſein Gluͤcke machen wollte, muͤſſe man es in einer Monarchie thun, weil man da geſchwind koͤnne in die Hoͤhe kommen; da man hergegen in einer libera republica per gradus gehen muͤſte. Aber das letzte iſt beſſer. Keiner hat es mehr obſerviret, als Henricus VII. welches Verulamius in Vita Henricii VII. bemercket. Dieſer hat alle per gradus promoviret, welches daher kam, weil er niemanden trauete, er hat auch keinen Pre- mier-Miniſtre gehalten, ſondern vor ſich regieret. Carolus IV. hat dieſes auch geſehen. Er kam einsmahls in ein Cloſter, welches vor dieſen mi- ſerable ausgeſehen, der Probſt aber daſelbſt hatte es in einen vortreffli- chen Zuſtand gebracht. Zu dieſen hat Carolus IV. geſagt: Du haſt ein kleines Cloſter gehabt, und ſolches in Aufnahme gebracht, weil das ge- ſchehen in kleinen, ſo kanſt du es auch in groſſen thun. Er machte ihn zu ſeinen Cammer-Nath, wodurch er auch vortrefflich reuſſiret. Wenn ein Herr die Leute per gradus promovirt, ſo kan er ſehen, wie ſie zu dieſem oder jenem geſchickt. Die Leute werden auch nicht ſtoltz: Denn wenn ſie immer noch einen grad vor ſich haben, ſo bleiben ſie in der Demuth, wird aber einer auf einmahl erhoben, ſo wird er ſtoltz, und denckt, es ſey nie- mand in der Welt, der ſolche meriten habe, als er; Es iſt auch ein ſol- cher Kerl dem Land ſchaͤdlich, denn er hat keine Erfahrung. Alles Un- gluͤck iſt unter Jacobo I. von ſeiner albern affection, herkommen; da her- gegen ſein Anteceſſor, Henricus VII. ſich gantz anders aufgefuͤhret. Am beſten iſts, wenn man Staats-Leute laͤßt aufwachſen; doch kan man nicht gantz junge Leute dazu nehmen: denn ſie ſchwatzen alles aus. Die- ſes aber iſt gut, daß man die Leute geſchwind in geheime Cantzeleyen bringet, damit ſie lernen ſchreiben, und ſich angewoͤhnen zu ſitzen. Ob- gleich in Franckreich die Aemter verkaufft werden, ſo ſiehet man doch auch darauf, daß derer Staats-Secretarien Kinder gleich wieder zu ſol- chen Dingen angehalten werden. Henricus VIII. hat ſo ein Contuber-
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ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores
Don Philipp lange wird Koͤnig in Spanien bleiben, ſo wird ſeine Ge-
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indem ſie es nicht vergeſſen, ſo ſind ſie grauſam, ruhen auch nicht eher,
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wenn er ſie nicht per ſaltum ſondern per gradus promoviret. De Callie-
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man ſein Gluͤcke machen wollte, muͤſſe man es in einer Monarchie thun,
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Keiner hat es mehr obſerviret, als Henricus VII. welches Verulamius in
Vita Henricii VII. bemercket. Dieſer hat alle per gradus promoviret,
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gluͤck iſt unter Jacobo I. von ſeiner albern affection, herkommen; da her-
gegen ſein Anteceſſor, Henricus VII. ſich gantz anders aufgefuͤhret. Am
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gleich in Franckreich die Aemter verkaufft werden, ſo ſiehet man doch
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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/263>, abgerufen am 11.06.2024.
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