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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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PROLEGOMENA.
Es kommt in der Politic theils an auf demonstrationes, theils auf
futura; in futuris muß man callidissime können conjecturiren.
Nun habe ich wohl nicht selbst regieret, aber wer einen bon sens
hat, die Welt zu kennen, und die Historie weiß, der kan schon die
Politic dociren.

Was die Hi-
storie dabey
nütze?

Die Historie ist ein Cabinet, darinnen man alles sehen kan, was
passiret; alle revolutiones, eventus rerum kan man da sehen.
Man findet die Historiam sapientiae & stultitiae, da siehet man,
wer weislich und nicht weislich regieret. In Politicis kan man
unter allen Büchern, des Hertii seine Politic am besten gebrauchen,
welcher erst Politicam generalem, und hernach specialem tracti-
ret. Die Spanier haben auch tägliche Politicos gehabt, worun-
ter sonderlich der Antonius Perez gewesen, der dem Philippo in
Spanien in vielen gerathen. Eine Politic wird freylich sehr mager,
wo man keine Historie weiß: denn da kan man nicht so geschwind
den Nutzen sehen. Puffendorff in seinem Tractat de Officio Ho-
minis & Civis
hat auch generalia principia von der Politic;
diese sind aber keinesweges hinlänglich: denn ich muß da auch sehen,
wie ich die Jura klüglich gebrauchen kan. Aristoteles hat schon die
Frage aufgeworffen: ob junge Leute die Politic studiren sollten? Er
beantwortet solches mit Ja, und ist auch Cicero Lib. VI. Epist. 18.
ad Famil.
gleicher Meynung. Cicero recommendiret sie dem
Leptae, einem noch jungen Menschen. Eben diesem gebe ich auch
Beyfall: denn wer bald aufängt dieses studium zu treiben, wird
desto geschwinder abgeführet von denen ineptiis, und praejudiciis.
Er lernet den Enthusiastnum politicum vermeiden, welcher höchst
schädlich und gefährlich ist. Hat einer aber die regulas prudentiae
begriffen, so thut er wohl, daß er dieselben sucht zu appliciren, und
das complementum, nehmlich den usum, beobachte. Durch den
usum wird alles polirt, lebendig: Der usus überzeuget mir nur,
was ich jetzo, in dieser station, gebrauche, nicht aber, was ich ins
künfftige nöthig habe. e.g. Es ist einer in Franckreich in gewissen
negotiis gebrauchet worden, so kan er daselbst rool sein Amt führen;

her-

PROLEGOMENA.
Es kommt in der Politic theils an auf demonſtrationes, theils auf
futura; in futuris muß man callidiſſime koͤnnen conjecturiren.
Nun habe ich wohl nicht ſelbſt regieret, aber wer einen bon ſens
hat, die Welt zu kennen, und die Hiſtorie weiß, der kan ſchon die
Politic dociren.

Was die Hi-
ſtorie dabey
nuͤtze?

Die Hiſtorie iſt ein Cabinet, darinnen man alles ſehen kan, was
paſſiret; alle revolutiones, eventus rerum kan man da ſehen.
Man findet die Hiſtoriam ſapientiæ & ſtultitiæ, da ſiehet man,
wer weislich und nicht weislich regieret. In Politicis kan man
unter allen Buͤchern, des Hertii ſeine Politic am beſten gebrauchen,
welcher erſt Politicam generalem, und hernach ſpecialem tracti-
ret. Die Spanier haben auch taͤgliche Politicos gehabt, worun-
ter ſonderlich der Antonius Perez geweſen, der dem Philippo in
Spanien in vielen gerathen. Eine Politic wird freylich ſehr mager,
wo man keine Hiſtorie weiß: denn da kan man nicht ſo geſchwind
den Nutzen ſehen. Puffendorff in ſeinem Tractat de Officio Ho-
minis & Civis
hat auch generalia principia von der Politic;
dieſe ſind aber keinesweges hinlaͤnglich: denn ich muß da auch ſehen,
wie ich die Jura kluͤglich gebrauchen kan. Ariſtoteles hat ſchon die
Frage aufgeworffen: ob junge Leute die Politic ſtudiren ſollten? Er
beantwortet ſolches mit Ja, und iſt auch Cicero Lib. VI. Epiſt. 18.
ad Famil.
gleicher Meynung. Cicero recommendiret ſie dem
Leptæ, einem noch jungen Menſchen. Eben dieſem gebe ich auch
Beyfall: denn wer bald aufaͤngt dieſes ſtudium zu treiben, wird
deſto geſchwinder abgefuͤhret von denen ineptiis, und præjudiciis.
Er lernet den Enthuſiastnum politicum vermeiden, welcher hoͤchſt
ſchaͤdlich und gefaͤhrlich iſt. Hat einer aber die regulas prudentiæ
begriffen, ſo thut er wohl, daß er dieſelben ſucht zu appliciren, und
das complementum, nehmlich den uſum, beobachte. Durch den
uſum wird alles polirt, lebendig: Der uſus uͤberzeuget mir nur,
was ich jetzo, in dieſer ſtation, gebrauche, nicht aber, was ich ins
kuͤnfftige noͤthig habe. e.g. Es iſt einer in Franckreich in gewiſſen
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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/24>, abgerufen am 21.11.2024.