Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.PROLEGOMENA. hergegen kommt er in die Schweitz, oder an einen andern Orth, dawird eine gantz andere Art connoisance erfordert, und wenn er da will reussiren, so muß er sich die Sachen bekannt machen. Hätte der vorige König in Schweden den Türckischen Hof gekannt, und ge- wust, daß der Groß-Vezier und Muffti Frippons von profession, so würde er gantz andere messures genommen haben. Denn bey den Türcken regieret der Geitz, wer da am meisten biethet, der gewin- net. Es sind daselbst auch allerhand changements; der wird heute stranguliret, morgen ein anderer. Der Sultan ist selbst nicht sicher, und hat das Reich nur bisher durch Tyranney und Geschwindigkeit bestanden. Man lernet aber nicht allein in der Politic regieren, sondernPolitica pri- be- A 3
PROLEGOMENA. hergegen kommt er in die Schweitz, oder an einen andern Orth, dawird eine gantz andere Art connoiſance erfordert, und wenn er da will reuſſiren, ſo muß er ſich die Sachen bekannt machen. Haͤtte der vorige Koͤnig in Schweden den Tuͤrckiſchen Hof gekannt, und ge- wuſt, daß der Groß-Vezier und Muffti Frippons von profeſſion, ſo wuͤrde er gantz andere meſſures genommen haben. Denn bey den Tuͤrcken regieret der Geitz, wer da am meiſten biethet, der gewin- net. Es ſind daſelbſt auch allerhand changements; der wird heute ſtranguliret, morgen ein anderer. Der Sultan iſt ſelbſt nicht ſicher, und hat das Reich nur bisher durch Tyranney und Geſchwindigkeit beſtanden. Man lernet aber nicht allein in der Politic regieren, ſondernPolitica pri- be- A 3
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PROLEGOMENA.
hergegen kommt er in die Schweitz, oder an einen andern Orth, da
wird eine gantz andere Art connoiſance erfordert, und wenn er
da will reuſſiren, ſo muß er ſich die Sachen bekannt machen. Haͤtte
der vorige Koͤnig in Schweden den Tuͤrckiſchen Hof gekannt, und ge-
wuſt, daß der Groß-Vezier und Muffti Frippons von profeſſion,
ſo wuͤrde er gantz andere meſſures genommen haben. Denn bey
den Tuͤrcken regieret der Geitz, wer da am meiſten biethet, der gewin-
net. Es ſind daſelbſt auch allerhand changements; der wird heute
ſtranguliret, morgen ein anderer. Der Sultan iſt ſelbſt nicht ſicher,
und hat das Reich nur bisher durch Tyranney und Geſchwindigkeit
beſtanden.
Man lernet aber nicht allein in der Politic regieren, ſondern
wie man ſich conduiſiren ſoll, in allen ſocietatibus. Ein jeder
Menſch hat ja ſeine Politic, daher hat eben Weiſe in Zittau, den
Politiſchen Feuer-Maͤuer-Kehrer, die Politiſche Troͤdel-Frau und
anders mehr geſchrieben. Er hat es aber dicis gratia gethan.
Um dieſes alles kan man ſich hier nicht bekuͤmmern. Man nimmt
nur die noͤthigen ſocietates, worinnen alle ſtehen, oder wenigſtens
Hoffnung haben darein zu kommen. Das Hauptwerck aber wird
gehen auf rempublicam. In der Politic conſideriret man die
Menſchen tanquam in morali loco conſiſtentes. Ein jeder
Menſch hat ſeinen locum moralem, daher muß er dieſen locum
ſuchen zu mainteniren, und alle impedimenta aus dem Wege
raͤumen; er muß in allen ſeinen Sachen ſuchen Ordnung zu halten.
Ex illo ordine demum reſultat felicitas. Ein Kauffmann
mainteniret ſeinen locum nicht, wenn er banguerout ſpielet. Ein
Hauß-Vater gleichfalls nicht, wenn er ſeine œconomie ruiniret.
Non tuetur locum ein Miniſtre, wenn er abgeſetzt wird. Deß-
wegen ſagt man eben: Politica eſt ars tuendi & conſervandi ſta-
tum ſuum. Man haͤlt denjenigen nicht vor geſcheut, welcher zum
Thore hinaus gehen, der ſein Handwerck verlaſſen muß. Alle klei-
nen ſocietates concurriren mit ad felicitatem reipublicæ. Da-
her muͤſſen die kleinen ſocietates ebenfalls ſo eingerichtet werden,
daß ein jeder kan ſeinen Zweck erhalten. Magna civitas kan nicht
be-
Politica pri-
vata.
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