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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. IV.
dern, sie suchen, daß die Kinder ohne lange studiren mögen in Bedie-
nung kommen, sie gelangen auch wohl dazu; aber postea ascendere ne-
queunt:
Denn was sie gelernet haben, sind nur superficiaria. Daher
siehet man, daß die Eltern die meiste Schuld haben, daß so wenig solide
Leute sind; die Kinder aber sind auch nicht auszuschliessen, denn sie wol-
len offt gerne bald ein Amt und eine Braut haben. Heut zu Tage sind
zwar die Studiosi glücklich, daß ihnen die Wissenschafften per synopsin
beygebracht werden, aber es gehöret doch auch Zeit dazu. Grosse Her-
ren haben eben nicht nöthig, daß sie viel Zeit an studia wenden: Denn
wenn sie auf praxin kommen, sie gelangen zur administration, so können
sie die cautelen leicht lernen, doch schadet ihnen nichts, wenn sie nebst
Sprachen und andern Wissenschafften auch die Moral und Politic er-
lernen. Inter privatos kriegt ein halb Gelehrter nur einen kleinen Dienst,
und bleibt dabey sitzen; hingegen einer, der mehr Zeit angewendet, der
etwas rechts gelernet, springet über die kleinen Lichter weg, und wird
immer weiter befördert. Trifft ja das Glück einen Idioten, daß er Pre-
mier-Ministre
wird, so muß er doch immer andere dabey haben, die ihm
mit Rath an die Hand gehen. Concini, ein Italiäner, kam bey der
Maria de Medices so hoch ans Bret, daß er Premier-Ministre wurde, er
war aber ein unerfahrner Mann, und muste dem Petro Putaneo immer
in die Hand sehen. Endlich ließ er den Concini fallen, und bey den fau-
ten
schob er alles auf den Concini, damit ward Concini, oder, welches
einerley ist, der Marechal d'Ancre massacriret, und Puteanus blieb am
Leben. Auf Universitäten kan man auch schon in drey Jahren etwas
lernen, wenn man fleißig ist, vid. Clapmarii Triennium nobile, it. Gro-
tii Instruction,
in einer Epistel, die er an Benjamin Aubery geschrieben,
wie er in drey Jahren seine studia einrichten sollte, daß er reüssiren könn-
te. Wegen der Kosten wollen sie auch die Eltern nicht lange auf Uni-
versit
äten lassen; daher thun die Söhne wohl, daß sie menagiren, und
dabey was lernen.

Wie die Glück-
seligkeit in an-
dern bürgerli-
chen Ständen
verlanget wer-
de?

§. 9. Die abundantia ist ein onus, und doch suchen alle Men-
schen solche; Dahero auch die mercatores und opifices solches als ihren
scopum ansehen, welches doch alles nichts ist. Dieses kan man daher
demonstriren; Derjenige opifex, welcher mehr hat als ein opifex haben
soll, der bleibet kein opifex, ingleichen, derjenige Kauffmann, welcher
mehr hat, als ein Kauffmann haben soll, und zu seiner subsistenz nöthig hat,
hört auf ein Kauffmann zu seyn, er will eine Charge, eine Ehren-Stelle
haben, ein gentil-homme werden, da wird der numerus opificum und
mercatorum geringer. Das ist eben ein grosser Fehler, welchen man von

En-

Cap. IV.
dern, ſie ſuchen, daß die Kinder ohne lange ſtudiren moͤgen in Bedie-
nung kommen, ſie gelangen auch wohl dazu; aber poſtea aſcendere ne-
queunt:
Denn was ſie gelernet haben, ſind nur ſuperficiaria. Daher
ſiehet man, daß die Eltern die meiſte Schuld haben, daß ſo wenig ſolide
Leute ſind; die Kinder aber ſind auch nicht auszuſchlieſſen, denn ſie wol-
len offt gerne bald ein Amt und eine Braut haben. Heut zu Tage ſind
zwar die Studioſi gluͤcklich, daß ihnen die Wiſſenſchafften per ſynopſin
beygebracht werden, aber es gehoͤret doch auch Zeit dazu. Groſſe Her-
ren haben eben nicht noͤthig, daß ſie viel Zeit an ſtudia wenden: Denn
wenn ſie auf praxin kommen, ſie gelangen zur adminiſtration, ſo koͤnnen
ſie die cautelen leicht lernen, doch ſchadet ihnen nichts, wenn ſie nebſt
Sprachen und andern Wiſſenſchafften auch die Moral und Politic er-
lernen. Inter privatos kriegt ein halb Gelehrter nur einen kleinen Dienſt,
und bleibt dabey ſitzen; hingegen einer, der mehr Zeit angewendet, der
etwas rechts gelernet, ſpringet uͤber die kleinen Lichter weg, und wird
immer weiter befoͤrdert. Trifft ja das Gluͤck einen Idioten, daß er Pre-
mier-Miniſtre
wird, ſo muß er doch immer andere dabey haben, die ihm
mit Rath an die Hand gehen. Concini, ein Italiaͤner, kam bey der
Maria de Medices ſo hoch ans Bret, daß er Premier-Miniſtre wurde, er
war aber ein unerfahrner Mann, und muſte dem Petro Putaneo immer
in die Hand ſehen. Endlich ließ er den Concini fallen, und bey den fau-
ten
ſchob er alles auf den Concini, damit ward Concini, oder, welches
einerley iſt, der Marechal d’Ancre maſſacriret, und Puteanus blieb am
Leben. Auf Univerſitaͤten kan man auch ſchon in drey Jahren etwas
lernen, wenn man fleißig iſt, vid. Clapmarii Triennium nobile, it. Gro-
tii Inſtruction,
in einer Epiſtel, die er an Benjamin Aubery geſchrieben,
wie er in drey Jahren ſeine ſtudia einrichten ſollte, daß er reuͤſſiren koͤnn-
te. Wegen der Koſten wollen ſie auch die Eltern nicht lange auf Uni-
verſit
aͤten laſſen; daher thun die Soͤhne wohl, daß ſie menagiren, und
dabey was lernen.

Wie die Gluͤck-
ſeligkeit in an-
dern buͤrgerli-
chen Staͤnden
verlanget wer-
de?

§. 9. Die abundantia iſt ein onus, und doch ſuchen alle Men-
ſchen ſolche; Dahero auch die mercatores und opifices ſolches als ihren
ſcopum anſehen, welches doch alles nichts iſt. Dieſes kan man daher
demonſtriren; Derjenige opifex, welcher mehr hat als ein opifex haben
ſoll, der bleibet kein opifex, ingleichen, derjenige Kauffmann, welcher
mehr hat, als ein Kauffmann haben ſoll, und zu ſeiner ſubſiſtenz noͤthig hat,
hoͤrt auf ein Kauffmann zu ſeyn, er will eine Charge, eine Ehren-Stelle
haben, ein gentil-homme werden, da wird der numerus opificum und
mercatorum geringer. Das iſt eben ein groſſer Fehler, welchen man von

En-
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[96/0116] Cap. IV. dern, ſie ſuchen, daß die Kinder ohne lange ſtudiren moͤgen in Bedie- nung kommen, ſie gelangen auch wohl dazu; aber poſtea aſcendere ne- queunt: Denn was ſie gelernet haben, ſind nur ſuperficiaria. Daher ſiehet man, daß die Eltern die meiſte Schuld haben, daß ſo wenig ſolide Leute ſind; die Kinder aber ſind auch nicht auszuſchlieſſen, denn ſie wol- len offt gerne bald ein Amt und eine Braut haben. Heut zu Tage ſind zwar die Studioſi gluͤcklich, daß ihnen die Wiſſenſchafften per ſynopſin beygebracht werden, aber es gehoͤret doch auch Zeit dazu. Groſſe Her- ren haben eben nicht noͤthig, daß ſie viel Zeit an ſtudia wenden: Denn wenn ſie auf praxin kommen, ſie gelangen zur adminiſtration, ſo koͤnnen ſie die cautelen leicht lernen, doch ſchadet ihnen nichts, wenn ſie nebſt Sprachen und andern Wiſſenſchafften auch die Moral und Politic er- lernen. Inter privatos kriegt ein halb Gelehrter nur einen kleinen Dienſt, und bleibt dabey ſitzen; hingegen einer, der mehr Zeit angewendet, der etwas rechts gelernet, ſpringet uͤber die kleinen Lichter weg, und wird immer weiter befoͤrdert. Trifft ja das Gluͤck einen Idioten, daß er Pre- mier-Miniſtre wird, ſo muß er doch immer andere dabey haben, die ihm mit Rath an die Hand gehen. Concini, ein Italiaͤner, kam bey der Maria de Medices ſo hoch ans Bret, daß er Premier-Miniſtre wurde, er war aber ein unerfahrner Mann, und muſte dem Petro Putaneo immer in die Hand ſehen. Endlich ließ er den Concini fallen, und bey den fau- ten ſchob er alles auf den Concini, damit ward Concini, oder, welches einerley iſt, der Marechal d’Ancre maſſacriret, und Puteanus blieb am Leben. Auf Univerſitaͤten kan man auch ſchon in drey Jahren etwas lernen, wenn man fleißig iſt, vid. Clapmarii Triennium nobile, it. Gro- tii Inſtruction, in einer Epiſtel, die er an Benjamin Aubery geſchrieben, wie er in drey Jahren ſeine ſtudia einrichten ſollte, daß er reuͤſſiren koͤnn- te. Wegen der Koſten wollen ſie auch die Eltern nicht lange auf Uni- verſitaͤten laſſen; daher thun die Soͤhne wohl, daß ſie menagiren, und dabey was lernen. §. 9. Die abundantia iſt ein onus, und doch ſuchen alle Men- ſchen ſolche; Dahero auch die mercatores und opifices ſolches als ihren ſcopum anſehen, welches doch alles nichts iſt. Dieſes kan man daher demonſtriren; Derjenige opifex, welcher mehr hat als ein opifex haben ſoll, der bleibet kein opifex, ingleichen, derjenige Kauffmann, welcher mehr hat, als ein Kauffmann haben ſoll, und zu ſeiner ſubſiſtenz noͤthig hat, hoͤrt auf ein Kauffmann zu ſeyn, er will eine Charge, eine Ehren-Stelle haben, ein gentil-homme werden, da wird der numerus opificum und mercatorum geringer. Das iſt eben ein groſſer Fehler, welchen man von En-

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/116>, abgerufen am 24.11.2024.