Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Vorrede. Werck zur Besserung der Politic noch nicht gethan; Das Rö-mische Recht enthalt nicht allemahl die richtigsten Gründe von der Politic/ die Schlüsse wollen nicht allemahl genau aneinan- der hangen/ und es finden sich viele Puncte/ welche bey denen meisten Staaten heutiger Zeiten schwehrlich statt finden wür- den. Nach den Zeiten der heilsamen Reformation wurden zwar die Universitaeten in vielen gebessert/ und vor andern in theologischen Sachen eine weit tüchtigere Lehr-Art eingefüh- ret/ welches aber bey der Rechts-Gelahrheit und der Welt- Weißheit grösten Theils unterbliebe. Aristoteles bliebe noch das grosse Oracul, ja es wurden auf manchen Universitaeten Befehle gegeben/ daß die Leute sich in der Philosophie nach dem Aristotele richten müsten. Jedoch scheinet es nicht gar zu ge- wiß/ daß man Aristotelis Politic also fort gelehret/ da wir dar- gegen ersehen müssen/ daß die theoretischen Wissenschafften/ als die Logica, Metaphysica, und dergleichen/ überall mit grossem Fleiß erklähret worden. Man setzte etwan einen Professorem Ethices, der die gantze practische Philosophie vortragen solte/ aus welcher Ursache es nachgehends mag geschehen seyn/ daß auf denen meisten Universitaeten dem Professori Moralium die Po- litic zugleich anvertrauet wurde. Im verwichenen Seculo wur- de die Moral und das Recht der Natur durch die gelehrtesten Männer Grotium, Seldenum, Hobbes, Pufendorf, Tho- masium und Titium in ein heller Licht versetzet/ wodurch auch die Politic/ welche mit jenen Wissenschafften gar genau verknüp- fet ist/ ungemein erläutert wurde. Inzwischen wolte sich doch niemand recht über die Politic machen/ und dieselbige in eine tüchtige Ordnung und Geschicke bringen. Die Theologi ver- meinten/ sie brauchten diesen Theil der Philosophie eben so nö- thig nicht/ ohngeachtet sie darinnen sich gewaltig vergangen. Die Juristen sahen/ daß ihnen die Politie höchstnöthig wäre/ allein sie griffen es an dem unrechten Orte an/ und wolten aus dem Rö-
Vorrede. Werck zur Beſſerung der Politic noch nicht gethan; Das Roͤ-miſche Recht enthalt nicht allemahl die richtigſten Gruͤnde von der Politic/ die Schluͤſſe wollen nicht allemahl genau aneinan- der hangen/ und es finden ſich viele Puncte/ welche bey denen meiſten Staaten heutiger Zeiten ſchwehrlich ſtatt finden wuͤr- den. Nach den Zeiten der heilſamen Reformation wurden zwar die Univerſitæten in vielen gebeſſert/ und vor andern in theologiſchen Sachen eine weit tuͤchtigere Lehr-Art eingefuͤh- ret/ welches aber bey der Rechts-Gelahrheit und der Welt- Weißheit groͤſten Theils unterbliebe. Ariſtoteles bliebe noch das groſſe Oracul, ja es wurden auf manchen Univerſitæten Befehle gegeben/ daß die Leute ſich in der Philoſophie nach dem Ariſtotele richten muͤſten. Jedoch ſcheinet es nicht gar zu ge- wiß/ daß man Ariſtotelis Politic alſo fort gelehret/ da wir dar- gegen erſehen muͤſſen/ daß die theoretiſchen Wiſſenſchafften/ als die Logica, Metaphyſica, und dergleichen/ uͤberall mit groſſem Fleiß erklaͤhret worden. Man ſetzte etwan einen Profeſſorem Ethices, der die gantze practiſche Philoſophie vortragen ſolte/ aus welcher Urſache es nachgehends mag geſchehen ſeyn/ daß auf denen meiſten Univerſitæten dem Profeſſori Moralium die Po- litic zugleich anvertrauet wurde. Im verwichenen Seculo wur- de die Moral und das Recht der Natur durch die gelehrteſten Männer Grotium, Seldenum, Hobbes, Pufendorf, Tho- maſium und Titium in ein heller Licht verſetzet/ wodurch auch die Politic/ welche mit jenen Wiſſenſchafften gar genau verknuͤp- fet iſt/ ungemein erlaͤutert wurde. Inzwiſchen wolte ſich doch niemand recht uͤber die Politic machen/ und dieſelbige in eine tuͤchtige Ordnung und Geſchicke bringen. Die Theologi ver- meinten/ ſie brauchten dieſen Theil der Philoſophie eben ſo noͤ- thig nicht/ ohngeachtet ſie darinnen ſich gewaltig vergangen. Die Juriſten ſahen/ daß ihnen die Politie hoͤchſtnoͤthig waͤre/ allein ſie griffen es an dem unrechten Orte an/ und wolten aus dem Roͤ-
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Werck zur Beſſerung der Politic noch nicht gethan; Das Roͤ-
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der Politic/ die Schluͤſſe wollen nicht allemahl genau aneinan-
der hangen/ und es finden ſich viele Puncte/ welche bey denen
meiſten Staaten heutiger Zeiten ſchwehrlich ſtatt finden wuͤr-
den. Nach den Zeiten der heilſamen Reformation wurden
zwar die Univerſitæten in vielen gebeſſert/ und vor andern in
theologiſchen Sachen eine weit tuͤchtigere Lehr-Art eingefuͤh-
ret/ welches aber bey der Rechts-Gelahrheit und der Welt-
Weißheit groͤſten Theils unterbliebe. Ariſtoteles bliebe noch
das groſſe Oracul, ja es wurden auf manchen Univerſitæten
Befehle gegeben/ daß die Leute ſich in der Philoſophie nach dem
Ariſtotele richten muͤſten. Jedoch ſcheinet es nicht gar zu ge-
wiß/ daß man Ariſtotelis Politic alſo fort gelehret/ da wir dar-
gegen erſehen muͤſſen/ daß die theoretiſchen Wiſſenſchafften/ als
die Logica, Metaphyſica, und dergleichen/ uͤberall mit groſſem
Fleiß erklaͤhret worden. Man ſetzte etwan einen Profeſſorem
Ethices, der die gantze practiſche Philoſophie vortragen ſolte/
aus welcher Urſache es nachgehends mag geſchehen ſeyn/ daß auf
denen meiſten Univerſitæten dem Profeſſori Moralium die Po-
litic zugleich anvertrauet wurde. Im verwichenen Seculo wur-
de die Moral und das Recht der Natur durch die gelehrteſten
Männer Grotium, Seldenum, Hobbes, Pufendorf, Tho-
maſium und Titium in ein heller Licht verſetzet/ wodurch auch
die Politic/ welche mit jenen Wiſſenſchafften gar genau verknuͤp-
fet iſt/ ungemein erlaͤutert wurde. Inzwiſchen wolte ſich doch
niemand recht uͤber die Politic machen/ und dieſelbige in eine
tuͤchtige Ordnung und Geſchicke bringen. Die Theologi ver-
meinten/ ſie brauchten dieſen Theil der Philoſophie eben ſo noͤ-
thig nicht/ ohngeachtet ſie darinnen ſich gewaltig vergangen. Die
Juriſten ſahen/ daß ihnen die Politie hoͤchſtnoͤthig waͤre/ allein
ſie griffen es an dem unrechten Orte an/ und wolten aus dem
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