Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Vorrede. lehret/ darunter aber die Ethica und Politica nicht waren/ da-mit ja die Weltlichen nicht zu klug werden solten. Hernach kam des Aristotelis Philosophie ziemlich in Gebrauch/ sonderlich auf der Pariser Academie im 12ten Seculo, dagegen Augustini Schrifften/ derer man sich bishero bedienet hatte/ bey Seite geleget wurden. Die Geistl. wiedersetzten sich zwar der Ari- stotelischen Welt-Weisheit so gar/ daß Ao. 1209 Aristotelis aus der Griechischen ins Lateinische übersetzten Bücher ver- brandt/ und deren Lesung bey Strafe des Kirchenbannes verbothen wurde. Wenige Zeit darnach nahm die Peripa- thetische Lehre dermassen überhand/ daß man lieber Aristote- lis Schrifften/ als untrügliche Bücher ausgeben wolte/ darwi- der kein vernünftiger Mensch etwas sagen dürfte/ weil bey de- nen Philosophis ein Text aus dem Aristotele, so viel als bey de- nen Juristen ein Lex aus dem Codice gelten müsse/ deswegen der gute Petrus Ramus einen tödtlichen Haß von denen andern Gelehrten sich auf den Halß weltzte/ weil er die heil. Aristoteli- sche Philosophie verachtet hatte. Indessen scheinet die Politica Aristotelis später/ als die andern Disciplinen in das Lateinische übersetzet/ und auf den Universitaeten eingeführet zu seyn/ wie Conring in der Meynung stehet; welches auch daraus zu erse- hen/ weil über die andern Bücher des Aristotelis fast unzehlige Commentarii geschmieret worden/ da hergegen über seine Po- liticam sich wenige gemacht haben. Als das Römische Recht auf denen Universitaeten eingeführet wurde/ so ersahen die Rechts-Gelehrten/ daß sie in Erklährung derer Römischen Ge- setze ohne die Politic schwehrlich fortkommen könnten; sie ver- spüreten/ daß die Geistl. Zeithero diese nöthige Wissenschafft betrüglich vor ihren Augen verborgen; die Kayser merckten/ daß die Civilisten/ wie man sie damahls zu nennen pflegte/ wi- der die angemaste Gewalt des Päbstlichen Stuhls ihnen gute Rathschläge ertheilen könnten; doch darmit war das Haupt- Werck
Vorrede. lehret/ darunter aber die Ethica und Politica nicht waren/ da-mit ja die Weltlichen nicht zu klug werden ſolten. Hernach kam des Ariſtotelis Philoſophie ziemlich in Gebrauch/ ſonderlich auf der Pariſer Academie im 12ten Seculo, dagegen Auguſtini Schrifften/ derer man ſich bishero bedienet hatte/ bey Seite geleget wurden. Die Geiſtl. wiederſetzten ſich zwar der Ari- ſtoteliſchen Welt-Weisheit ſo gar/ daß Ao. 1209 Ariſtotelis aus der Griechiſchen ins Lateiniſche uͤberſetzten Buͤcher ver- brandt/ und deren Leſung bey Strafe des Kirchenbannes verbothen wurde. Wenige Zeit darnach nahm die Peripa- thetiſche Lehre dermaſſen uͤberhand/ daß man lieber Ariſtote- lis Schrifften/ als untruͤgliche Buͤcher ausgeben wolte/ darwi- der kein vernuͤnftiger Menſch etwas ſagen duͤrfte/ weil bey de- nen Philoſophis ein Text aus dem Ariſtotele, ſo viel als bey de- nen Juriſten ein Lex aus dem Codice gelten muͤſſe/ deswegen der gute Petrus Ramus einen toͤdtlichen Haß von denen andern Gelehrten ſich auf den Halß weltzte/ weil er die heil. Ariſtoteli- ſche Philoſophie verachtet hatte. Indeſſen ſcheinet die Politica Ariſtotelis ſpaͤter/ als die andern Diſciplinen in das Lateiniſche uͤberſetzet/ und auf den Univerſitæten eingefuͤhret zu ſeyn/ wie Conring in der Meynung ſtehet; welches auch daraus zu erſe- hen/ weil uͤber die andern Buͤcher des Ariſtotelis faſt unzehlige Commentarii geſchmieret worden/ da hergegen uͤber ſeine Po- liticam ſich wenige gemacht haben. Als das Roͤmiſche Recht auf denen Univerſitæten eingefuͤhret wurde/ ſo erſahen die Rechts-Gelehrten/ daß ſie in Erklaͤhrung derer Roͤmiſchen Ge- ſetze ohne die Politic ſchwehrlich fortkommen koͤnnten; ſie ver- ſpuͤreten/ daß die Geiſtl. Zeithero dieſe noͤthige Wiſſenſchafft betruͤglich vor ihren Augen verborgen; die Kayſer merckten/ daß die Civiliſten/ wie man ſie damahls zu nennen pflegte/ wi- der die angemaſte Gewalt des Paͤbſtlichen Stuhls ihnen gute Rathſchlaͤge ertheilen koͤnnten; doch darmit war das Haupt- Werck
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Vorrede.
lehret/ darunter aber die Ethica und Politica nicht waren/ da-
mit ja die Weltlichen nicht zu klug werden ſolten. Hernach kam
des Ariſtotelis Philoſophie ziemlich in Gebrauch/ ſonderlich auf
der Pariſer Academie im 12ten Seculo, dagegen Auguſtini
Schrifften/ derer man ſich bishero bedienet hatte/ bey Seite
geleget wurden. Die Geiſtl. wiederſetzten ſich zwar der Ari-
ſtoteliſchen Welt-Weisheit ſo gar/ daß Ao. 1209 Ariſtotelis
aus der Griechiſchen ins Lateiniſche uͤberſetzten Buͤcher ver-
brandt/ und deren Leſung bey Strafe des Kirchenbannes
verbothen wurde. Wenige Zeit darnach nahm die Peripa-
thetiſche Lehre dermaſſen uͤberhand/ daß man lieber Ariſtote-
lis Schrifften/ als untruͤgliche Buͤcher ausgeben wolte/ darwi-
der kein vernuͤnftiger Menſch etwas ſagen duͤrfte/ weil bey de-
nen Philoſophis ein Text aus dem Ariſtotele, ſo viel als bey de-
nen Juriſten ein Lex aus dem Codice gelten muͤſſe/ deswegen
der gute Petrus Ramus einen toͤdtlichen Haß von denen andern
Gelehrten ſich auf den Halß weltzte/ weil er die heil. Ariſtoteli-
ſche Philoſophie verachtet hatte. Indeſſen ſcheinet die Politica
Ariſtotelis ſpaͤter/ als die andern Diſciplinen in das Lateiniſche
uͤberſetzet/ und auf den Univerſitæten eingefuͤhret zu ſeyn/ wie
Conring in der Meynung ſtehet; welches auch daraus zu erſe-
hen/ weil uͤber die andern Buͤcher des Ariſtotelis faſt unzehlige
Commentarii geſchmieret worden/ da hergegen uͤber ſeine Po-
liticam ſich wenige gemacht haben. Als das Roͤmiſche Recht
auf denen Univerſitæten eingefuͤhret wurde/ ſo erſahen die
Rechts-Gelehrten/ daß ſie in Erklaͤhrung derer Roͤmiſchen Ge-
ſetze ohne die Politic ſchwehrlich fortkommen koͤnnten; ſie ver-
ſpuͤreten/ daß die Geiſtl. Zeithero dieſe noͤthige Wiſſenſchafft
betruͤglich vor ihren Augen verborgen; die Kayſer merckten/
daß die Civiliſten/ wie man ſie damahls zu nennen pflegte/ wi-
der die angemaſte Gewalt des Paͤbſtlichen Stuhls ihnen gute
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