Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.quae homines in omnibus statibus premunt. Jesuit Possevinus nach Moscau geschicket worden. Man hat sein LebenFrantzösisch in Paris edirt, da der Autor zugleich alle seine Bücher ex- cerpiret, daß man also solche entbehren kan, wenn man dieses Leben hat. Macchiavellus hat vielmehr in seinem Principe nichts irraisonnables. Hertius hat auch in seiner Politic einen locum aus des Macchiavelli prin- cipe angeführet, worinnen er gar schön von der providentia divina rai- sonniret. Denn er hält nicht viel von der Catholischen superstition, deß- wegen machten sie ihm zum Atheisten; gleichwie man auch diejenigen, welche mit der Lutherana oder Reformata religione nicht zufrieden sind, sucht zu Atheisten zu machen. Conring hat ihn aber recht defendiret, und gezeiget, daß niemand von denen mutationibus rerum publicarum, davon unten in einem Capitel vorkommen wird, besser raisonniret, als eben Macchiavellus; daher werde ich ihn unten offt allegiren, aber alle- zeit cum animadversionibus Conringii. Denn obgleich ein jeder den Macchiavellum selbst lesen kan, so können doch junge Leute manchmahl einen Anstoß finden; daher thut man wohl, daß man ihnen eine Anlei- tung zeiget, dadurch sie können zu rechte kommen, damit sie nicht dasje- nige vor Wahrheiten des Macchiavelli ausgeben, quae tantum simulat. Der Amelot, welcher wegen seiner erudition sehr zu recommendiren, der auch des Tiberii Vitam ediret, imgleichen den Tacitum ins Frantzösische übersetzet, sagt gar wohl: Diejenige, so auf den Macchiavellum schmä- len, verstehen die artes regnandi nicht. Sie haben ihn nicht gelesen, ist das nicht elend Wesen; so pfaffisch ist der Macchiavellus nicht gewesen, daß er gemeynt, man könne mit dem Pater noster regieren, das kan auch einer sehen, wenn er zur Regierung kommt. Und wenn auch ein Theo- logus noch so viel abstractiones hat, so wird er doch finden, daß wenn er zur Regierung kommt, in vielen müsse von denen abstractionibus abge- gangen werden. Amelot erzehlet auch in seiner Praefation von einem Kay- serlichen Beicht-Vater, welcher, so lange er Beicht-Vater gewesen, sehr auf die Politicos geschmälet, wie er aber Bischoff zu Wien worden, der zugleich geheimder Rath mit ist, so hat er selbst gestanden, er sehe nun- mehro wohl, daß man mit dem Pater noster nicht fortkommen könnte. Der Macchiavellus hat ein judicium, das siehet man auch aus seinem Tract. de arte militari, welcher vielen vornehmen Herren wohlgefallen, daß sie gemeynet, Macchiavellus wäre capable einen General zu agiren. Ja es hat ihn der berühmte General, der Hertzog von Urbino, ein Regi- ment zu commandiren angebothen, aber er wollte nicht. Denn es kan einer vom Kriege viel schreiben, aber wenn er soll commandiren, so ge- höret mehr dazu. Es muß einer experience haben, und des Landes kun- dig L
quæ homines in omnibus ſtatibus premunt. Jeſuit Poſſevinus nach Moſcau geſchicket worden. Man hat ſein LebenFrantzoͤſiſch in Paris edirt, da der Autor zugleich alle ſeine Buͤcher ex- cerpiret, daß man alſo ſolche entbehren kan, wenn man dieſes Leben hat. Macchiavellus hat vielmehr in ſeinem Principe nichts irraiſonnables. Hertius hat auch in ſeiner Politic einen locum aus des Macchiavelli prin- cipe angefuͤhret, worinnen er gar ſchoͤn von der providentia divina rai- ſonniret. Denn er haͤlt nicht viel von der Catholiſchen ſuperſtition, deß- wegen machten ſie ihm zum Atheiſten; gleichwie man auch diejenigen, welche mit der Lutherana oder Reformata religione nicht zufrieden ſind, ſucht zu Atheiſten zu machen. Conring hat ihn aber recht defendiret, und gezeiget, daß niemand von denen mutationibus rerum publicarum, davon unten in einem Capitel vorkommen wird, beſſer raiſonniret, als eben Macchiavellus; daher werde ich ihn unten offt allegiren, aber alle- zeit cum animadverſionibus Conringii. Denn obgleich ein jeder den Macchiavellum ſelbſt leſen kan, ſo koͤnnen doch junge Leute manchmahl einen Anſtoß finden; daher thut man wohl, daß man ihnen eine Anlei- tung zeiget, dadurch ſie koͤnnen zu rechte kommen, damit ſie nicht dasje- nige vor Wahrheiten des Macchiavelli ausgeben, quæ tantum ſimulat. Der Amelot, welcher wegen ſeiner erudition ſehr zu recommendiren, der auch des Tiberii Vitam ediret, imgleichen den Tacitum ins Frantzoͤſiſche uͤberſetzet, ſagt gar wohl: Diejenige, ſo auf den Macchiavellum ſchmaͤ- len, verſtehen die artes regnandi nicht. Sie haben ihn nicht geleſen, iſt das nicht elend Weſen; ſo pfaffiſch iſt der Macchiavellus nicht geweſen, daß er gemeynt, man koͤnne mit dem Pater noſter regieren, das kan auch einer ſehen, wenn er zur Regierung kommt. Und wenn auch ein Theo- logus noch ſo viel abſtractiones hat, ſo wird er doch finden, daß wenn er zur Regierung kommt, in vielen muͤſſe von denen abſtractionibus abge- gangen werden. Amelot erzehlet auch in ſeiner Præfation von einem Kay- ſerlichen Beicht-Vater, welcher, ſo lange er Beicht-Vater geweſen, ſehr auf die Politicos geſchmaͤlet, wie er aber Biſchoff zu Wien worden, der zugleich geheimder Rath mit iſt, ſo hat er ſelbſt geſtanden, er ſehe nun- mehro wohl, daß man mit dem Pater noſter nicht fortkommen koͤnnte. Der Macchiavellus hat ein judicium, das ſiehet man auch aus ſeinem Tract. de arte militari, welcher vielen vornehmen Herren wohlgefallen, daß ſie gemeynet, Macchiavellus waͤre capable einen General zu agiren. Ja es hat ihn der beruͤhmte General, der Hertzog von Urbino, ein Regi- ment zu commandiren angebothen, aber er wollte nicht. Denn es kan einer vom Kriege viel ſchreiben, aber wenn er ſoll commandiren, ſo ge- hoͤret mehr dazu. Es muß einer experience haben, und des Landes kun- dig L
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hat. Macchiavellus hat vielmehr in ſeinem Principe nichts irraiſonnables.
Hertius hat auch in ſeiner Politic einen locum aus des Macchiavelli prin-
cipe angefuͤhret, worinnen er gar ſchoͤn von der providentia divina rai-
ſonniret. Denn er haͤlt nicht viel von der Catholiſchen ſuperſtition, deß-
wegen machten ſie ihm zum Atheiſten; gleichwie man auch diejenigen,
welche mit der Lutherana oder Reformata religione nicht zufrieden ſind,
ſucht zu Atheiſten zu machen. Conring hat ihn aber recht defendiret,
und gezeiget, daß niemand von denen mutationibus rerum publicarum,
davon unten in einem Capitel vorkommen wird, beſſer raiſonniret, als
eben Macchiavellus; daher werde ich ihn unten offt allegiren, aber alle-
zeit cum animadverſionibus Conringii. Denn obgleich ein jeder den
Macchiavellum ſelbſt leſen kan, ſo koͤnnen doch junge Leute manchmahl
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Der Amelot, welcher wegen ſeiner erudition ſehr zu recommendiren, der
auch des Tiberii Vitam ediret, imgleichen den Tacitum ins Frantzoͤſiſche
uͤberſetzet, ſagt gar wohl: Diejenige, ſo auf den Macchiavellum ſchmaͤ-
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das nicht elend Weſen; ſo pfaffiſch iſt der Macchiavellus nicht geweſen,
daß er gemeynt, man koͤnne mit dem Pater noſter regieren, das kan auch
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logus noch ſo viel abſtractiones hat, ſo wird er doch finden, daß wenn er
zur Regierung kommt, in vielen muͤſſe von denen abſtractionibus abge-
gangen werden. Amelot erzehlet auch in ſeiner Præfation von einem Kay-
ſerlichen Beicht-Vater, welcher, ſo lange er Beicht-Vater geweſen, ſehr
auf die Politicos geſchmaͤlet, wie er aber Biſchoff zu Wien worden, der
zugleich geheimder Rath mit iſt, ſo hat er ſelbſt geſtanden, er ſehe nun-
mehro wohl, daß man mit dem Pater noſter nicht fortkommen koͤnnte.
Der Macchiavellus hat ein judicium, das ſiehet man auch aus ſeinem
Tract. de arte militari, welcher vielen vornehmen Herren wohlgefallen,
daß ſie gemeynet, Macchiavellus waͤre capable einen General zu agiren.
Ja es hat ihn der beruͤhmte General, der Hertzog von Urbino, ein Regi-
ment zu commandiren angebothen, aber er wollte nicht. Denn es kan
einer vom Kriege viel ſchreiben, aber wenn er ſoll commandiren, ſo ge-
hoͤret mehr dazu. Es muß einer experience haben, und des Landes kun-
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