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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und dem eingeführten Range der Nazionen.
einigt weit heller in die Augen fält, als wenn derselbe
unter mehrere verteilt ist. Dieser Glanz, glaubt man,
müsse den Monarchien vor den Republicken nothwendig
mehr Achtung und einen höhern Rang verschaffen a],
zumal da die Beherscher der monarchischen Staaten per-
sönlich zusammenkommen, die Republicken hingegen nur
durch Gesandte erscheinen könten, welche ienen ohnstrei-
tig nachstehn müsten.

Nun ist dieser Vorzug zwar in der Natur keineswe-
ges gegründet, weil iede Regierungsform eines freien
Volks gleichwohl die Unabhängigkeit in sich begreift, und
wenn auch bey persönlichen Zusammenkünften der Mo-
narchen die Gleichheit wegfält, solche doch unter allersei-
tigen Gesandschaften füglich Statt findet. Demunge-
achtet hat das Herkommen allen gekrönten Häuptern,
wenn sie auch erst neuerlich die königliche Würde etc. wie
z. B. Preussen erlangt haben, den Vorrang vor den
Republicken zugestanden b].

Den Grund hiervon setzt Vattel c] in der Ueberlegen-
heit der Monarchien Europens, die mehrenteils blos mit
geringen Republicken zu thun gehabt, und daher zu stolz
gewesen sind, denselben Gleichheit zuzugestehn. Eine
Hauptursach liegt aber wohl auch in dem Aberglauben
des Papstthums. Die Monarchen liessen sich gewönlich
vom Papste oder doch der Geistlichkeit krönen und salben.
Diese mehr zu Erhaltung des päpstlichen Ansehns, als
zu Bestätigung der königlichen Würde nöthige Handlung
gab den Monarchen bey dem abergläubischen Haufen ein
weit ehrwürdigeres Ansehn und viel erhabnere Vorzüge,
deren die Republicken sich nicht theilhaftig machen konten.

Indes wollen die Republicken, indem sie den gekrön-
ten Häuptern weichen, dadurch nicht für geringer gehal-
ten seyn, sondern die Monarchien nur als die ersten un-
ter Gleichen ansehn. Man hat auch einigen Republicken
die sogenanten königlichen Ehrenbezeigungen, vermöge

wel-
O

und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen.
einigt weit heller in die Augen faͤlt, als wenn derſelbe
unter mehrere verteilt iſt. Dieſer Glanz, glaubt man,
muͤſſe den Monarchien vor den Republicken nothwendig
mehr Achtung und einen hoͤhern Rang verſchaffen a],
zumal da die Beherſcher der monarchiſchen Staaten per-
ſoͤnlich zuſammenkommen, die Republicken hingegen nur
durch Geſandte erſcheinen koͤnten, welche ienen ohnſtrei-
tig nachſtehn muͤſten.

Nun iſt dieſer Vorzug zwar in der Natur keineswe-
ges gegruͤndet, weil iede Regierungsform eines freien
Volks gleichwohl die Unabhaͤngigkeit in ſich begreift, und
wenn auch bey perſoͤnlichen Zuſammenkuͤnften der Mo-
narchen die Gleichheit wegfaͤlt, ſolche doch unter allerſei-
tigen Geſandſchaften fuͤglich Statt findet. Demunge-
achtet hat das Herkommen allen gekroͤnten Haͤuptern,
wenn ſie auch erſt neuerlich die koͤnigliche Wuͤrde ꝛc. wie
z. B. Preuſſen erlangt haben, den Vorrang vor den
Republicken zugeſtanden b].

Den Grund hiervon ſetzt Vattel c] in der Ueberlegen-
heit der Monarchien Europens, die mehrenteils blos mit
geringen Republicken zu thun gehabt, und daher zu ſtolz
geweſen ſind, denſelben Gleichheit zuzugeſtehn. Eine
Haupturſach liegt aber wohl auch in dem Aberglauben
des Papſtthums. Die Monarchen lieſſen ſich gewoͤnlich
vom Papſte oder doch der Geiſtlichkeit kroͤnen und ſalben.
Dieſe mehr zu Erhaltung des paͤpſtlichen Anſehns, als
zu Beſtaͤtigung der koͤniglichen Wuͤrde noͤthige Handlung
gab den Monarchen bey dem aberglaͤubiſchen Haufen ein
weit ehrwuͤrdigeres Anſehn und viel erhabnere Vorzuͤge,
deren die Republicken ſich nicht theilhaftig machen konten.

Indes wollen die Republicken, indem ſie den gekroͤn-
ten Haͤuptern weichen, dadurch nicht fuͤr geringer gehal-
ten ſeyn, ſondern die Monarchien nur als die erſten un-
ter Gleichen anſehn. Man hat auch einigen Republicken
die ſogenanten koͤniglichen Ehrenbezeigungen, vermoͤge

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[207[209]/0235] und dem eingefuͤhrten Range der Nazionen. einigt weit heller in die Augen faͤlt, als wenn derſelbe unter mehrere verteilt iſt. Dieſer Glanz, glaubt man, muͤſſe den Monarchien vor den Republicken nothwendig mehr Achtung und einen hoͤhern Rang verſchaffen a], zumal da die Beherſcher der monarchiſchen Staaten per- ſoͤnlich zuſammenkommen, die Republicken hingegen nur durch Geſandte erſcheinen koͤnten, welche ienen ohnſtrei- tig nachſtehn muͤſten. Nun iſt dieſer Vorzug zwar in der Natur keineswe- ges gegruͤndet, weil iede Regierungsform eines freien Volks gleichwohl die Unabhaͤngigkeit in ſich begreift, und wenn auch bey perſoͤnlichen Zuſammenkuͤnften der Mo- narchen die Gleichheit wegfaͤlt, ſolche doch unter allerſei- tigen Geſandſchaften fuͤglich Statt findet. Demunge- achtet hat das Herkommen allen gekroͤnten Haͤuptern, wenn ſie auch erſt neuerlich die koͤnigliche Wuͤrde ꝛc. wie z. B. Preuſſen erlangt haben, den Vorrang vor den Republicken zugeſtanden b]. Den Grund hiervon ſetzt Vattel c] in der Ueberlegen- heit der Monarchien Europens, die mehrenteils blos mit geringen Republicken zu thun gehabt, und daher zu ſtolz geweſen ſind, denſelben Gleichheit zuzugeſtehn. Eine Haupturſach liegt aber wohl auch in dem Aberglauben des Papſtthums. Die Monarchen lieſſen ſich gewoͤnlich vom Papſte oder doch der Geiſtlichkeit kroͤnen und ſalben. Dieſe mehr zu Erhaltung des paͤpſtlichen Anſehns, als zu Beſtaͤtigung der koͤniglichen Wuͤrde noͤthige Handlung gab den Monarchen bey dem aberglaͤubiſchen Haufen ein weit ehrwuͤrdigeres Anſehn und viel erhabnere Vorzuͤge, deren die Republicken ſich nicht theilhaftig machen konten. Indes wollen die Republicken, indem ſie den gekroͤn- ten Haͤuptern weichen, dadurch nicht fuͤr geringer gehal- ten ſeyn, ſondern die Monarchien nur als die erſten un- ter Gleichen anſehn. Man hat auch einigen Republicken die ſogenanten koͤniglichen Ehrenbezeigungen, vermoͤge wel- O

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 207[209]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/235>, abgerufen am 21.11.2024.