Natur errichteten Geselschaft sich aus den Lehren der alten stoischen und neuern spinozistischen Philosophie herschreibe, welche das ganze Weltall für die Gottheit ausgiebt, des- sen Theile nothwendig in einer natürlichen algemeinen Ver- bindung stehen müssen.
*] Eine ausführliche Schilderung des natürlichen Zustandes, den einige als den unruhigsten und gefährlichsten, andere als den friedlichsten und glücklichsten abbilden, findet man beim Puffendorf im J. N. et G. L. II. c. II. und in den meisten übrigen Schriften des Natur- und algemeinen Staatsrechts.
§. 3. Unter den Nazionen.
Wenn man annimt, daß alle Menschen von Na- tur zu einer Geselschaft verpflichtet sind, so folgt aller- dings, daß auch alle Völker des Erdbodens, als morali- sche Personen, gleiche Verbindlichkeit haben müssen, weil sie aus einzelnen Menschen bestehen, die sich den von Natur ihnen obliegenden Pflichten durch den Eintrit in eine bürgerliche Geselschaft nicht entziehen können a]. Allein bey diesen ist die unbedingte Nothwendigkeit dazu ohnstreitig noch weit geringer, als bey einzelnen Men- schen, indem Staaten durch die Vereinigung mehrerer Familien gewis in den Stand gesetzt werden, sich ihre unentbehrlichsten Bedürfnisse zu verschaffen und gegen die meisten auswärtigen Anfälle zu schützen. Freilich hätte alsdann, ohne nähere Verbindung mit andern, ieder mit den Erzeugnissen seines Landes zufrieden seyn müssen, welche die Natur iedoch sehr verschieden ausge- teilt hat. Allein die Verzärtelung der einzelnen Staats- glieder hatte auch die natürliche Folge, daß ganze Völ- ker Dinge, die bei andern anzutreffen waren, ihnen aber mangelten, für unentbehrlich hielten, ob sie gleich blos
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der Nazionen.
Natur errichteten Geſelſchaft ſich aus den Lehren der alten ſtoiſchen und neuern ſpinoziſtiſchen Philoſophie herſchreibe, welche das ganze Weltall fuͤr die Gottheit ausgiebt, deſ- ſen Theile nothwendig in einer natuͤrlichen algemeinen Ver- bindung ſtehen muͤſſen.
*] Eine ausfuͤhrliche Schilderung des natuͤrlichen Zuſtandes, den einige als den unruhigſten und gefaͤhrlichſten, andere als den friedlichſten und gluͤcklichſten abbilden, findet man beim Puffendorf im J. N. et G. L. II. c. II. und in den meiſten uͤbrigen Schriften des Natur- und algemeinen Staatsrechts.
§. 3. Unter den Nazionen.
Wenn man annimt, daß alle Menſchen von Na- tur zu einer Geſelſchaft verpflichtet ſind, ſo folgt aller- dings, daß auch alle Voͤlker des Erdbodens, als morali- ſche Perſonen, gleiche Verbindlichkeit haben muͤſſen, weil ſie aus einzelnen Menſchen beſtehen, die ſich den von Natur ihnen obliegenden Pflichten durch den Eintrit in eine buͤrgerliche Geſelſchaft nicht entziehen koͤnnen a]. Allein bey dieſen iſt die unbedingte Nothwendigkeit dazu ohnſtreitig noch weit geringer, als bey einzelnen Men- ſchen, indem Staaten durch die Vereinigung mehrerer Familien gewis in den Stand geſetzt werden, ſich ihre unentbehrlichſten Beduͤrfniſſe zu verſchaffen und gegen die meiſten auswaͤrtigen Anfaͤlle zu ſchuͤtzen. Freilich haͤtte alsdann, ohne naͤhere Verbindung mit andern, ieder mit den Erzeugniſſen ſeines Landes zufrieden ſeyn muͤſſen, welche die Natur iedoch ſehr verſchieden ausge- teilt hat. Allein die Verzaͤrtelung der einzelnen Staats- glieder hatte auch die natuͤrliche Folge, daß ganze Voͤl- ker Dinge, die bei andern anzutreffen waren, ihnen aber mangelten, fuͤr unentbehrlich hielten, ob ſie gleich blos
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Natur errichteten Geſelſchaft ſich aus den Lehren der alten
ſtoiſchen und neuern ſpinoziſtiſchen Philoſophie herſchreibe,
welche das ganze Weltall fuͤr die Gottheit ausgiebt, deſ-
ſen Theile nothwendig in einer natuͤrlichen algemeinen Ver-
bindung ſtehen muͤſſen.
*] Eine ausfuͤhrliche Schilderung des natuͤrlichen Zuſtandes,
den einige als den unruhigſten und gefaͤhrlichſten, andere
als den friedlichſten und gluͤcklichſten abbilden, findet man
beim Puffendorf im J. N. et G. L. II. c. II. und in
den meiſten uͤbrigen Schriften des Natur- und algemeinen
Staatsrechts.
§. 3.
Unter den Nazionen.
Wenn man annimt, daß alle Menſchen von Na-
tur zu einer Geſelſchaft verpflichtet ſind, ſo folgt aller-
dings, daß auch alle Voͤlker des Erdbodens, als morali-
ſche Perſonen, gleiche Verbindlichkeit haben muͤſſen, weil
ſie aus einzelnen Menſchen beſtehen, die ſich den von
Natur ihnen obliegenden Pflichten durch den Eintrit in
eine buͤrgerliche Geſelſchaft nicht entziehen koͤnnen a].
Allein bey dieſen iſt die unbedingte Nothwendigkeit dazu
ohnſtreitig noch weit geringer, als bey einzelnen Men-
ſchen, indem Staaten durch die Vereinigung mehrerer
Familien gewis in den Stand geſetzt werden, ſich ihre
unentbehrlichſten Beduͤrfniſſe zu verſchaffen und gegen
die meiſten auswaͤrtigen Anfaͤlle zu ſchuͤtzen. Freilich
haͤtte alsdann, ohne naͤhere Verbindung mit andern,
ieder mit den Erzeugniſſen ſeines Landes zufrieden ſeyn
muͤſſen, welche die Natur iedoch ſehr verſchieden ausge-
teilt hat. Allein die Verzaͤrtelung der einzelnen Staats-
glieder hatte auch die natuͤrliche Folge, daß ganze Voͤl-
ker Dinge, die bei andern anzutreffen waren, ihnen aber
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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/175>, abgerufen am 16.02.2025.
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