Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.Von den souverainen Staaten überhaupt, Natur der Sache nach, meist nur bey kleinen Staaten,die eines mächtigern Schutzes bedürfen, statt finden. So stehn z. B. Monaco, wie vorerwähnt, unter fran- zösischen, San-Marino unter päpstlichen, und Ragusa unter türkischen und mehrerer anderer Nazionen Schutz. Alle Bischöfe, Aebte etc. begaben sich ehemals, weil es ihnen an weltlicher Gewalt fehlte, unter den Schutz eines mächtigen Fürsten. Der römische Kaiser verspricht in der Wahlcapitulation Art. I. §. 1. den Stuhl zu Rom und päpstliche Heiligkeit, als derselben Advocat zu schützen b]. Im teutschen Reiche stehen ebenfals ver- schiedene Reichsstände, ohne Nachtheil ihrer Landesho- heit, unter dem Schutze ihrer Mitstände, besonders die Stifter und Reichstädte. Der Schutz auswärtiger Mäch- te über Glieder des Reichs ist nach der Wahlcapitulation Art. 27. eigentlich verboten und daselbst §. 3. geordnet, daß männiglich in des Kaisers und heil. Röm. Reichs Schutz und Vertheidigung -- ohne Imploration in- und auswärtigen Anhangs und Assistenz stehen solle; "die übrige Reichskundige Praxis und das algemeine Reichs- herkommen belehren hingegen," sagt Moser c] "daß ein unschuldiger Schirmsvertrag gar wohl erlaubt seye; wie es dann auch eine natürliche und nothwendige Folge des allen Reichsständen in dem westphalischen Frieden und der Kaiserlichen Wahlcapitulation zu ihrer Sicher- heit und Wohlfahrt, unter sich und mit Auswärtigen zugestandenen Bündnisrechts ist." Uebrigens misbraucht der mächtigere Schutzherr freilich sein vertragsweise er- langtes Recht nicht selten so, daß der Schutz zuweilen in eine wahre Oberherschaft ausartet und man nicht ohne Grund sagen kan: Sich in fremden Schutz begeben, ist die erste Staffel zur Dienstbarkeit. a] Beiträge in Friedenszeiten, 1. B. 1. K. §. 6. S. 18. b] Petr. Fr. de Hohenthal diß. de nationis Germanicae Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, Natur der Sache nach, meiſt nur bey kleinen Staaten,die eines maͤchtigern Schutzes beduͤrfen, ſtatt finden. So ſtehn z. B. Monaco, wie vorerwaͤhnt, unter fran- zoͤſiſchen, San-Marino unter paͤpſtlichen, und Raguſa unter tuͤrkiſchen und mehrerer anderer Nazionen Schutz. Alle Biſchoͤfe, Aebte ꝛc. begaben ſich ehemals, weil es ihnen an weltlicher Gewalt fehlte, unter den Schutz eines maͤchtigen Fuͤrſten. Der roͤmiſche Kaiſer verſpricht in der Wahlcapitulation Art. I. §. 1. den Stuhl zu Rom und paͤpſtliche Heiligkeit, als derſelben Advocat zu ſchuͤtzen b]. Im teutſchen Reiche ſtehen ebenfals ver- ſchiedene Reichsſtaͤnde, ohne Nachtheil ihrer Landesho- heit, unter dem Schutze ihrer Mitſtaͤnde, beſonders die Stifter und Reichſtaͤdte. Der Schutz auswaͤrtiger Maͤch- te uͤber Glieder des Reichs iſt nach der Wahlcapitulation Art. 27. eigentlich verboten und daſelbſt §. 3. geordnet, daß maͤnniglich in des Kaiſers und heil. Roͤm. Reichs Schutz und Vertheidigung — ohne Imploration in- und auswaͤrtigen Anhangs und Aſſiſtenz ſtehen ſolle; “die uͤbrige Reichskundige Praxis und das algemeine Reichs- herkommen belehren hingegen,” ſagt Moſer c] “daß ein unſchuldiger Schirmsvertrag gar wohl erlaubt ſeye; wie es dann auch eine natuͤrliche und nothwendige Folge des allen Reichsſtaͤnden in dem weſtphaliſchen Frieden und der Kaiſerlichen Wahlcapitulation zu ihrer Sicher- heit und Wohlfahrt, unter ſich und mit Auswaͤrtigen zugeſtandenen Buͤndnisrechts iſt.” Uebrigens misbraucht der maͤchtigere Schutzherr freilich ſein vertragsweiſe er- langtes Recht nicht ſelten ſo, daß der Schutz zuweilen in eine wahre Oberherſchaft ausartet und man nicht ohne Grund ſagen kan: Sich in fremden Schutz begeben, iſt die erſte Staffel zur Dienſtbarkeit. a] Beitraͤge in Friedenszeiten, 1. B. 1. K. §. 6. S. 18. b] Petr. Fr. de Hohenthal diß. de nationis Germanicae <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="132"/><fw place="top" type="header">Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,</fw><lb/> Natur der Sache nach, meiſt nur bey kleinen Staaten,<lb/> die eines maͤchtigern Schutzes beduͤrfen, ſtatt finden.<lb/> So ſtehn z. B. <hi rendition="#fr">Monaco</hi>, wie vorerwaͤhnt, unter fran-<lb/> zoͤſiſchen, <hi rendition="#fr">San-Marino</hi> unter paͤpſtlichen, und <hi rendition="#fr">Raguſa</hi><lb/> unter tuͤrkiſchen und mehrerer anderer Nazionen Schutz.<lb/> Alle Biſchoͤfe, Aebte ꝛc. begaben ſich ehemals, weil es<lb/> ihnen an weltlicher Gewalt fehlte, unter den Schutz<lb/> eines maͤchtigen Fuͤrſten. Der roͤmiſche Kaiſer verſpricht<lb/> in der Wahlcapitulation Art. <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 1. den Stuhl zu<lb/> Rom und paͤpſtliche Heiligkeit, als derſelben Advocat zu<lb/> ſchuͤtzen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">b</hi></hi>]. Im teutſchen Reiche ſtehen ebenfals ver-<lb/> ſchiedene Reichsſtaͤnde, ohne Nachtheil ihrer Landesho-<lb/> heit, unter dem Schutze ihrer Mitſtaͤnde, beſonders die<lb/> Stifter und Reichſtaͤdte. Der Schutz auswaͤrtiger Maͤch-<lb/> te uͤber Glieder des Reichs iſt nach der Wahlcapitulation<lb/> Art. 27. eigentlich verboten und daſelbſt §. 3. geordnet,<lb/> daß maͤnniglich in des Kaiſers und heil. Roͤm. Reichs<lb/> Schutz und Vertheidigung — ohne <hi rendition="#aq">Imploration</hi> in- und<lb/> auswaͤrtigen Anhangs und Aſſiſtenz ſtehen ſolle; “die<lb/> uͤbrige Reichskundige Praxis und das algemeine Reichs-<lb/> herkommen belehren hingegen,” ſagt Moſer <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">c</hi></hi>] “daß ein<lb/><hi rendition="#fr">unſchuldiger</hi> Schirmsvertrag gar wohl erlaubt ſeye;<lb/> wie es dann auch eine natuͤrliche und nothwendige Folge<lb/> des allen Reichsſtaͤnden in dem weſtphaliſchen Frieden<lb/> und der Kaiſerlichen Wahlcapitulation zu ihrer Sicher-<lb/> heit und Wohlfahrt, unter ſich und mit Auswaͤrtigen<lb/> zugeſtandenen Buͤndnisrechts iſt.” Uebrigens misbraucht<lb/> der maͤchtigere Schutzherr freilich ſein vertragsweiſe er-<lb/> langtes Recht nicht ſelten ſo, daß der Schutz zuweilen<lb/> in eine wahre Oberherſchaft ausartet und man nicht ohne<lb/> Grund ſagen kan: <hi rendition="#fr">Sich in fremden Schutz begeben,<lb/> iſt die erſte Staffel zur Dienſtbarkeit</hi>.</p><lb/> <note place="end" n="a]">Beitraͤge in Friedenszeiten, 1. B. 1. K. §. 6. S. 18.</note><lb/> <note place="end" n="b]"> <hi rendition="#aq">Petr. Fr. de <hi rendition="#i">Hohenthal</hi> diß. de nationis Germanicae</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">in</hi> </fw><lb/> </note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0158]
Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
Natur der Sache nach, meiſt nur bey kleinen Staaten,
die eines maͤchtigern Schutzes beduͤrfen, ſtatt finden.
So ſtehn z. B. Monaco, wie vorerwaͤhnt, unter fran-
zoͤſiſchen, San-Marino unter paͤpſtlichen, und Raguſa
unter tuͤrkiſchen und mehrerer anderer Nazionen Schutz.
Alle Biſchoͤfe, Aebte ꝛc. begaben ſich ehemals, weil es
ihnen an weltlicher Gewalt fehlte, unter den Schutz
eines maͤchtigen Fuͤrſten. Der roͤmiſche Kaiſer verſpricht
in der Wahlcapitulation Art. I. §. 1. den Stuhl zu
Rom und paͤpſtliche Heiligkeit, als derſelben Advocat zu
ſchuͤtzen b]. Im teutſchen Reiche ſtehen ebenfals ver-
ſchiedene Reichsſtaͤnde, ohne Nachtheil ihrer Landesho-
heit, unter dem Schutze ihrer Mitſtaͤnde, beſonders die
Stifter und Reichſtaͤdte. Der Schutz auswaͤrtiger Maͤch-
te uͤber Glieder des Reichs iſt nach der Wahlcapitulation
Art. 27. eigentlich verboten und daſelbſt §. 3. geordnet,
daß maͤnniglich in des Kaiſers und heil. Roͤm. Reichs
Schutz und Vertheidigung — ohne Imploration in- und
auswaͤrtigen Anhangs und Aſſiſtenz ſtehen ſolle; “die
uͤbrige Reichskundige Praxis und das algemeine Reichs-
herkommen belehren hingegen,” ſagt Moſer c] “daß ein
unſchuldiger Schirmsvertrag gar wohl erlaubt ſeye;
wie es dann auch eine natuͤrliche und nothwendige Folge
des allen Reichsſtaͤnden in dem weſtphaliſchen Frieden
und der Kaiſerlichen Wahlcapitulation zu ihrer Sicher-
heit und Wohlfahrt, unter ſich und mit Auswaͤrtigen
zugeſtandenen Buͤndnisrechts iſt.” Uebrigens misbraucht
der maͤchtigere Schutzherr freilich ſein vertragsweiſe er-
langtes Recht nicht ſelten ſo, daß der Schutz zuweilen
in eine wahre Oberherſchaft ausartet und man nicht ohne
Grund ſagen kan: Sich in fremden Schutz begeben,
iſt die erſte Staffel zur Dienſtbarkeit.
a] Beitraͤge in Friedenszeiten, 1. B. 1. K. §. 6. S. 18.
b] Petr. Fr. de Hohenthal diß. de nationis Germanicae
in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |