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Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.

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Leo Armenius
Trab. Die Burgtrompette bläst jtzt auß die sechste stunden
Der Dritte Eingang.
Leo.
Was bilden wir vns ein?
Soll vnß ein leerer wahn/ ein falscher dnnst bewegen?
Sol dises zittern sich auß Phantasie erregen?
Sol es gantz eitel seyn
Was diß schröckliche gesichte
Von dem ernsten Bluttgerichte/
Von vntergang/ fall/ todt/ vnd wunden
Vns die Seelen eingebunden?
Der kalte schweiß bricht vor.
Der müde Leib erbebt/ das Hertz mit angst vmbfangen/
Klopfft schmachtend zwischen furcht vnd sehnlichen verlangen.
Es klingt nichts in dem Ohr;
Alß der donner-herben rache
Von Gott außgetagte sache/
Wir schaw'n den geist noch für vnß stehen
Wir schawen vnser Reich vergehen.
Stoß Michael Stoß zue!
So rieff das trawrgespenst. Dein Zepter wird zerbrochen.
Der strenge todt hat dir diß strenge recht gesprochen:
Auff/ auff von deiner Ruh!
Ach/ hat ruh' vns je erquicket
Weil die Cron das Haupt gedrücket?
Jst eine wollust die wir funden
Die nicht in leichtes nichts verschwunden?
Dein Zepter ist entzwey!
Diß recht spricht vns d' tod/ der hohe Thron wird brechen;
Die straffe wil den mann/ den wir vertrieben/ rechen
Geht denn der Mörder frey?
Haben wir diß schwerdt gewetzet/

Das
Leo Armenius
Trab. Die Burgtrompette blaͤſt jtzt auß die ſechſte ſtunden
Der Dritte Eingang.
Leo.
Was bilden wir vns ein?
Soll vnß ein leerer wahn/ ein falſcher dnnſt bewegen?
Sol diſes zittern ſich auß Phantaſie erꝛegen?
Sol es gantz eitel ſeyn
Was diß ſchroͤckliche geſichte
Von dem ernſten Bluttgerichte/
Von vntergang/ fall/ todt/ vnd wunden
Vns die Seelen eingebunden?
Der kalte ſchweiß bricht vor.
Der muͤde Leib erbebt/ das Hertz mit angſt vmbfangen/
Klopfft ſchmachtend zwiſchẽ furcht vñ ſehnlichẽ verlangẽ.
Es klingt nichts in dem Ohr;
Alß der donner-herben rache
Von Gott außgetagte ſache/
Wir ſchaw’n den geiſt noch fuͤr vnß ſtehen
Wir ſchawen vnſer Reich vergehen.
Stoß Michael Stoß zue!
So rieff das trawrgeſpenſt. Dein Zepter wird zerbrochen.
Der ſtrenge todt hat dir diß ſtrenge recht geſprochen:
Auff/ auff von deiner Ruh!
Ach/ hat ruh’ vns je erquicket
Weil die Cron das Haupt gedruͤcket?
Jſt eine wolluſt die wir funden
Die nicht in leichtes nichts verſchwunden?
Dein Zepter iſt entzwey!
Diß recht ſpricht vns d’ tod/ der hohe Thron wird brechẽ;
Die ſtraffe wil den mann/ den wir vertrieben/ rechen
Geht denn der Moͤrder frey?
Haben wir diß ſchwerdt gewetzet/

Das
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[42/0054] Leo Armenius Trab. Die Burgtrompette blaͤſt jtzt auß die ſechſte ſtunden Der Dritte Eingang. Leo. Was bilden wir vns ein? Soll vnß ein leerer wahn/ ein falſcher dnnſt bewegen? Sol diſes zittern ſich auß Phantaſie erꝛegen? Sol es gantz eitel ſeyn Was diß ſchroͤckliche geſichte Von dem ernſten Bluttgerichte/ Von vntergang/ fall/ todt/ vnd wunden Vns die Seelen eingebunden? Der kalte ſchweiß bricht vor. Der muͤde Leib erbebt/ das Hertz mit angſt vmbfangen/ Klopfft ſchmachtend zwiſchẽ furcht vñ ſehnlichẽ verlangẽ. Es klingt nichts in dem Ohr; Alß der donner-herben rache Von Gott außgetagte ſache/ Wir ſchaw’n den geiſt noch fuͤr vnß ſtehen Wir ſchawen vnſer Reich vergehen. Stoß Michael Stoß zue! So rieff das trawrgeſpenſt. Dein Zepter wird zerbrochen. Der ſtrenge todt hat dir diß ſtrenge recht geſprochen: Auff/ auff von deiner Ruh! Ach/ hat ruh’ vns je erquicket Weil die Cron das Haupt gedruͤcket? Jſt eine wolluſt die wir funden Die nicht in leichtes nichts verſchwunden? Dein Zepter iſt entzwey! Diß recht ſpricht vns d’ tod/ der hohe Thron wird brechẽ; Die ſtraffe wil den mann/ den wir vertrieben/ rechen Geht denn der Moͤrder frey? Haben wir diß ſchwerdt gewetzet/ Das

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/54>, abgerufen am 05.05.2024.