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Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650.

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Das Ander Buch.

Mich in dein Wonhauß eyn.

Gegensatz. V.
Wenn wirst du die nassen wangen
Trücknen mit der sanfften Handt?
Ach! wenn wirst du mich vmbfangen
Mit der süssen Arme bandt?
VI.

Wenn wirst du von meinem Rucken
Reissen dieser Bürden pein/
Die mich vnauffhörlich drücken?
Kom Erlöser brich doch ein!
VII.

Kom gewündschter/ laß mich küssen
Dein liebreiches Angesicht!
Heiß den Himmel mir auffschlissen:
Nun mir wonung hier gebricht[!]
VIII.

Gutte Nacht verfluchtes Leben!
Das man vnrecht leben nennt!
Der sich einig dir ergeben;
Hatt/ was leben/ nie erkennt.
III.
Verleugnung der Welt.
WAs frag ich nach der welt! sie wird in flamen stehn:
Was acht ich reiche pracht: der Todt reißt alles hin!
Was hilfft die wissenschafft/ der mehr denn falsche dunst:
Der liebe Zauberwerck ist tolle Phantasie:
Die wollust ist fürwar nichts alß ein schneller Traum;
Die Schönheit ist wie Schnee'/ diß Leben ist der Todt.
2. Diß alles stinckt mich an/ drumb wündsch ich mir den
Todt!
Weil nichts wie schön vnd starck/ wie reich es sey/ kan stehn

Offt

Das Ander Buch.

Mich in dein Wonhauß eyn.

Gegenſatz. V.
Wenn wirſt du die naſſen wangen
Truͤcknen mit der ſanfften Handt?
Ach! wenn wirſt du mich vmbfangen
Mit der ſuͤſſen Arme bandt?
VI.

Wenn wirſt du von meinem Rucken
Reiſſen dieſer Buͤrden pein/
Die mich vnauffhoͤrlich druͤcken?
Koḿ Erloͤſer brich doch ein!
VII.

Kom gewuͤndſchter/ laß mich kuͤſſen
Dein liebreiches Angeſicht!
Heiß den Himmel mir auffſchliſſen:
Nun mir wonung hier gebricht[!]
VIII.

Gutte Nacht verfluchtes Leben!
Das man vnrecht leben nennt!
Der ſich einig dir ergeben;
Hatt/ was leben/ nie erkennt.
III.
Verleugnung der Welt.
WAs frag ich nach der welt! ſie wird in flaḿen ſtehn:
Was acht ich reiche pracht: der Todt reißt alles hin!
Was hilfft die wiſſenſchafft/ der mehr denn falſche dunſt:
Der liebe Zauberwerck iſt tolle Phantaſie:
Die wolluſt iſt fuͤrwar nichts alß ein ſchneller Traum;
Die Schoͤnheit iſt wie Schnee’/ diß Leben iſt der Todt.
2. Diß alles ſtinckt mich an/ drumb wuͤndſch ich mir den
Todt!
Weil nichts wie ſchoͤn vnd ſtarck/ wie reich es ſey/ kan ſtehn

Offt
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[117/0129] Das Ander Buch. Mich in dein Wonhauß eyn. Gegenſatz. V. Wenn wirſt du die naſſen wangen Truͤcknen mit der ſanfften Handt? Ach! wenn wirſt du mich vmbfangen Mit der ſuͤſſen Arme bandt? VI. Wenn wirſt du von meinem Rucken Reiſſen dieſer Buͤrden pein/ Die mich vnauffhoͤrlich druͤcken? Koḿ Erloͤſer brich doch ein! VII. Kom gewuͤndſchter/ laß mich kuͤſſen Dein liebreiches Angeſicht! Heiß den Himmel mir auffſchliſſen: Nun mir wonung hier gebricht! VIII. Gutte Nacht verfluchtes Leben! Das man vnrecht leben nennt! Der ſich einig dir ergeben; Hatt/ was leben/ nie erkennt. III. Verleugnung der Welt. WAs frag ich nach der welt! ſie wird in flaḿen ſtehn: Was acht ich reiche pracht: der Todt reißt alles hin! Was hilfft die wiſſenſchafft/ der mehr denn falſche dunſt: Der liebe Zauberwerck iſt tolle Phantaſie: Die wolluſt iſt fuͤrwar nichts alß ein ſchneller Traum; Die Schoͤnheit iſt wie Schnee’/ diß Leben iſt der Todt. 2. Diß alles ſtinckt mich an/ drumb wuͤndſch ich mir den Todt! Weil nichts wie ſchoͤn vnd ſtarck/ wie reich es ſey/ kan ſtehn Offt

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Zitationshilfe: Gryphius, Andreas: Teutsche Reim-Gedichte. Frankfurt (Main), 1650, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gryphius_leoarmenius_1650/129>, abgerufen am 02.05.2024.